Steuerhinterziehung:So viel Ärger für so wenig Zinsen

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Steuerflüchtlinge wie Modemann Eickhoff leben gefährlich. Sie wissen, dass ihre Taten verboten sind, sie haben Angst, erwischt zu werden. Und in den meisten Fällen lohnt sich das nervige Hinterziehen nicht einmal. Warum also machen sie keine Selbstanzeige beim Finanzamt? Versuch einer Erklärung.

Hans Leyendecker

Das Geld hinter den Bergen, in der Schweiz oder in Liechtenstein, war der Notgroschen für den Fall, dass der Laden in die Luft flog. (Foto: dpa)

Bevor Bochumer Staatsanwälte am Montag aufbrachen, um eine neue Razzia gegen mutmaßliche Steuerhinterzieher zu starten, besprachen sie mit Steuerfahndern ein paar Eventualitäten. Was man tun müsse, wenn Medien vor Ort seien, wurde beispielsweise diskutiert. Am besten sei es, so die Antwort, dann mit der Durchsuchung zu warten und nach Stunden wiederzukommen, um zu schauen, ob die Luft rein sei. Vor Jahren war die Durchsuchungsaktion bei dem damaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel durchgestochen und dann live im Fernsehen gezeigt worden, und dieser Umstand ist Fahndern bis heute unangenehm.

Wer denn auf der Liste überhaupt für die Medien interessant sein könne, wollte ein Ermittler wissen. Einer nannte den Namen des Millionärs Albert Eickhoff. Als die Fahnder dann am Montagmorgen das Haus des 76 Jahre alten Düsseldorfer Modeunternehmers verließen, warteten draußen Fotografen. Eickhoff, der vor 35 Jahren bei der Schweizer Großbank UBS eine heimliche Stiftung eingerichtet hatte, blieb gelassen und gab erst Bild-Reportern und dann Regionalreportern Interviews. Im Mai sagte er, habe er die Bank gebeten, das Konto zu legalisieren. Er habe dann die Zinserträge beim Finanzamt angeben wollen. Ein bisschen spät. Eine Selbstanzeige habe er versäumt. Sorry.

Eine erste Bilanz der Durchsuchungen durch die Fahnder fiel am Dienstag positiv aus. Dutzende Wohnungen und Büros in Sachen UBS waren durchsucht worden, nirgendwo hatte es Ärger gegeben. Einige der mutmaßlichen Steuerhinterzieher hätten erklärt, sie hätten mit dem Besuch der Fahnder gerechnet, sagt ein Ermittler. Ein älteres Paar soll gesagt haben: "Wir haben Sie schon erwartet. Gut, dass das mit dem Schweizer Konto jetzt aufhört".

Nichts seltsamer als der gewöhnliche Steuerhinterzieher

Nichts seltsamer als der gewöhnliche Steuerhinterzieher. Was hat er nicht alles überstanden und vor allem: unbedingt überstehen wollen? In den neunziger Jahren gab es die großen Razzien in den Banken und damals flog zunächst die Steuerflucht nach Luxemburg auf. Dann haben die Steuerflüchtlinge die nur kurz - von 2003 bis 2005 - geltende Steueramnestie des damaligen Finanzministers Hans Eichel verstreichen lassen. Respekt einflößende Gründer und Macher wie der Künzelsauer Schraubenfabrikant Reinhold Würth wurden wegen Steuerhinterziehung verurteilt, aber sie blieben Ehrenmänner.

Dann kam die erste CD mit den Daten von Konten der Vaduzer Fürstenbank LGT Treuhand - und der Hinweis auf deren Kunden Klaus Zumwinkel. Es kamen immer mehr CDs und die brachen den Damm: Inzwischen ist die Steuerfeste Liechtenstein geknackt, die Schweiz wankt, Tausende Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet, etwa 40.000 Selbstanzeigen gingen bei deutschen Finanzämtern ein. Und in Nordrhein-Westfalen, dem Land der silbernen Scheiben, sind nicht nur Kunden von der UBS dran, auch Ermittlungen gegen Kunden von Julius Bär, Merrill Lynch und der Scoutts Bank wurden eingeleitet. Wie kann jemand noch glauben oder hoffen, dass morgens bei ihm nicht der Steuerfahnder klingelt?

Es gibt noch keine groß angelegte wissenschaftliche Studie über den Steuerhinterzieher an sich, der sein Geld im Ausland versteckt. Aber aus Gesprächen mit Fahndern, Steuerberatern, Anwälten und Soziologen, lässt sich eine Art Typologie der Hinterziehung in Umrissen erstellen.

Modemann Albert Eickhoff hatte ein stilles Konto mit einer knappen Million Euro bei der UBS. Jetzt ist ihm das alles ein bisschen peinlich. (Foto: Horst Ossinger/dpa)

Ganz früher war es die Angst vor den Russen, die viele dazu brachte, ihr Geld in die Schweiz oder nach Liechtenstein zu bringen. Das Geld hinter den Bergen war der Notgroschen für den Fall, dass der Laden in die Luft flog, die Ehe schief ging und die Kinder unersättlich waren, aber es war natürlich auch die Gier. Wer versteuertes Geld in die Schweiz schaffte und auch noch Vermögensteuer zahlen musste, hatte lange Zeit, sagt ein Fahnder, kein wirkliches Unrechtsbewusstsein.

Wenn es hart auf hart kommt, haftet man mit dem Privatvermögen, und für solche Fälle wollte man irgendwo noch Geld haben. Man konnte solchen Leuten Bewusstsein für Vorsorge bescheinigen, aber auch für ganz viel Abgebrühtheit. Manchmal ist für den feinen Grat dazwischen die Zeit wichtig, in der sich die Aktionen abspielten.

Vier Tätertypen von Wirtschaftskriminellen

Der Wirtschaftsethiker Josef Wieland hat mal vier Tätertypen von Wirtschaftskriminellen beschrieben und die Beschreibung hilft auch bei Steuerkriminellen: Da seien die Zyniker, die wüssten, dass das, was sie tun, falsch ist, aber es dennoch durchziehen. Der zweite Typus sage, das stehe ihm zu. Er arbeite hart, er opfere viel Zeit. Der dritte Typus glaube, dass er über dem Recht stehe, und der vierte Typus sei der eigentlich interessante, der Spieler: Er wisse, dass er früher oder später erwischt werde, aber er brauche das Risiko.

Trotz der neumodischen CDs gibt es keine genauen Statistiken über die Hinterzieher, aber viele von ihnen werden vermutlich älter als sechzig Jahre sein. Anwälte berichten, es komme mittlerweile häufig vor, dass die jüngere Generation die Älteren zur Selbstanzeige überrede. Viele Erben wollten ehrlich erben.

Wer es einfach so weitertreibt, macht sich nicht nur wegen der hinterzogenen Zinssteuern strafbar, sondern auch wegen einer falschen Erbschaftsteuererklärung. Für viele der Jüngeren ist Steuerhinterziehung auch kein Kavaliersdelikt mehr. Als der 85 Jahre alte Schriftsteller Martin Walser in der Zeitschrift Capital Zumwinkel die Absolution erteilte: ("Der Staat sollte sich mal überlegen, warum so etwas passiert. Es gibt ja wenige Steuerflüchtlinge vom Ausland in die Bundesrepublik, oder?") bekam er nur ein bisschen Beifall - von einigen Alten.

Die sich in diesen Tagen aufdrängende Frage, warum im CD-Zeitalter immer noch Steuerhinterzieher auf Selbstanzeigen verzichten, beantwortet ein Anwalt so: Einige von ihnen hätten auf das Steuerabkommen mit der Schweiz gesetzt. Es gebe die Furcht, dass die Selbstanzeige unzureichend sei und dann ein Prozess drohe, eventuell mit einer Haftstrafe.

Hat sich das nervige Hinterziehen wenigstens gelohnt? In der Regel nicht. Besonders in den vergangenen zehn Jahren waren viele Auslandsdepots tief in den Miesen. Der Kunde konnte nicht protestieren.

Modemann Eickhoff, der ein stilles Konto mit einer knappen Million Euro bei der UBS hatte, ist das alles jetzt ein bisschen peinlich: "Es tut mir leid." So viel Ärger für so wenig Zinsen.

© SZ vom 14.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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