Erfolg von Diäten:"Abnehmen ist eine Lebensaufgabe"

Erfolgloser Kampf gegen die Pfunde: Nur wenige schaffen es, dem Jo-Jo-Effekt einer Diät zu entkommen. Die Psychologin Tanja Legenbauer erläutert die Gründe - und wie man dauerhaft Gewicht verliert.

Von Berit Uhlmann

Tanja Legenbauer ist Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der LWL Universitätsklinik Hamm für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Ruhr-Universität Bochum. Ein Schwerpunkt ihrer Forschung ist die Behandlung von Übergewicht. Als Mitarbeiterin der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Bochumer Universität leitete sie in Zusammenarbeit mit Stephan Herpertz im Jahr 2012 die vom Bundesforschungsministerium geförderte "Essen-Bochum Obesity Treatment Study" (EBOTS), die die Abnehm-Erfolge von schwer übergewichtigen Personen erfasst.

SZ: Wie viele Menschen schaffen es, dauerhaft abzunehmen?

Tanja Legenbauer: In unserer Studie haben nach einem einjährigen Abnehmprogramm zwei Drittel der Versuchsteilnehmer deutlich an Gewicht verloren: im Schnitt 21 Kilogramm. Doch nach drei Jahren hatten von ihnen nur noch 28 Prozent ein wesentlich geringeres Gewicht als vorher. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit anderen Studien, wonach es nur 20 bis 30 Prozent der Versuchspersonen schaffen, dauerhaft mindestens fünf Prozent ihres Körpergewichts abzunehmen.

Was entscheidet über den Erfolg einer Diät?

Erfolg beim Abnehmen haben die Menschen, die realistische Erwartungen hegen und ihr eigenes Verhalten gut kontrollieren können. Menschen mit geringer Selbstkontrolle haben es dagegen schwerer. Negativ wirkt sich auch aus, wenn jemand schon viele Diäten ausprobiert hat. Studien haben gezeigt, dass die Erfolgsaussichten umso schlechter sind, je mehr erfolglose Diäten der Betroffene hinter sich hat.

Woran liegt das?

Vermutlich sind zwei Gründe verantwortlich: Wer bereits mehrfach erfolglos war, dem fehlt das Vertrauen in sich selbst. Das senkt die Motivation. Zum anderen scheinen häufige Diäten die Regulation von Hunger und Sättigung zu stören und den Stoffwechsel ungünstig zu beeinflussen. Der berühmte Jo-Jo-Effekt greift dann besonders schnell. Sicher ist: Die Diäten à la "fünf Kilo in fünf Tagen verlieren" funktionieren nicht. Je schneller jemand abnimmt, desto schneller hat er das Gewicht wieder drauf.

Wie lange sollte man für das Abnehmen realistischerweise einplanen?

Klassische Abnehmprogramme mit sogenanntem multimodalem Ansatz berücksichtigen die drei Komponenten Ernährung, Bewegung und Verhaltensveränderung. Sie dauern ein Jahr. Danach beginnt die kritische Phase. In unserer Studie war das Ende des Abnehmprogramms der Zeitpunkt, an dem die meisten wieder begonnen haben, zuzunehmen. Nach drei bis fünf Jahren - so zeigen auch international vergleichbare Studien - hat die Mehrzahl der Abnehmer wieder ihr Ausgangsgewicht. Wer allerdings diesen Zeitraum ohne größere Gewichtszunahme überstanden hat, kann zuversichtlich sein. Dann sind ihm die neuen Essgewohnheiten in Fleisch und Blut übergegangen und die Chance, dass er das Gewicht für immer hält, ist groß.

Erfolgsfaktor Magen-OP?

Nun hören aber die meisten Abnehmprogramme nach spätestens einem Jahr auf ...

Das stimmt. Es wäre günstig, wenn die Programme über die eigentliche Abnehmphase hinausreichen würden. Studien in den USA haben gezeigt, dass solche langfristige Unterstützung hilft. In Deutschland sind wir leider noch nicht so weit. Wir müssen noch dahinkommen, Übergewicht als chronische Krankheit und das Abnehmen als Lebensaufgabe zu begreifen. Wer abgenommen hat, muss derzeit noch allein schauen, wie er längerfristig Unterstützung bekommt und sein Gewicht hält. Gruppen von Gleichgesinnten können hierbei eine Hilfe sein.

Sie haben auch die Wirksamkeit chirurgischer Maßnahmen zur Gewichtsreduktion untersucht. Der Erfolg war wesentlich größer als der von konventionellen Programmen. Aber sollten sich tatsächlich mehr Übergewichtige einer chirurgischen Maßnahme unterziehen?

Die Magenverkleinerung sollte immer nur die Ultima Ratio sein. Sie kann bei sehr schwer übergewichtigen Menschen ab einem Body-Mass-Index von 40 (hier finden Sie einen BMI-Rechner) mit ausgeprägten Folgeerkrankungen und Bewegungseinschränkungen erwogen werden. Denn wer sich nicht richtig bewegen kann, kann nur sehr schwer abnehmen.

Allerdings klappt das Abnehmen auch bei einigen Patienten trotz operativem Eingriff nicht. Wir wissen nicht genau, woran das liegt. Zudem fehlen Langzeiterfahrungen. Solche Operationen werden erst seit zehn bis zwanzig Jahren in größerem Umfang durchgeführt und wissenschaftlich überprüft. Wie sie sich über diesen Zeitraum hinaus auswirken, ist noch unbekannt.

Die meisten Ihrer Erkenntnisse stammen aus der Arbeit mit stark übergewichtigen Menschen. Gelten sie auch für Menschen mit leichteren Gewichtsproblemen?

Bei ihnen gilt genauso: Kurze Diäten aus der Frauenzeitschrift bringen nichts, sondern schmälern die Chancen, langfristig abzunehmen. Jeder der Gewicht verlieren will, muss nicht nur weniger essen und sich mehr bewegen, sondern auch dauerhaft seine Ernährungsgewohnheiten ändern. Ungünstige Verhaltensweisen wie gedankenloses oder an bestimmte Situationen gekoppeltes Essen oder Essen als Reaktion auf Stress und Enttäuschung müssen erkannt und verändert werden. Schulungen, Abnehmgruppen und gegebenenfalls psychotherapeutische Unterstützung können dabei helfen.

Kann man es auch ganz allein schaffen?

Aus der klinischen Erfahrung kenne ich einige Fälle, in denen Menschen auch längerfristig allein Gewicht verlieren konnten. Wissenschaftliche Untersuchungen dazu sind mir jedoch nicht bekannt.

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