Sizilien: Reichtum im Gefängnis:Praktisch nackt

Lesezeit: 2 min

Hier die fein gewandeten Mafiosi, dort die gewöhnlichen gekleideten Verbrecher: Der demonstrativ zu Schau gestellte Reichtum in einem sizilianischen Gefängnis hat die Anstaltsleiterin zu einer ungewöhnlichen Maßnahme bewegt.

Alexander Hagelüken

Seine Verhaftung war ein bisschen peinlich. Als die Polizei 2007 in Michele Catalanos Wohnzimmer stürmte, guckte der dickliche Gangster gerade eine Fernsehserie über Toto Riina, den "Boss der Mafia-Bosse", auch "das Biest" genannt.

Gucci, Prada und Versace im Gefängnis? In Sizilien wird das nun verboten. (Foto: dapd)

Vom Biest, das sich jahrzehntelang vor der Polizei verborgen hielt, hatte Catalano, der für einen seiner Nachfolger arbeitete, offenbar wenig gelernt, wenn ihn die Polizisten so leicht vor der Glotze überraschen konnten. Catalano, 52, des Drogenhandels und der Erpressung angeklagt, kam ins Gefängnis Ucciardone in Palermo. Dort führte er sich wieder standesgemäß auf wie ein richtiger Mafiaboss: Zu seinem Geburtstag lud er zu einer Party in den gefängniseigenen Fitnessbereich, bei der Champagner und Hummer gereicht wurden.

"Grand Hotel Ucciardone"

Solche Extravaganzen sind in dem Knast keine Seltenheit. Das Gefängnis mitten im Herzland der sizilianischen Mafia gilt seinen gar nicht so unglücklichen Insassen seit Jahrzehnten als "Grand Hotel Ucciardone", in dem es sich gut leben lässt - Verurteilung hin, Verurteilung her. Ein Kollege Catalanos richtete in der Anstaltskapelle die Hochzeit seiner Tochter aus, wird berichtet.

Nun allerdings ist eine humorlose Gefängnischefin angetreten, die guten Zeiten für all die Mörder, Drogenhändler und Schutzgeld-Erpresser zu terminieren. "Das öffentliche Bild dieses Gefängnisses ist davon geprägt, dass die Bosse Seidenanzüge tragen", sagte die neue Anstaltsleiterin Rita Barbera der Zeitung La Stampa. "Dieses Bild müssen wir beenden."

Barbera sieht eine Zwei-Klassengesellschaft in dem überfüllten Knast: hier die fein gewandeten Mafiosi, dort gewöhnliche italienische Verbrecher und Einwanderer, die Second Hand von der Kleiderspende auftragen. "Wir müssen das Angeben mit Macht und Reichtum stoppen", sagt Barbera. Und verbot den Mafiosi die Designerklamotten.

Kein Gucci, Prada und Versace mehr für Catalano und Co., nicht mal Adidas oder Nike. Die Familien der Verbrecher mussten die edle Ware abholen und durften dafür 20 Kilo neue Kleidung bringen - aber bitte billig. Die Gefängniswärter kontrollierte die Päckchen am Tor. La Stampa taufte die Gefängnischefin "No Logo", in Anlehnung an den Anti-Markenhersteller-Bestseller der Globalisierungskritikerin Naomi Klein.

Die Ehefrauen der Inhaftierten reagieren entsetzt. Selbst eine Jeans von Trussardi, kein Vergleich mit den Preisen von Prada oder Gucci, fand vor den Augen der Wärter keine Gnade. "Mein Mann hat nur Designerware", sagt eine Ehefrau. "Aber nicht, weil es chic ist, sondern weil diese Kleidung von viel besserer Qualität ist und viel länger hält." Sie spricht von Diskriminierung: "Warum wird mein Mann gedemütigt? Warum zwingt man uns, Kleidung auf Straßenmärkten zu kaufen?"

Von Mode verstehen die Italiener von jeher viel. In Francis Ford Coppolas "Paten", der Mutter aller Mafia-Filme, laufen die wichtigen Gangster stets in edlem Tuch herum. Darauf müssen die Insassen von Ucciardone aufs erste verzichten. Eine empörte Ehefrau sagt: "Mein Mann ist praktisch nackt."

© SZ vom 03.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: