Schäuble: Haushaltsentwurf:Zehn verpulverte Milliarden

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Ohne mit der Wimper zu zucken, winkt Haushaltsminister Schäuble die schwarz-gelben Wählerbeglückungsvorhaben durch. Was fehlt sind eigene Akzente.

Claus Hulverscheidt

Es gehört zum Ritual der alljährlichen Haushaltsverhandlungen, dass es mittendrin einmal richtig kracht. Da verlangt ein Fachminister mit viel Tamtam mehr Geld, weil er in den vergangenen Jahren angeblich immer zurückgesteckt hat, irgendeine UN-Quote erfüllen muss oder sich schlicht an der Reihe sieht. Der Finanzminister keilt unter ebenso großem medialen Begleitgetöse zurück; die Kanzlerin ruft zur Ordnung, man trifft sich, feilscht - und einigt sich in der Mitte.

Chefhaushälter Wolfgang Schäuble: Im Haushaltsentwurf fehlt die Handschrift des Ministers. (Foto: Foto: ddp)

Dieses Mal jedoch herrschte Ruhe, gespenstische Ruhe beinahe, die bis zur Verabschiedung des ersten schwarz-gelben Etatentwurfs im Kabinett anhielt. Die Erfahrung lehrt, dass eine solche Grabesstille nur zwei Ursachen haben kann: Entweder sind alle Beteiligten urplötzlich zu verantwortlichen Haushältern mutiert, was gerade bei einem Regierungswechsel verwundert hätte, oder aber die Ressorts trafen im Finanzministerium auf keinerlei Widerstand. Letzteres war der Fall.

Es ist oft geschrieben worden, dass Wolfgang Schäubles Berufung zum Chefhaushälter des Landes ein Glücksfall sei, weil ein Veteran wie er auf nichts und niemanden mehr Rücksicht nehmen müsse. Auch Schäuble selber kokettiert mit diesem Image. Umso größer ist jetzt die Enttäuschung, dass nirgendwo in diesem Etatentwurf die Handschrift des Ministers erkennbar ist. Im Gegenteil: Schäuble setzt die Wählerbeglückungsvorhaben der schwarz-gelben Parteispitzen um, ohne sie auch nur an einer einzigen Stelle zu hinterfragen. Selbst die von der Fachwelt zerrissene Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers winkt er einfach durch.

Nach außen hin argumentiert der Minister schlau, dass er die von Amtsvorgänger Peer Steinbrück gezogene Defizitlinie von 86 Milliarden Euro gehalten habe - als ob das allein eine Leistung wäre, zumal die Wirtschaftskrise die Einnahmen und Ausgaben des Bundes 2010 keineswegs so stark belasten wird, wie Steinbrück das noch im Juni befürchtet hatte. Rechnet man die jüngsten Zahlen zusammen, dann zeigt sich, dass Schäuble problemlos mit einer Neuverschuldung von etwa 76 Milliarden Euro ausgekommen wäre - oder anders herum formuliert: Der neue Finanzminister hat satte zehn Milliarden Euro verpulvert.

Das ist umso ärgerlicher, als die Union zugleich ankündigt, dass allein 2011 bis zu 30 Milliarden Euro im Haushalt eingespart werden müssen. Die Folgejahre dürften ähnlich grausam werden. Wo aber gespart werden soll, und wer am Ende wie stark betroffen sein wird, das verschweigt der Minister. Wie man angesichts einer solchen Vernebelungstaktik erwarten kann, dass sich die jetzigen Steuersenkungen in mehr Privatkonsum niederschlagen und das "Wachstum beschleunigen" werden, wie es im schwarz-gelben Steuerentlastungsgesetz heißt, wissen wohl noch nicht einmal Seehofer und Westerwelle. Der Fehlstart der Koalition ist so oft beschrieben worden, dass man kaum mehr davon hören mag. Aber besichtigen kann man ihn jetzt. Im Haushaltsentwurf.

Im Video: Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Haushalt 2010 sieht eine Rekordneuverschuldung von 86 Milliarden Euro vor.

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© SZ vom 17.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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