Reden wir über Geld:"Dann werden wir halt Ministerpräsident"

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Stefan Murr spielt auf dem legendären Nockherberg Karl-Theodor zu Guttenberg. Das Double über die Zukunft des Ex-Ministers - und den Muskelkater vom Adelsdialekt.

S. Boehringer und A. Hagelüken

Seit zwei Jahren spielt Stefan Murr, 34, beim Starkbier-Kabarett auf dem Münchner Nockherberg Karl-Theodor zu Guttenberg. Der Aufstieg des bisherigen Verteidigungsministers zum Politstar half auch seiner Popularität. Wie geht es mit beiden Karrieren weiter? Und wie denkt sich jemand gerade in Guttenberg hinein? Ein Gespräch über Aufstieg, Fall und angeklebte Haarteile.

Stefan Murr und sein Rollenvorbild Karl-Theodor zu Guttenberg. (Foto: ddp)

SZ: Herr Murr, reden wir über Geld. Bis Dienstag glaubten Sie, am 23. März auf dem Nockherberg den immer noch populärsten Politiker Deutschlands zu spielen. Dann kam der Rücktritt. Verlieren Sie nun Ihren Job?

Stefan Murr: Nein. Regisseur Alfons Biedermann rief gleich an und beruhigte mich. Die Frage ist, wie der Auftritt ausfällt. Der diesjährige Nockherberg ist wie eine Oscar-Verleihung aufgezogen ...

SZ: ... es wird schwierig, Guttenberg eine Auszeichnung zu geben.

Murr: Vielleicht die Goldene Himbeere für den schlechtesten Schauspieler?

SZ: Bestes Drehbuch verbietet sich ja wohl. Wie lange dauert es, bis Sie für die Bühne Baron Guttenberg sind?

Murr: 20 Minuten. Ich brauche Gel, wobei ich nicht herausgefunden habe, ob ich dasselbe benutze wie er. Und dann müssen zwei Haarteile auf meine Stirn. Ich habe größere Geheimratsecken als er, obwohl er gut vier Jahre älter ist. Wenn ich das merke, werde ich in der Garderobe immer nachdenklich.

SZ: Worauf achten Sie bei der Rolle besonders?

Murr: Nase aufplustern, Lippen steif machen, dann bekommt mein Ton etwas Adelig-Nasales. Ich muss nur darauf achten, nach dem Auftritt damit aufzuhören. Sonst kriege ich Muskelkater.

SZ: Mögen Sie den Ex-Minister?

Murr: Ich finde ihn sympathisch, auch wenn das Abschreiben seiner Doktorarbeit falsch ist.

SZ: Wie gut kennen Sie ihn?

Murr: Meine Sympathien entstanden durch zwei Treffen. Er war beide Male sehr freundlich, wie auf Augenhöhe. Nicht wie andere Politiker. Nicht wie ein Politstar, der mit seinem Double redet.

SZ: Worüber redeten Sie?

Murr: Bei meinem Auftritt am Nockherberg 2010 fragte er, ob er sich in dem ersten Jahr als Minister verändert habe.

SZ: Und?

Murr: Ich sagte, man sehe ihm an, wie viel Arbeit Minister ist. Er ist im Amt gealtert. Ich hab schon viel nachgedacht über die Person.

SZ: Haben Sie so einen Charakterzug erwartet? Dass er den Doktor abschreibt?

Murr: Nein. Und als es bekannt wurde, hat er rumlaviert, wie es gar nicht seine Art war, vorher.

SZ: Was dachten Sie beim Rücktritt?

Murr: Dass er eine arme Wurst ist. Doktor weg, Ämter weg, was für ein Desaster. Was ist wohl bei ihm zuhause los? Was macht er jetzt?

SZ: Und, was macht er jetzt?

Murr: Ich würde meine Familie packen, die Cargo-Hose und die Bergstiefel von seinen Afghanistan-Besuchen, und würde Urlaub in den Bergen machen oder am Meer. Dort, wo mich keiner kennt. Was er in den nächsten Monaten macht, ist schwer zu sagen.

SZ: Vielleicht schreibt er eine richtige Doktorarbeit?

Murr: Davon lässt er, glaub' ich, die Finger. Jeder würde doch die Arbeit prüfen, bis er einen Fehler findet.

SZ: Kommt er in die Politik zurück?

Murr: So populär wie er ist, stehen die Chancen gut. Im Internet fordern es ja Hunderttausende.

SZ: Woher kommt diese Popularität?

Murr: Zum einen weiß er genau, was er sagen muss, welche Knöpfe er drücken muss, damit die Menschen ihn mögen. Zum anderen schätzen die Leute seine finanzielle Unabhängigkeit, dass er es gar nicht nötig gehabt hätte, in die Politik zu gehen. Die Leute glauben, dass er weniger käuflich wäre.

SZ: Das Familienvermögen wird auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt. Ist es nicht ein merkwürdig antidemokratischer Reflex, wenn Menschen lieber Reiche in der Politik sehen? So wie in den USA den Unternehmer Michael Bloomberg als New Yorker Bürgermeister oder die Bush-Familie, die dann prompt die Steuern für Reiche senkte?

Murr: Tja, in den USA ist ja schon das System pervers, weil man so viel Geld braucht, um Wahlkampf zu führen.

SZ: Wird Guttenberg den Malus des Abschreibers wirklich los, sodass er in die Politik zurückkehren kann?

Murr: Der Malus wird immer bleiben, aber seine Arbeit als Minister hat er gut gemacht. Andere kamen auch zurück: Franz Josef Strauß flog als Verteidigungsminister und wurde später Ministerpräsident. (Murr macht die Lippen steif, plustert die Nase auf und redet Guttenberg): Dann werden wir halt Ministerpräsident und nicht Kanzler.

SZ: Wäre für Sie als Double ja auch gut, wenn er zurückkäme. Als Sie 2009 zum ersten Mal den Karl-Theodor zu Guttenberg spielten, war er kaum bekannt...

Murr: Die riefen mich damals an, ob ich mir das vorstellen konnte. Ich war gerade auf der Berlinale in Berlin. Ich sagte: Klar, super. Dann bin ich erstmal ins Internet-Cafe und hab ihn gegoogelt. Beim ersten Anruf war er noch CSU-Generalsekretär, beim zweiten drei Tage später Wirtschaftsminister.

SZ: Und stieg kometenhaft auf. Half das bei Ihrer Karriere?

Murr: Ja, klar, das färbt auf einen selber ab. Man ist als Nockherberg-Double eines Politstars stärker gefragt als ein Double eines weniger beachteten Politikers. Der Name wird dadurch bekannter.

SZ: Und werden Ihnen deshalb Adels-Rollen angeboten?

Murr: So einfach geht es leider nicht. Und ich krieg auch nicht automatisch höhere Gagen. Bei anderen Sachen hilft es dann wieder direkt. Zum Beispiel bei dem Märchenbuch für Kinder, das ich geschrieben habe. Da wird groß darüber berichtet. Ich muss halt damit leben, dass in jedem Artikel steht: Guttenberg-Double liest jetzt Märchen.

SZ: Muss man einen zurückgetretenen Minister auf dem Nockhe rberg mehr scho nen als den Politstar?

Murr: Man sollte sich mit übertriebener Häme zurückhalten.

SZ: 2010 musste ihr Kollege Michael Lerchenberg von seiner Rolle als Fastenprediger zurücktreten, weil er Guido Westerwelle unterstellt hatte, er wolle alle Hartz-IV-Empfänger in einem Lager versammeln. Sind die Nockherberg-Macher seitdem vorsichtiger oder nervöser?

Murr: Es gibt immer viele Tretminen, wenn Politik und Entertainment aufeinander treffen. Aber für den Text ist der Regisseur zuständig.

SZ: Gibt es eine Einheitsgage für alle Schauspieler am Nockherberg?

Murr: Bisher war es eine Einheitsgage.

SZ: Ist das Singspiel gut bezahlt?

Murr: Das kommt auf die Sichtweise an. Die Gage ist gut, aber es sind ja auch vier Wochen Arbeit, alles in allem.

SZ: Bringt der Auftritt 2000 Euro?

Murr: Schon mehr. Aber die Leute haben immer eine falsche Vorstellung davon, wie gut Schauspieler verdienen. Viele haben über Wochen kein Engagement, warten darauf, dass das Telefon klingelt.

SZ: Wie ist es, wenn das Telefon nicht klingelt?

Murr: Ich habe gemerkt: Man muss aufhören zu warten, sondern andere Sachen machen. Deshalb ist es gut, zum Beispiel ein Kinderbuch zu schreiben.

SZ: Wie sehr variieren die Gagen?

Murr: Film ist gut bezahlt. Da bekommen selbst Berufsanfänger in der Regel 1200 Euro pro Drehtag. Später sind es dann eher 2000 Euro.

SZ: Und beim Theater?

Murr: Am Münchner Volkstheater war ich drei Jahre fest angestellt. Der Intendant Christian Stückl zahlt sogar Berufsanfängern 2100 Euro, und für jedes weitere Berufsjahr einen Hunderter mehr. Das ist fair im Vergleich zu den Mindestgehältern an Bühnen, die in Bayern bei 1600 Euro brutto liegen.

SZ: Davon kann man in München nicht leben.

Murr: Eben, zumal man am Theater festangestellt meist voll eingespannt ist.

SZ: Warum haben Sie ihre Festanstellung aufgegeben?

Murr: Ich war Vater geworden und wollte nicht jeden Abend eine Vorstellung haben. Außerdem macht es die Mischung, Theater und Film ist am besten.

SZ: Wie wurden Sie Schauspieler?

Murr: Durch Zufall. Ich bin in Chemie mit null Punkten durchs Abitur gefallen und musste die letzte Klasse wiederholen. Dadurch habe ich die Chance bekommen, noch länger Schultheater zu spielen. Bei Arthur Millers "Hexenjagd" bekam ich die Hauptrolle. Eine Mutter ermunterte mich, diesen Berufsweg zu versuchen. Dann hab ich mich an der Schauspielschule beworben. Das war für einen Jungen vom Land untypisch. In Bad Tölz, wo ich her komme, gibt es Ärzte, Anwälte, Bauern, aber eher keine Schauspieler. Das Lustige ist, dass mir heute bei Rollen oft gesagt wird, ich hätte zu wenig Ländliches. Ich könnte eher Städter spielen, eher vornehme Leute.

SZ: Vornehm passt zu Guttenberg. Was ist Ihr Lieblingsscherz über ihn?

Murr: Ich mag die Karikatur, in der er das Toupet abnimmt und sagt: Nicht mal die Haare sind echt. Witze habe ich gar nicht so viele gehört. Zum Beispiel?

SZ: Kommt ein Monteur ins Verteidigungsministerium und sagt, er solle den Kopierer reparieren. Sagt der Pförtner: Der ist mal wieder auf Truppenbesuch am Hindukusch.

Murr: Inzwischen müsste der Pförtner sagen: Der Kopierer geht doch.

© SZ vom 04.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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