Richtig Lüften:Zweimal morgens, zweimal abends

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Gesundheitsschädlich oder nicht? Analysen in einem Labor. (Foto: Jochen Tack/OKAPIA/imago)

Bildet sich in der Wohnung Schimmel, kommt es oft zum Streit zwischen Vermietern und Mietern. Wie Gerichte in solchen Fällen entscheiden.

Von Andrea Nasemann

Das Problem tritt vor allem im Herbst und im Winter auf: Schimmel und Feuchtigkeitsschäden vergiften die Beziehung zwischen Mietern und Vermietern. Schimmel in der Mietwohnung ist nicht nur gesundheitsschädlich, er kann auch teuer für den Vermieter werden, wenn der Mieter die Miete mindert, Schadenersatz fordert oder fristlos kündigt.

Häufig lässt sich nur schwer ermitteln, woher der Schimmel kommt und wer die Beseitigung übernehmen muss. Diese Frage können oft nur Sachverständige klären. Aber die Gerichte haben klargestellt: Hat der Mieter seinen Vermieter über Feuchtigkeit oder Schimmel in der Wohnung informiert, muss der Vermieter darlegen, dass das Gebäude keine baulichen Mängel aufweist, die Schäden also nicht aufgrund von eindringender oder im Mauerwerk aufsteigender Feuchtigkeit verursacht wurden. Der Vermieter muss - bezogen auf den Stand der Technik zur Bauzeit - den Nachweis erbringen, dass das Gebäude frei von wärmetechnischen Baumängeln ist. "Ein starkes Indiz dafür wäre, wenn der Vermieter darlegen kann, dass es zum Beispiel bisher nie Schimmel in der Wohnung gegeben hat und auch nicht in den umliegenden Wohnungen", erläutert Gerold Happ, Geschäftsführer von Haus & Grund Deutschland.

Die Fenster für eine Weile zu kippen, reicht nicht aus

Hat der Vermieter diesen Beweis erbracht, muss der Mieter darlegen, dass er die Wohnung ordnungsgemäß beheizt und regelmäßig gelüftet hat. Kommt es dann zu keiner Einigung, beauftragt der Vermieter meist einen Sachverständigen, der die Feuchtigkeit misst und die Schadensursache ermittelt. Lässt der Vermieter auf eigene Kosten eine Klimamessung durchführen, hat der Mieter übrigens keinen Anspruch auf die Daten (Amtsgericht Bad Segeberg, Urteil vom 7. Juni 2012, 17 C 21/12).

Wenn ein Gutachter keine Schadstellen an der Außenwand festgestellt hat und alle Fenster in einem ordnungsgemäßen Zustand sind, liegt die Ursache wahrscheinlich beim Mieter (Urteil vom 19. März 2014, 307 S 151/13). Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Denn was heißt richtiges Heizen und Lüften?

Wie oft und wie lang der Mieter lüften muss, haben die Gerichte immer wieder entschieden: Ohne besonderen Hinweis des Vermieters sei der Mieter nur zu einem zweimaligen - morgens und abends - Stoß- oder Querlüften für jeweils zehn Minuten verpflichtet, entschied das Landgericht Gießen (Urteil vom 2. April 2014, 1 S 199/13). Etwas anderes gelte nur bei einer besonderen Nutzung der Wohnung, etwa, wenn ein Raum zum Wäschetrocknen verwendet wird. Der Mieter sei auch grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, zwischen Außenwand und den Möbeln einen Abstand von mindestens zehn Zentimetern einzuhalten. Dies gelte selbst dann, wenn ein geringerer Abstand eine Schimmelbildung fördere.

Anders ist die Lage, wenn der Vermieter auf die drohende Feuchtigkeit an bestimmten Stellen hingewiesen hat. Drei- bis viermaliges tägliches Querlüften hielt das Landgericht Frankfurt mit Urteil vom 16. Januar 2015, 2-17 S 51/14 für angemessen. Dies sei auch für einen berufstätigen Mieter zumutbar. So könne morgens vor Verlassen der Wohnung ein-bis zweimal gelüftet werden, dann nach Rückkehr von der Arbeit sowie am Abend. Das vorübergehende Schrägstellen der Fenster, also in Kippstellung, sei nicht ausreichend. Während der Abwesenheit der Bewohner muss nicht gelüftet werden, da in dieser Zeit weder geduscht noch gekocht wird und daher keine neue Feuchtigkeit entsteht.

Neben dem regelmäßigen Lüften muss der Mieter auch auf eine ausreichende Beheizung der Wohnung achten: Die Temperatur sollte mindestens 20 Grad Celsius betragen, im Schlafzimmer sollten es mindestens 16 Grad sein.

Nach dem Austausch von alten und meist undichten Fenstern gegen moderne, dicht schließende Fenster kommt es häufig zu Feuchtigkeits- und Schimmelschäden. Deshalb muss der Mieter in solchen Fällen sein Heiz- und Lüftungsverhalten ändern. Allerdings ist es Sache des Vermieters, den Mieter nach dem Einbau der dicht schließenden Fenster auf die neuen Anforderungen hinzuweisen. Andernfalls könnten dem Mieter später auftretende Feuchtigkeitsschäden nicht angelastet werden. Der Mieter sei nicht verpflichtet, sich über ein verändertes Lüftungsverhalten Gedanken zu machen, entschied das Landgericht München I (Urteil vom 8. März 2007, 31 S 14459/06).

Kommt es zu Schimmel in der Wohnung, kann der Mieter bis zur Beseitigung des Schadens Mietminderung verlangen. In einem vom Landgericht Gießen entschiedenen Fall hatte der Vermieter dicht schließende Fenster eingebaut. Nur durch häufigeres Lüften wäre der Schimmelbefall vermeidbar gewesen. "Darüber hätte die Vermieterin ihre Mieter aufklären müssen", sagt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes (DMB). Es sei Sache des Vermieters, nach dem Einbau von Isolierglasfenstern die notwendigen Vorkehrungen gegen Feuchtigkeit zu treffen. Die Mieterin durfte daher die Miete um 15 Prozent senken.

Hygrometer messen die Feuchtigkeit. Der Mieter muss den Einbau solcher Geräte dulden

"Vermieter sollten bei Beginn des Mietverhältnisses oder spätestens nach dem Einbau neuer Fenster dem Mieter ein Informationsblatt zum richtigen Heizen und Lüften geben und sich den Empfang gegenzeichnen lassen", empfiehlt Gerold Happ. Auch das Landgericht Bochum entschied am 19. Juli 2016 zugunsten des Mieters: Diesem könne keine Pflichtverletzung durch ein falsches Lüftungsverhalten vorgeworfen werden, weil er weder wusste noch wissen musste, dass zur Vermeidung eines Schimmelbefalls besondere, nicht allgemein übliche Lüftungsmaßnahmen - wie zum Beispiel das Offenhalten der Schlafzimmertür während der Nacht - erforderlich gewesen wären (I-11 S 33/16).

Da Schimmel gesundheitsschädlich ist, kann der Mieter nicht nur die Miete mindern, sondern auch das Mietverhältnis fristlos kündigen. "Die Kündigung ist allerdings nur zulässig, wenn der Mieter zuvor dem Vermieter eine angemessene Frist zur Abhilfe gesetzt hat", sagt Ropertz. Hat der Vermieter den Schimmel beseitigt, muss der Mieter einen Mangel, wenn er ein zweites Mal auftritt, erneut anzeigen.

Statt pauschale Handlungsanweisungen zu geben, kann der Vermieter die Wohnung auch mit Hygrometern ausstatten,also Geräten, die die Feuchtigkeit messen. Der Mieter kann damit sein Heiz- und Lüftungsverhalten kontrollieren. Die Pflicht des Mieters, eine Ausstattung mit solchen Geräten zumindest zur Feststellung der Ursachen für Feuchtigkeitsschäden zu dulden, stellt "keine unangemessene Benachteiligung" dar, entschied das Landgericht Augsburg (Beschluss vom 17. Dezember 2004, 7 S 3173/04).

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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