Brasilien:Krieg gegen das Zika-Virus

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Kurz vor dem Karneval geht Brasilien mit Soldaten, Pestiziden und weiteren Millionen gegen Mücken vor, die das Zika-Virus übertragen. Die WHO zögert mit Warnungen.

Von Berit Uhlmann

Die Prognose der Weltgesundheitsorganisation zur Ausbreitung des Zika-Virus klingt ziemlich düster. In 21 Ländern hat die WHO den Erreger bereits registriert und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Das Virus, das im Verdacht steht, schwere Fehlbildungen bei ungeborenen Babys hervorzurufen, werde sich weiter ausbreiten, erklärt das WHO-Regionalbüro für Nord- und Südamerika. Es werde sehr wahrscheinlich in allen Staaten Fuß fassen, in denen die Überträger-Mücken heimisch sind.

Bislang gibt es gegen den Erreger weder Medikamente noch einen Impfstoff

Bewahrheitet sich dieses Szenario, wären in Kürze fast ganz Süd- und Mittelamerika sowie Teile der USA dem Virus ausgesetzt, gegen das es bisher weder Medikamente noch einen Impfstoff gibt. Es könnte sein, dass noch weit mehr Kinder mit zu kleinen Köpfen und nicht ausgereiften Gehirnen geboren werden. Bislang sind fast 4000 Verdachtsfälle in Brasilien erfasst worden.

Die amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC, das Auswärtige Amt und die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin raten Schwangeren schon seit Längerem von Reisen in die Ausbruchsgebiete ab. Brasilien treffen diese Warnungen besonders, denn dem Land stehen mit dem Karneval im Februar und den Olympischen Sommerspielen im August touristische Großereignisse bevor.

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(Foto: Mario Tama/Getty Images)

Truppen gegen Mücken: 220 000 Soldaten sollen in die betroffenen Gebiete geschickt werden und die Verbreitung des Zika-Virus eindämmen.

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(Foto: Gustavo Amador/dpa)

Auf sie wird Jagd gemacht: Der Stich der Aedes aegypti, auch Tigermücke genannt, überträgt sowohl Denguefieber als auch Zika-Virus.

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(Foto: Rafael Fabres/dpa)

Das Zika-Virus steht im Verdacht, bei einer Infektion schwangerer Frauen Schädelfehlbildungen ihrer Babys auszulösen.

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(Foto: Mario Tama/Getty Images)

Larvenjagd: Die Einwohner sind aufgefordert, Wasserstellen in Gärten und Hinterhöfen trockenzulegen, um den Mücken die Brutplätze zu entziehen.

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(Foto: Christophe Simon/AFP)

550 Tonnen Anti-Moskito-Mittel und Pestizide sollen eingesetzt werden. Umgerechnet 420 Millionen Euro lässt die brasilianische Regierung den Kampf kosten.

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(Foto: Christophe Simon/AFP)

Die Zeit drängt: Schon in wenigen Wochen beginnt in Brasilien der Karneval, im August locken dann die Olympischen Sommerspiele Menschenmassen an.

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(Foto: Mario Tama/Getty Images)

Die Soldaten sollen von Haus zu Haus ziehen und die Bevölkerung für den Kampf gegen die Moskitos mobilisieren.

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(Foto: Oscar Rivera/dpa)

In fast ganz Süd- und Mittelamerika fürchten die Menschen die Verbreitung des Virus über die dort heimische Mücke, wie hier in El Salvador.

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(Foto: Mario Tama/Getty Images)

4000 Verdachtsfälle sind in Brasilien bislang erfasst worden. Gegen das Virus gibt es weder Medikamente noch einen Impfstoff.

Die brasilianische Regierung rüstet deshalb auf. Gesundheitsminister Marcelo Castro spricht vom "Krieg" gegen die Mücken. Er kündigte an, 220 000 Soldaten in die am heftigsten betroffenen Gebiete zu schicken. Im Februar sollen sie dort von Haus zu Haus ziehen und die Bevölkerung für den Kampf gegen die Moskitos mobilisieren. Die Einwohner sind schon länger aufgefordert, Wasserstellen in ihren Gärten und Hinterhöfen trockenzulegen, um den Mücken die Brutplätze zu entziehen.

Mehr als 50 000 Hotels, Bars und Restaurants des Landes erhalten derzeit Anweisungen, wie sie die Gefahr von Mückenstichen für ihre Gäste reduzieren können. Zugleich sollen mehr als 550 Tonnen Anti-Moskito-Mittel und Pestizide eingesetzt werden. Umgerechnet 420 Millionen Euro lässt die Regierung sich den Kampf kosten. Er zielt zugleich darauf ab, das Denguefieber einzudämmen. Die Krankheit wird ebenfalls durch die Aedes-Mücken übertragen; anderes als bei Zika können die akuten Infektionen jedoch sehr schwer verlaufen. 1,65 Millionen Dengue-Fälle wurde 2015 registriert, 863 Menschen starben.

Während Brasilien den Eindruck von großem Aktionismus verbreitet, hält sich die WHO zurück. Sie rät Schwangeren lediglich, vor Reisen in die Zika-Gebiete ihren Arzt zu konsultieren. WHO-Sprecher Christian Lindmeier verweist darauf, dass der Zusammenhang zwischen dem Zika-Virus und der Mikrozephalie genannten Fehlbildung noch nicht eindeutig nachgewiesen ist.

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Von Berit Uhlmann

Tatsächlich kann die neurologische Störung auch durch andere Faktoren ausgelöst werden. Alkohol- und Drogenkonsum während der Schwangerschaft gehören dazu. Auch weitere Krankheitserreger wie das Röteln- oder das Cytomegalo-Virus sowie der Toxoplasmose-Parasit, der von Katzen übertragen wird, können zu den Fehlbildungen führen. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Ursache der Mikrozephalie genau aufzuklären", sagt WHO-Sprecher Lindmeier.

Von der höchsten Alarmstufe, dem internationalen Gesundheitsnotfall, ist die WHO bei Zika noch sehr weit entfernt. Dieser Fall wird ausgerufen, wenn eine Infektionskrankheit sich zur Pandemie auszuweiten droht. Dreimal in ihrer Geschichte hat die WHO diese Gefahr gesehen: bei der Schweinegrippe, bei der Kinderlähmung und bei Ebola. Bei Zika sei die Situation nun anders. "Mirkozephaliefälle wurden bisher nur in einem einzigen Land dokumentiert", sagt der Behördensprecher.

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Kaum dass Ebola abgeebbt ist, befindet sich die WHO damit erneut in einer schwierigen Lage. Nach dem Ausbruch in Westafrika musste sie sich heftig dafür kritisieren lassen, zu spät reagiert zu haben. Mit einer vorschnellen Warnung riskiert sie hingegen, Panik und ökonomische Einbußen in den Ausbruchsgebieten auszulösen.

Als Ebola zur weltweiten Gesundheitskrise erklärt wurde, schränkten auf einen Schlag 40 Länder und viele Privatunternehmen Reisen und Handel mit den betroffen Staaten ein. Dieser Rückzug erschwerte die Hilfe für die Länder. Mehr noch: Solche Entwicklungen könnten eine abschreckende Wirkungen auf andere Staaten haben und sie dazu verleiten, Ausbrüche nicht mehr rechtzeitig zu melden. Dies kann man Brasilien, nach allem was bislang bekannt ist, allerdings nicht vorwerfen.

© SZ vom 27.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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