Umstrittene Milliarden für Athen:Erst zögern, jetzt hetzen

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Souveränität sieht anders aus: Wochenlang blockierte die Bundesregierung die Griechenland-Hilfen, nur um sie jetzt schnell durchs Parlament zu peitschen - denn die Zeit drängt.

Alles muss nun ganz schnell gehen: Nachdem die Bundesregierung wochenlang zögerte, eine Hilfszusage für Griechenland abzugeben, hat das Bundeskabinett in einer Sondersitzung den Gesetzentwurf für den deutschen Anteil am Rettungspaket für das klamme Balkanland gebilligt.

Sondersitzung des Kabinetts: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (von hinten im Vordergrund) sitzt seinen Kabinettskollegen gegenüber. Die Regierung beschloss die Zusage zum deutschen Anteil des Hilfspaketes für Griechenland. (Foto: Foto: dpa)

Deutschland erklärt sich bereit, über die staatseigene KfW-Bank für die nächsten drei Jahre Kredite in Höhe von bis zu 22,4 Milliarden Euro bereitzustellen.

Auch das weitere Verfahren zum Erlass des "Gesetzes zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion" soll im Schnelldurchgang unter Dach und Fach gebracht werden. Die erste Lesung im Bundestag ist für Mittwoch angesetzt, dann geht der Gesetzentwurf zu weiteren Beratungen in die zuständigen Ausschüsse. Die Schlussabstimmung im Bundestag sowie das Votum des Bundesrats sollen am Freitag erfolgen. Am gleichen Tag soll Bundespräsident Horst Köhler das Gesetz unterzeichnen.

Merkel: "Von enormer politischer und wirtschaftlicher Tragweite"

Im Anschluss an die Kabinettsitzung informierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zunächst die Partei- und Fraktionschefs. Im Anschluss trat sie auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) auf. Dabei verteidigte sie die Milliardenhilfen.

Die Regierung habe auf die Notsituation in dem Euro-Land entschlossen reagieren müssen. Die Rettungsaktion sei von enormer politischer und wirtschaftlicher Tragweite, sagte die Kanzlerin. Es werde nicht nur Griechenland geholfen, sondern die Stabilität des Euro als Ganzes gesichert. Davon profitierten auch die Deutschen.

"Eine stabile europäische Währung ist ein außerordentlich hohes Gut." Merkel forderte weitere Schritte: "Es müssen Lehren aus der Situation gezogen werden." Spekulanten müsse das Handwerk gelegt und eine europäische Rating-Agentur aufgebaut werden.

Merkel für Bankenabgabe

Auch müsse der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt so umgestaltet werden, dass er nicht mehr unterlaufen werden könne. Merkel forderte auch eine einheitliche Bankenabgabe in Europa zur Finanzierung künftiger Krisen.

FDP-Chef Guido Westerwelle bezeichnete die Milliarden-Hilfe für Griechenland als Brandlöscher. "Wir bekämpfen ein Feuer, das in Griechenland entstanden ist, damit es nicht übergreift auf Europa und unsere Währung", sagte der Vizekanzler bei seinem Auftritt mit Merkel.

Zugleich werde die "Brandursache" für solche Finanzkrisen bekämpft. Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten würden für den Fall verschärft, dass ein EU-Land über lange Zeit nicht solide wirtschafte. Westerwelle sagte: "Es geht darum, dass Schaden von unserem Land und Europa abgewendet und unsere Währung geschützt wird."

Beteiligung der Banken offen

Ob die Rechtfertigungen bei den Bundesbürgern verfangen, dürfte allerdings fraglich sein. Denn das Gesetz mag zur Beruhigung der Finanzmärkte beitragen, doch in den Augen der Bundesbürger dürfte die Regierung in Erklärungsnot bleiben: Bei der Gesamtsumme von 22,4 Milliarden Euro bürgt jeder Bundesbürger mit circa 275 Euro für Griechenland. Die beispiellose Zusage im Rahmen des internationalen Rettungspakets von bis zu 110 Milliarden Euro ist unpopulär. Auch eine Beteiligung der Banken ist nach wie vor offen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mühte sich am Sonntagabend nach dem Krisentreffen der Euro-Länder in Brüssel um eine Erklärung, warum die Hilfen für Athen nun nahezu dreimal so hoch ausfallen wie bisher bekannt.

"Wie viel es ist, können wir heute sagen, aber keinen Tag vorher", sagte der Minister unter Verweis auf die erst am Vorabend abgeschlossenen Verhandlungen zwischen Griechenland, der Europäischen Zentralbank (EZB), dem Internationalem Währungsfonds (IWF) und der EU-Kommission.

Dabei lehnte die Mehrheit der Deutschen nach Umfragen schon die bisherige Zusage von 8,4 Milliarden Euro für das laufende Jahr ab.

Schäuble setzte sich deshalb in Brüssel für die populäre Forderung ein, die Banken an dem Hilfspaket zu beteiligen. Die Finanzminister der Euro-Länder sagten zu, mit ihren nationalen Finanzinstituten zu reden. Allerdings soll deren Beitrag freiwillig bleiben.

Linke will Zustimmung verweigern

SPD und Grüne pochen dagegen auf eine Zahlungspflicht, etwa über eine internationale Bankenabgabe. Dass die beiden Oppositionsparteien bei der Schlussabstimmung am Freitag in Bundestag und Bundesrat ihre Zustimmung verweigern, dürfte dennoch nicht zu erwarten sein. Nur die Linke kündigte bereits an, nicht zustimmen zu wollen.

Von den europäischen Partnern kommt zugleich Kritik, Berlin habe bei den Hilfen zu sehr auf die öffentliche Meinung geschielt und zu lange auf der Bremse gestanden. "Ich habe beinahe die Geduld verloren", bekannte der Vorsitzende der Eurogruppe, der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker.

Auch das EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi kritisierte die fast dreimonatige Verzögerung zwischen der ersten Solidaritätserklärung der Euro-Länder für Griechenland am 11. Februar und dem Hilfsbeschluss am Wochenende. Bini Smaghi sprach von einem "Mangel an politischer Führung" und rügte "nationalistische Ausbrüche", ohne Deutschland ausdrücklich zu nennen.

Schlechtes Timing für Merkel

Das tat dagegen sein Landsmann, Italiens Außenminister Franco Frattini. Er kritisierte in Rom, die deutsche "Bedächtigkeit" koste die Euro-Länder und den IWF nun 110 Milliarden Euro statt der zunächst geplanten 50 Milliarden.

Bundeskanzlerin Merkel muss nun bereits am Freitagabend beim Sondergipfel in Brüssel Farbe bekennen, warum sie mehr als 22 Milliarden Euro für Athen freigeben will und ob sie sich davon wirklich ein Ende der Misere erhofft.

Zwei Tage vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen dürfte das der Kanzlerin denkbar ungelegen kommen. Dem Vernehmen nach hatte die Regierung auf einen Gipfel erst am 10. Mai gedrungen.

Schäuble erntet Erstaunen

Dies habe aber nichts mit der NRW-Wahl zu tun, sondern mit den "vielen Terminen" am Wochenende, sagte Schäuble in Brüssel. Zum Erstaunen der Journalisten verwies der Finanzminister dabei auf den 65. Jahrestag der deutschen Kapitulation am 8. Mai und das Gedenken in Russland am 9. Mai.

Die Euro-Finanzminister hatten dem hoch verschuldeten Griechenland am Sonntagabend Notkredite für die kommenden drei Jahre über bis zu 110 Milliarden Euro gewährt. Das Hilfspaket umfasst bis zu 80 Milliarden Euro von den Euro-Staaten und weitere 30 Milliarden Euro vom IWF.

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