Kapitalerträge:Reiche zahlen weniger Steuern

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Seit Anfang 2009 werden Kapitalerträge direkt bei den Banken mit 25 Prozent besteuert. Die Regierung hatte viele Hoffnungen an dieses Prinzip geknüpft. Zumindest in diesem Jahr aber kommt alles anders.

H. Freiberger und C. Hulverscheidt

Die Steuern auf Zinserträge und Kursgewinne brachen 2010 um ein Drittel auf neun Milliarden Euro ein. Schuld war die Finanzkrise, aber auch der seit 2008 geltende geringere Steuersatz. Die Opposition warf der Regierung vor, reiche Kapitalbesitzer besser zu behandeln als Arbeitnehmer.

Übersicht über die Entwicklung der Steuereinnahmen auf Kapitalerträge. (Foto: N/A)

Bis 2008 waren Kapitalerträge in Deutschland dem normalen Einkommen zugerechnet und entsprechend mit dem persönlichen Grenzsteuersatz von bis zu 45 Prozent belastet worden. Anfang 2009 führten Union und SPD dann die sogenannte Abgeltungsteuer mit einem Einheitssatz von 25 Prozent ein.

Ziel war es, das Steuerrecht zu vereinfachen und Schwarzgeldbesitzer zur Schließung von Auslandskonten zu bewegen. Seither zieht die kontoführende Bank bei Zinszahlungen und Erlösen aus Wertpapierverkäufen pauschal ein Viertel der Summe ab und überweist das Geld anonymisiert an das Finanzamt. Bereits 2009 war das Aufkommen aus der Besteuerung von Zins- und Veräußerungserträgen deshalb um rund eine Milliarde Euro oder fast sieben Prozent gesunken.

"Massiv gesunkenes Zinsniveau"

Dieser Effekt hat sich nun durch die Wirtschafts- und Finanzkrise dramatisch verschärft. Im Vergleich zum Vorjahr ging das Aufkommen aus der Abgeltungsteuer 2010 um 3,7 Milliarden Euro zurück. Das Finanzministerium begründete die Entwicklung mit dem "im Zuge der Finanzkrise massiv gesunkenen Zinsniveau", das nun auch auf die Steuereinnahmen durchgeschlagen habe. Dieser Effekt werde sich 2011 noch fortsetzen.

Tatsächlich warfen festverzinsliche Wertpapiere deutscher Emittenten im vergangenen Herbst nur noch eine durchschnittliche Rendite von 2,1 Prozent ab. Das war fast ein Drittel weniger als Ende 2009, als der Wert noch bei 3,0 Prozent gelegen hatte. Wie sich die niedrigeren Zinsen auf die Steuereinnahmen auswirken, zeigt ein Rechenbeispiel zum Tagesgeld: Die Deutschen haben etwa 370 Milliarden Euro in dieser täglich verfügbaren Anlageform investiert.

Die Tagesgeldzinsen fielen nach einer Erhebung des Verbraucher-Vergleichsportals biallo.de von Anfang 2009 bis Anfang 2010 im Durchschnitt von drei auf ein Prozent. Für die Anleger bedeutete das weniger Zinsen von 7,4 Milliarden Euro. Darauf 25 Prozent Abgeltungsteuer macht für den Fiskus Mindereinnahmen von 1,85 Milliarden Euro. Die Rechnung ist zwar etwas verzerrt, da die Zinssenkung nicht auf einen Schlag, sondern in Schritten erfolgte, sie zeigt aber die Dimension auf. Außerdem sanken 2010 auch die Zinsen für Festgeld, Spareinlagen und Sparbriefe deutlich, in denen die Bundesbürger weitere Hunderte von Milliarden Euro angelegt haben.

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Mit der Abgeltungsteuer wurde auch die Besteuerung von Kursgewinnen geändert. Diese waren vorher steuerfrei, wenn ein Wertpapier länger als ein Jahr im Depot lag. Nun sind zum Beispiel auch auf Aktien-Kursgewinne 25 Prozent Abgeltungsteuer fällig. Doch dieser für die Staatsfinanzen an und für sich positive Effekt wirkte sich 2010 noch nicht in großem Maße aus. Betroffen von der Besteuerung waren nur Aktien, die 2009 gekauft und 2010 mit Gewinn verkauft wurden.

Da die Aktienkurse zum Teil eingebrochen waren, machten die Bürger womöglich auch in größerem Umfang Börsenverluste steuerlich geltend. Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte, er halte dies für denkbar, könne aber keine Details nennen. Er betonte zudem, dass die Einnahmen aus der Besteuerung von Dividenden um 4,1 Prozent gestiegen seien. Sie sind nicht Teil des Abgeltungsteueraufkommens, sondern werden als sogenannte "nicht veranlagte Steuern vom Ertrag" verbucht.

Durch die Einführung der Abgeltungsteuer werden alle Bürger, deren persönlicher Grenzsteuersatz bei der Einkommensteuer oberhalb von 25 Prozent liegt, teils deutlich entlastet. Für alle anderen Steuerzahler änderte sich wegen einer Sonderregelung nichts. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, verlangte von der Regierung, den "Irrweg Abgeltungsteuer" zu beenden. "Alle unsere Befürchtungen bestätigen sich: Sie ist ungerecht, bringt Steuerausfälle statt Mehreinnahmen und nicht die gewünschte Vereinfachung", sagte er.

Ähnlich äußerte sich die Deutsche Steuergewerkschaft: "Die Privilegierung von Kapitalerträgen gegenüber anderen Einkünften verstößt gegen den Grundsatz einer gleichmäßigen Besteuerung und ist damit verfassungswidrig", sagte ihr Vorsitzender Dieter Ondracek. Schicks FDP-Kollege Volker Wissing wies die Vorwürfe zurück. Der Einnahmerückgang habe weniger mit der Ausgestaltung der Steuer als mit ausbleibenden Kapitalerträgen zu tun. "Es hilft wenig, eine Kuh, die keine Milch mehr gibt, noch mehr zu melken", sagte er.

Der Abgeltungsteuerexperte Frank Hechtner von der Freien Universität Berlin sagte der Nachrichtenagentur AFP, das Minus von 2009 auf 2010 sei dem gesunkenen Zinsniveau geschuldet, auch wenn bisher noch keine gesicherten Zahlen vorlägen. Das Minus von rund einer Milliarde Euro zwischen den Jahren 2008 und 2009 könne aber kaum so erklärt werden. "Es ist mehr als plausibel, dass dafür der niedrigere Steuersatz der Abgeltungsteuer verantwortlich ist", sagte er. "Die Argumentation, dass die Einführung der Abgeltungsteuer aufkommensneutral war, wird durch die Zahlen jedenfalls nicht gestützt."

Die Große Koalition hatte die Abgeltungsteuer eingeführt in der Hoffnung, dass Steuerzahler, die bisher Geld im Ausland angelegt hatten, vermehrt nach Deutschland zurückkehren, wenn der Steuersatz pauschal nur noch 25 Prozent beträgt. Dadurch würde die Grundlage der Besteuerung verbreitert, was den Nachteil des niedrigeren Steuersatzes für den Staat ausgleichen könnte. Diese Hoffnung hat sich zumindest 2010 nicht erfüllt. "Die Reform ist eindeutig nach hinten losgegangen", sagte Steuergewerkschafts-Chef Ondracek.

© SZ vom 25.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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