US-Präsident in Not:Der Sizilianer in Obama

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Wenn der US-Präsident die Bankenbranche zähmen will, muss er dem Volk aufs Maul schauen. Vielleicht sollte er dabei an einen italienischen Schustersohn denken.

Hans von der Hagen

Es ist die Zeit der hässlichen Zahlen: Die Umfragewerte von Präsident Barack Obama in den USA brechen ein, die Kasse des Landes ist so leer wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr und die Arbeitslosenquote liegt bei zehn Prozent.

Ferdinand Pecora führte mit seinem Untersuchungsausschuss zum Bankenkrach in den dreißiger Jahren den US-Bürgern zum ersten Mal deutlich vor Augen, wie die Geschäfte an der Wall Street funktionierten. (Foto: Collage: SZ)

Wenn zugleich die US-Banken ankündigen, dass demnächst wieder ordentlich gefeiert wird und Boni in atemberaubender Höhe ausgezahlt werden, stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie kann das sein? Wie kann Obama eine solche Asymmetrie im Land dulden?

Der Präsident kämpft an vielen Orten: Da ist die Gesundheitsreform, die er als Wahlversprechen durchpeitschen muss; das Thema innere Sicherheit, das nach dem gescheiterten Terroranschlag von Detroit zwangsläufig in den Vordergrund gerückt ist. Und eben die Wirtschaftskrise. Es ist schwer, in einem solchen Durcheinander Format zu gewinnen

Darum stürzt sich Obama wieder einmal auf die Banken. Da ist Gut und Böse scheinbar scharf konturiert - da lässt sich das Profil am ehesten schärfen.

Ist das populistisch? Ja! Ist das schlimm? Nein! Obama darf bei der Aufarbeitung der Finanzkrise dem Volk ruhig mal aufs Maul schauen. Denn das stellt ebenso einfache wie korrekte Fragen.

Warum durften die Banken an ihre Kunden wider besseren Wissens Schrottpapiere als Topanlagen verkaufen? Warum werden die Finanzinstitute jetzt hofiert, damit sie denen Geld geben, die sie selbst erst mit in den Abgrund gerissen haben? Warum gibt es keinerlei Bereitschaft in den Geldhäusern, für den immensen Schaden geradezustehen?

Das Volk möchte Katharsis und der Präsident seinen Ruf aufbessern sowie Stärke beweisen - diesmal geht es gut zusammen.

Obama plant zur Begleichung der Schäden aus der Finanzkrise - und zur Aufbesserung der klammen Kasse - bei den Banken eine Zwangssteuer einzufordern.

Es ist kein Zufall, dass er das Vorhaben jetzt ankündigt. Denn am Mittwoch starten die Anhörungen des Untersuchungsausschusses der Finanzkrise vor dem Kongress. Die Chefs wichtiger Banken wie Goldman Sachs und JP Morgan Chase müssen dort viele Fragen beantworten.

Ein Ausschuss? Bringt das was? Auch nach der letzten großen Wirtschaftskrise in den dreißiger Jahren wurde ein solches Gremium einberufen und es hat viel bewirkt. Nicht nur in der Gesetzgebung. Vielmehr bot der Ausschuss die vielleicht beste Möglichkeit, das Unbegreifliche aufzuarbeiten und den Zorn der Bürger zu besänftigen.

Wesentlichen Anteil daran hatte damals der Chef des Gremiums, Ferdinand Pecora, Sohn eines sizilianischen Schusters. Er holte 1933 die einflussreichen Wall-Street-Banker "ins Dock", wie er es nannte, und nahm sie nach allen Regeln der Kunst auseinander.

Selbst kurz vor seinem Tod im Jahr 1971 soll Pecora noch einer Krankenschwester erzählt haben, wie er den JP-Morgan-Chef dazu brachte, auszupacken. Das Interesse an der Arbeit des Ausschusses wuchs durch Pecoras Herangehensweise ernorm. Genau so einen Haudegen hatte man damals benötigt. Heute würde man ihn ebenso brauchen.

Für Obama geht es um die Zukunft und der Ausschuss des Kongresses wird dabei eine wesentliche Rolle spielen. Wenn es dem amerikanischen Präsidenten jetzt nicht gelingt, die Arbeit des Gremiums für sich zu nutzen und die Wall Street zu zähmen, verspielt er seine größte Chance. Ein bisschen Volksnähe schadet da nicht. Der Sizilianer wusste das.

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