Diät-Wahnsinn:Das große Messen nach dem Fressen

Armut in Baden-Württemberg

Teller mit Ente, Rotkraut und Kartoffeln: Wer abnehmen will, muss weniger Kalorien essen, als der Körper verbraucht.

(Foto: dpa)

Diäten wechseln wie Bekleidungs-Moden: Mal gelten Kohlenhydrate als Sünde, mal sorgt das Fett für die Pfunde. Dabei gibt es für eine erfolgreiche Diät nur einen Weg

Von Katrin Blawat

Niemand wird zwischen den Jahren dick. Das klingt beruhigend, verlangt aber nach einer Ergänzung: Man wird in diesen paar Tagen auch nicht dünn. Jedenfalls nicht, wenn es um mehr geht als nur um die Folgen weihnachtlicher Prasserei.

Sich um die ernsthafte Gedanken zu machen, lohnt sowieso nicht. Ein paar Tage lang zu viel gegessen, zu viel getrunken und sich zu wenig bewegt? Sei's drum. Hauptsache, es hat gut geschmeckt. Handelt es sich wirklich nur um ein, zwei Feiertagspfunde, werden die auch ohne Diät wieder fallen wie die Nadeln des Weihnachtsbaums.

Jene Menschen aber, die ihr Gewichtsproblem für schwerwiegender halten, müssen sich entscheiden. Kohlsuppe, Low-irgendwas, Trennkost oder Steinzeitdiät?

Stopp. Den ganzen Wahnsinn kurz vergessen und sich die eine Erkenntnis in Erinnerung rufen, die - erstaunlich genug für die Ernährungsforschung - alle Moden seit Jahren überdauert: Jede erfolgreiche Diät ist eine Frage von simpler Arithmetik und Geduld. Wer abnehmen will, muss weniger Kalorien essen, als der Körper verbraucht.

Das ist so banal, wie es klingt. Aus welchen Speisen die Energie stammt, ist der Waage egal. Auch die Uhrzeit spielt höchstwahrscheinlich keine Rolle; ein üppiges Frühstück macht ebenso dick wie ein Abendessen mit gleicher Kalorienmenge. Bis die Kilos dauerhaft verschwinden, dauert es in jedem Fall; ein Pfund Gewichtsverlust pro Woche gilt dabei als realistisches Ziel.

Rein rechnerisch funktioniert also auch die einfachste aller Diäten, die freundlich- robuste Aufforderung zum "Friss die Hälfte". Allerdings haben genussvolles Essen und Rechnerei weniger miteinander zu tun als Fertigpizza und Sterneküche. Es mag zwar eine Zeit lang ganz gut funktionieren, seine gewohnten Portionen einfach zu halbieren.

Doch wer das dauerhaft durchhält und damit abnimmt, hat vermutlich sowieso kein ernstes und drängendes Gewichtsproblem. Denn so penetrant pädagogisch es auch klingen mag - es ist einiges dran am Mantra der Ernährungsforscher, abnehmen funktioniere nur dann, wenn man sich dauerhaft an eine andere Ernährung gewöhnt.

Low Fat versus Low Carb

Und die müsse unbedingt fettarm sein, propagierten viele Diätgurus lange. Folgsam senkten die Deutschen ihren Fettverbrauch seit den Achtzigerjahren um durchschnittlich fünf Prozent. Zufrieden mit ihrem Gewicht sind viele dennoch nicht. Trotzdem fällt Low-Fat-Anhängern die Argumentation leicht, schließlich enthält ein Gramm Fett neun und damit etwa doppelt so viele Kalorien wie die gleiche Menge Kohlenhydrate oder Eiweiß. Schon mit kleinen Mengen fetten Essens nimmt man also vergleichsweise viel Energie zu sich, oft ohne es zu bemerken.

Der Hauptgrund, warum eine fettarme Ernährung das Gewicht sinken lässt, liegt daher vermutlich weniger am geringen Fettanteil selbst als am niedrigen Kaloriengehalt. So sehen es auch Lee Hooper von der University of East Anglia in Norwich und seine Mitautoren in einer jüngst veröffentlichten Analyse mehrerer Studien mit insgesamt mehr als 73.500 Teilnehmern.

Doch das bedeutet zugleich, dass der Verzicht auf Fett nichts hilft, wenn zum Beispiel Zucker die eingesparten Kalorien wieder wettmacht. Andererseits lässt sich auch mit hohem Fettanteil abnehmen, wenn nur die Gesamtenergie niedrig ist.

Und was ist mit all den anderen Weisheiten rund ums Thema Fett und Abnehmen, etwa der beliebten Idee, gesättigte Fettsäuren in der Wurst machten dicker als ungesättigte im Olivenöl? Zuverlässige Belege dafür fehlen, und viele Experten plädieren auch hier zur ideologischen Entrümpelung. Sehr wahrscheinlich macht jede Kalorie gleich dick - ganz egal, woher sie stammt.

Dieses Argument lässt sich auch gegen die sogenannten Low-Carb-Diäten anbringen, die in ihrer strengsten Auslegung fast jede Form von Kohlenhydraten verteufeln. Stattdessen sehen sie reichlich Eiweiß vor, das mehreren Studien zufolge immerhin gut sättigt.

Doch wer es ganz ernst mit Low-Carb meint, ernährt sich fast nur von Fleisch, Fisch, und Eiern - und tappst vermutlich nach wenigen Tagen heimlich in die Küche, um eine dicke Scheibe Brot zu essen. Auf Kohlenhydrate zu verzichten, fällt den meisten Menschen extrem schwer, und nichts gefährdet den Abnehmerfolg so sehr wie Unzufriedenheit mit dem, was der Diätplan einem zugesteht.

Schon aus diesem Grund stehen sämtliche Diäten ganz oben auf der Liste des Ernährungsunfugs, die sich auf ein einziges Lebensmittel konzentrieren. Kohlsuppen-, Ananas-, Eier- und alle sonstige Monodiäten sind der dümmste Versuch, seine Willenskraft zu testen. Sogar wer ausschließlich gedünstetes Gemüse isst, tut seinem Körper nichts Gutes.

Was sonst noch bei Abnehmen hilft

Das andere Extrem, nämlich eine sehr fleischlastige Ernährung, sieht die Paläo- oder Steinzeitdiät vor. Sie folgt der Annahme, der Körper habe sich an den Großteil der heute verfügbaren Nahrung noch nicht angepasst. Weil es in der Steinzeit noch keine Nudeln gab, sind sie demnach auch heute tabu.

Die Idee kommt zunehmend in Mode, ist aus wissenschaftlicher Sicht aber fragwürdig. Was Steinzeitmenschen wirklich in welchen Mengen gegessen haben, ist weniger bekannt, als es diese Diät suggeriert. Immerhin sieht sie in den meist einen hohen Gemüse- und Fruchtanteil vor.

Wenig Vertrauen in die Fähigkeiten des Körpers haben auch Verfechter der Trennkost. Sie folgt dem Prinzip, Kohlenhydrate und Eiweiß nur getrennt zu sich zu nehmen. Angeblich kann der Körper beides zusammen nicht verdauen. Das ist zwar den meisten Studien zufolge Unfug, doch enthalten viele Trennkost-Rezepte wenige Kalorien und insgesamt eine sinnvolle Nährstoff-Zusammensetzung. Die Methode eignet sich vor allem für Menschen mit Spaß an biochemischen Gedankenspielen, Disziplin und viel Zeit, Mahlzeiten zu planen.

Was aber bleibt übrig an brauchbaren Ratschlägen, wenn man seine Diät einfach und trotzdem vernünftig angehen will? Vor allem die befreiende Aufforderung, sich nicht zu viele Gedanken zu machen und eine Handvoll unspektakulärer Tipps. Von allem ein bisschen essen bei insgesamt niedriger Kalorienzahl. "Gesunde Mischkost" nennen Ernährungsratgeber das. Sie beinhaltet viel Gemüse, das wegen seines großen Volumens den Magen füllt, ohne viel Energie zu liefern.

Zudem gilt: Kalorien vermeiden, die nicht satt machen, etwa in süßen Getränken - dazu zählt auch Fruchtsaft. Nicht weiter essen, wenn man bereits satt ist. Genügend schlafen und sich bewegen. Letzteres hilft vor allem, sich wohler zu fühlen. Um hingegen Muskeln aufzubauen, die im großen Maßstab Kalorien verbrennen, müsste das Sportpensum schon sehr üppig ausfallen.

Wissen wir das alles nicht längst? Und bangen trotzdem, ob wir die überflüssigen Kilos bis zum Sommer loswerden? Keine Sorge, das wird schon. Es muss ja nicht gleich der kommende Sommer sein.

Ausführliche Informationen zu den bekanntesten Diäten finden Sie in unserem Diät-Ratgeber. Was sonst noch beim Abnehmen hilft, erfahren Sie hier.

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