Diabetes im Alter:Schlank, aber zuckerkrank

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Es stimmt zwar, dass die meisten Altersdiabetiker stark übergewichtig sind und sich zu wenig bewegen. Aber auch etliche Patienten mit Normalgewicht leiden unter der Krankheit. Und ihr Risiko, frühzeitig zu sterben, ist sogar höher.

Werner Bartens

Wer am sogenannten Altersdiabetes erkrankt, ist stark übergewichtig und bewegt sich nicht genug - so das Klischee. In 70 bis 80 Prozent der Fälle treffen diese Merkmale tatsächlich zu, doch etliche Diabetes-Neuerkrankungen treten auch bei Menschen auf, die normalgewichtig oder sogar schlank sind.

Wer zu der Gruppe der ranken Altersdiabetiker gehört, ist zwar in der Minderheit, doch sein Risiko, frühzeitig zu sterben, ist gegenüber den übergewichtigen Diabetikern erhöht. Dies berichten Stoffwechselexperten aus den USA im Fachblatt Journal of the American Medical Association von dieser Woche (Bd. 308, S. 581, 2012).

Das Team um Mercedes Carnethon von der Northwestern University in Chicago hatte Daten aus fünf Gruppen mit insgesamt 2625 Menschen ausgewertet, die neu an Diabetes erkrankt waren. Je nach Stichprobe waren zwischen neun und 21 Prozent der Diabetiker normalgewichtig. Im Untersuchungszeitraum starben 449 der Patienten. Allerdings war der Anteil der Todesfälle unter den Normalgewichtigen mehr als doppelt so hoch wie bei den Übergewichtigen.

"Das genetische Profil der Normalgewichtigen unterscheidet sich von dem der Übergewichtigen", vermuten die Autoren. "Wahrscheinlich gehen die genetischen Varianten, die sie anfällig für Diabetes machen, auch mit der Veranlagung für andere Krankheiten einher. Sie sind daher genetisch wohl besonders belastet."

Verschiedene Umstände tragen dazu bei, den auch als Typ II bezeichneten Altersdiabetes zu entwickeln. "Es ist ein stufenweiser Prozess: Neben der Veranlagung sind Bewegungsmangel und Übergewicht weitere wichtige Risikofaktoren", sagt Felix Beuschlein, Diabetesexperte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. "Aber es gibt eben auch Menschen, deren genetische Neigung so groß ist, dass sie gar nicht dick werden müssen, um Diabetes zu entwickeln."

Das Autorenteam aus den USA weist darauf hin, dass diese Gruppe Typ-II-Diabetiker bisher zu wenig beachtet wurde, da auch Ärzte primär den Zusammenhang zwischen Übergewicht und der Zuckerkrankheit im Kopf hätten.

Der Altersdiabetes entwickelt sich, wenn die Insulinsekretion der Bauchspeicheldrüse nachlässt und nicht mehr ausreicht, um den mit der Nahrung aufgenommenen und aufgespaltenen Zucker in die Zellen zu schleusen - oder wenn die Körperzellen, besonders in der Muskulatur, nur noch schwach auf das Hormon reagieren und zunehmend insulinresistent werden.

Im Anfangsstadium der Krankheit können Gewichtsabnahme und vermehrte Bewegung die Symptome lindern und den Verlauf der Erkrankung verlangsamen. Auch wenn die Körperstatur schlank sei, könne sich eine "übergewichtige Stoffwechsellage" entwickeln, die anfällig für das Leiden mache, warnen Diabetes-Experten.

© SZ vom 09.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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