Coronavirus in Deutschland:Die Regierung sollte sofort handeln

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Abgebrochener Aufbau: Der Cannstatter Wasen in Stuttgart ist abgesagt. (Foto: Lichtgut/imago images)

Unternehmen, Schulen, Großveranstaltungen: Alle Einrichtungen, in denen sich viele Menschen begegnen, müssen geschlossen werden. Sonst droht ein gesundheitlicher und volkswirtschaftlicher GAU.

Kommentar von Hanno Charisius

Wäre Deutschland ein Atomkraftwerk, dann würden gerade ein paar rote Lichter hektisch in der Kontrollzentrale blinken. Ein Störfall, die Kernschmelze droht. Die Betreiberfirma würde das Kraftwerk abschalten und jeder fände die Entscheidung richtig.

Deutschland ist kein Kraftwerk, aber der Störfall ist da: Sars-CoV-2 hat das Potenzial zu töten und den volkswirtschaftlichen GAU auszulösen. Deshalb wäre es richtig, jetzt abzuschalten. Lieber kontrolliert für ein paar Wochen in den Pausenmodus wechseln, als sich vom Virus weiter Richtung Kollaps treiben zu lassen.

Natürlich ist ein Staat komplexer als ein Kraftwerk und die Folgen einer Abschaltung, eines gesellschaftlichen Shutdowns, wären katastrophal. Unternehmen würden in den Konkurs getrieben, die Konjunktur würde vollends in den Keller fahren, die privaten Einschränkungen wären enorm. Die Wirtschaft zumindest ließe sich mit Geld vom Staat vielleicht stabilisieren. Aber was epidemiologisch passiert, wenn jetzt nicht gehandelt wird, offenbart ein Blick über die Alpen: Eine Katastrophe ganz anderen Ausmaßes.

Vor zehn Tagen war die Lage in Italien etwa so wie zurzeit in Deutschland, zahlreiche Fälle, aber das öffentliche Leben ging kaum eingeschränkt weiter. Inzwischen sind viele Krankenhäuser vollkommen überlastet. Ärzte müssen wohl bald entscheiden, wer noch Hilfe bekommt und wen sie sterben lassen. Sie können sich nicht mehr um alle kümmern.

Solche Notlagen zu verhindern, liegt in der Hand der Politik. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Mittwoch, es werde "das Notwendige" getan in Deutschland. Diese Aussage lässt sich zwar bald überprüfen. Denn wenn die Zahl der Neuinfizierten in einigen Tagen nicht gesunken ist, wissen wir: Es wurde offensichtlich nicht getan, was notwendig ist. Doch so lange sollten wir nicht warten.

Biologische Tatsachen verzögern derzeit die Entscheidungsfindung. Die heutige Zahl der Infizierten spiegelt lediglich wider, wie das Virus in der vergangenen Woche um sich gegriffen hat. Wie der Erreger derzeit wütet, ob die vereinzelten Schulschließungen, die angeordneten und selbst auferlegten Quarantänen, vermehrte Handhygiene und Absagen von Großveranstaltungen etwas bringen, wird man frühestens in einigen Tagen anhand der Zahl der Neuinfektionen beurteilen können. So lange dauert es im Mittel zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit. Hinzu kommen die Tage bis zur offiziellen Diagnose.

Zurzeit zumindest steht Deutschland nicht ganz schlecht da. Damit das so bleibt und die Zahl der täglich Neuinfizierten wieder deutlich kleiner wird, ist ein drastisches Vorgehen notwendig. Unternehmen, Schulen, Unis, alle Einrichtungen, in denen sich täglich viele Menschen begegnen, müssen geschlossen werden, spätestens sobald dort eine Infektion entdeckt wurde. Auch über den öffentlichen Nahverkehr muss endlich nachgedacht werden, immerhin die größte tägliche Massenveranstaltung, die noch nicht abgesagt wurde.

Ein wie leichtes Spiel das Virus hat, hängt nach wie vor nicht nur von politischen Entscheidungen ab. Jeder und jede kann selbst Verantwortung übernehmen, infektionsträchtige Orte meiden, auf Hygiene und Abstand zu anderen achten. Wer sich selbst vor dem Erreger schützt, kann ihn nicht weitergeben.

© SZ vom 13.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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