Aids:Schnellschuss Schnelltest

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Die Scham, beim Arzt um einen Test zu bitten, heißt es, sei groß. Der HIV-Schnelltest soll diese Hürde nehmen. (Foto: dpa)

Hilft die Heimdiagnose von HIV im Kampf gegen die Seuche? Gesundheitsminister Jens Spahn sieht das so. Und macht es sich damit leider viel zu einfach.

Kommentar von Kathrin Zinkant

Als die Leidenschaft verflogen war, keimte der Zweifel. Der Mann, mit dem sie Sex gehabt hatte, hatte schon viel erlebt. Die Unsicherheit ließ sie nicht los. Aber zum Arzt gehen mit dieser Story? Zum Glück konnte sie den Test zu Hause machen, schnell und heimlich. Als sie wusste, dass sie infiziert war, ging sie doch zum Arzt, bekam Medikamente. Mit dem nächsten Partner benutzte sie Kondome. Alles richtig gemacht!

Und ja, klar, so könnte die Geschichte lauten, falls Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Schnelltest auf den Aidserreger HIV bis Herbst für jedermann in Deutschland zugänglich macht. Als "Meilenstein" im Kampf gegen die Seuche. Eine Gesetzesvorlage gibt es schon, Vorgänger Hermann Gröhe hatte die Sache vorangetrieben. Schließlich drängt die Deutsche Aidshilfe seit Jahren auf die Zulassung der Heimdiagnose, die in Frankreich und Großbritannien erlaubt ist.

Gesundheitspolitik
:Spahn will HIV-Selbsttests frei zugänglich machen

Etwa 13 000 Menschen in Deutschland sind mit dem Aids-Erreger infiziert, ohne es zu wissen. Der Gesundheitsminister will mit dem Test nun "jene erreichen, die sich sonst nicht testen lassen würden".

Doch die Geschichte der Menschen, um die es da geht, sie könnte auch ganz anders enden als bei der Frau, die alles richtig macht. Denn es mag zwar plausibel sein, Hürden abzubauen: Die Scham, beim Arzt um einen Test zu bitten, heißt es, sei groß. Zugleich gibt es geschätzte 13 000 Deutsche, die nichts von ihrer Infektion wissen. Ein Test könnte diesen und vielen Verunsicherten Gewissheit verschaffen, ohne seelische Entblößung. Er könnte diese Menschen einer lebensrettenden medizinischen Versorgung zuführen - und er könnte, sehr wichtig, weitere Ansteckungen verhindern.

Wer unwissentlich mit HIV lebt, hat keinen Verdacht - und macht auch daheim keinen Test

Wie gesagt: er könnte. Ob er das wirklich tut, hängt jedoch von vielen Unbekannten ab. Da ist zunächst der Verdacht. Wer unwissentlich mit HIV lebt, hat keinen. Er oder sie wird den Test weder beim Arzt machen, noch zu Hause. Dazu kommen jene, die zwar einen Verdacht haben, ihn aber verdrängen. Oder den Test falsch, gar zu früh anwenden und fortan ebenfalls unwissentlich mit HIV leben. Womöglich, ohne Safer Sex zu praktizieren.

Und schließlich sind da die Menschen, die tatsächlich große Angst und Scham empfinden, die sich vielleicht wirklich nur zum Test daheim durchringen. Und dann? Sitzen sie da, mit dem erschütternden Resultat: HIV-positiv. Ohne ärztliche Betreuung, die ihnen all die anderen Ängste nehmen könnte. Angst davor, dem Partner das Ergebnis mitzuteilen, verlassen zu werden. Angst davor, an Aids zu erkranken. Angst vor dem Stigma, das HIV zu oft noch anhaftet.

So überzeugt Spahn von der Meilensteinhaftigkeit des HIV-Heimtests daher sein mag: Helfen wird er nur denen, die informiert sind, die das Risiko kennen, die andere schützen möchten. Jene, die den Test auch beim Arzt machen würden. Die Zahl dieser Menschen zu erhöhen, Offenheit zu fördern, wäre wichtiger als ein Schnellschuss mit dem Schnelltest.

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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