Untersuchungsausschuss Finanzkrise:Banker auf der Zeugenbank

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Von diesem Mittwoch an will ein Ausschuss in Washington die Hintergründe der Finanzkrise klären - wie schon bei den Terroranschlägen vom 11. September.

Nikolaus Piper

Bis jetzt mussten sich die Regierungen der Welt fast ausschließlich damit beschäftigen, die Finanzkrise einzudämmen und deren Folgen zu bewältigen. Von diesem Mittwoch an geht es, wenigstens in Washington, auch darum, deren Geschichte aufzuarbeiten und, wenn möglich, Schuldige zu benennen.

Bis jetzt ging es vor allem darum, die Folgen der Finanzkrise einzudämmen. Nun beginnt die Aufarbeitung der Krise. (Foto: Grafik: SZ)

In einem Sitzungssaal des Kongresses tritt erstmals die zehnköpfige "Financial Crisis Inquiry Commission" zusammen, die Präsident Barack Obama im Frühjahr zu diesem Zweck eingesetzt hat. Ihren Abschlussbericht muss die FCIC bis zum 15.Dezember dieses Jahres abliefern.

Am ersten Tag wird die Wahrheitskommission vermutlich die mächtigen Chefs der Wall Street vernehmen: Jamie Dimon von JP Morgan Chase, Brian Moynihan, der neue CEO von Bank of America, John Mack von Morgan Stanley und Lloyd Blankfein von Goldman Sachs.

Am Donnerstag sind Vertreter von Regierung und Behörden dran: Justizminister Eric Holder, die Chefin der Börsenaufsicht SEC, Mary Schapiro und die Vorsitzende der staatlichen Einlagensicherung FDIC, Sheila Bair. Im Laufe der kommenden Monate sollen auch Finanzminister Timothy Geithner und Notenbankchef Ben Bernanke unter Eid aussagen.

Die Bedeutung der Kommission sollte nicht unterschätzt werden - das zeigen schon deren Vorbilder. Die "9/11-Kommission", die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingesetzt worden war, kam zu einer vernichtenden Kritik der Arbeit von CIA und FBI und löste weitreichende Veränderungen aus. Noch wichtiger war die " Pecora-Kommission", die die Ursachen der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre aufarbeiten sollte.

Die Kommission wurde im März 1932 vom Kongress eingesetzt. Benannt wurde sie nach ihrem Vorsitzenden, dem New Yorker Staatsanwalt Ferdinand Pecora. Der Abschlussbericht der Kommission 1934 gab den Anstoß zur Gründung der Börsenaufsicht SEC. Zuvor hatten schon die aggressiven Recherchen Pecoras das Klima an der Wall Street grundlegend verändert.

"Vergiftetes Klima"

Aufgabe der Kommission des Jahres 2010 ist es, nicht nur die Ursachen der Krise und des Zusammenbruchs von Lehman Brothers und der Versicherung AIG zu erforschen. Die Mitglieder sollen auch Gesetzesbrecher ermitteln und dem Justizministerium nennen. Vorschläge für Gesetzesänderungen gehören nicht ausdrücklich zum Auftrag, es gilt aber als unwahrscheinlich, dass die Mitglieder darauf verzichten werden.

Der Kongress gab den Kommissaren eine Liste von 22 Punkten mit auf den Weg, die sie auf einen möglichen Beitrag zum Ausbruch der Krise untersuchen sollen. Die Liste beginnt mit "Betrug und Missbrauch im Finanzsektor, einschließlich des Betrugs und Missbrauchs im Hypothekensektor" und endet mit der "Qualität der Buchprüfung, die Finanzinstitute unternommen haben".

Dazwischen findet sich fast alles, was in Experten-Diskussionen über die Ursachen der Finanzkrise eine Rolle spielt: Bankenregulierung in den USA, die globalen Ungleichgewichte, die Geldpolitik der Notenbank Fed, Steuern, Eigenkapitalquoten, die Rolle der Ratingagenturen, die Bezahlung der Bankmanager, Leerverkäufe und die Auslagerung von Risiken aus den Bankbilanzen.

Eine spannende Frage wird sein, ob die Kommission im vergifteten Klima von Washington produktiv arbeiten kann. Die Bestellung der zehn Mitglieder war eine politische Angelegenheit: Fünf Kommissare wurden vom Senat berufen, fünf vom Repräsentantenhaus, wobei jeweils drei der Mehrheitsfraktion der Demokraten zustanden, zwei den Republikanern. Vorsitzender ist Phil Angelides, ein früherer Finanzminister von Kalifornien, der sich 2006 um das Amt des Gouverneurs beworben und gegen Arnold Schwarzenegger verloren hatte. Sein Stellvertreter ist Bill Thomas, ein ehemaliger republikanischer Kongressabgeordneter, ebenfalls aus Kalifornien. Thomas arbeitete eng mit Präsident George Bush bei dessen Steuersenkungen zusammen.

Hoffen auf Brooksley Born

Für den Erfolg der Kommission wichtiger sind eher die weniger politisch exponierten Experten. Am interessantesten ist dabei Brooksley Born. Die Anwältin kann für sich in Anspruch nehmen, als eine der ersten vor den Dingen gewarnt zu haben, die letztlich in die Krise geführt haben, und zwar schon vor fast zwölf Jahren. Als Chefin der Rohstoffhandels-Kommission CFTC veröffentlichte sie im März 1998 ein Papier namens "Concept Release". Darin forderte sie eine schärfere Aufsicht über riskante Finanzderivate. Aber Ende die späten 90er Jahre waren nicht die Zeit für so etwas. Born holte sich gleich mehrere Abfuhren - vom damaligen Finanzminister Robert Rubin, von SEC-Chef Arthur Levitt und vom damaligen Notenbankchef Alan Greenspan. Concept Release verschwand in den Schubladen; Born trat zurück und zog sich resigniert in ihre Kanzlei zurück. Jetzt wurde sie von den Demokraten für die Kommission benannt.

Ein anderer wichtiger Experte ist Doug Holtz-Eakin. Der Ökonom war wirtschaftspolitischer Berater von John McCain im Wahlkampf gegen Barack Obama. Zuvor war er Direktor des überparteilichen Haushaltsbüros des Kongresses und erwarb sich dabei Ansehen über die Republikanische Partei hinaus.

© SZ vom 13.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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