HRE-Untersuchungsausschuss:"Er war voll im Film"

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Wieder wird der Bund in Schutz genommen: Commerzbank-Chef Blessing weist die Kritik an Staatssekretär Asmussen im Zusammenhang mit der HRE-Pleite zurück.

Thomas Fromm, Daniela Kuhr und Klaus Ott

Commerzbank-Chef Martin Blessing hat Kritik am Verhalten der Bundesregierung bei der Rettung des Immobilienfinanzieres Hypo Real Estate (HRE) zurückgewiesen.

Commerzbank-Chef Blessing über Asmussen: "Er wusste genau, worum es geht." (Foto: Foto: ddp)

Als Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen an dem Krisenwochenende im vergangenen September zu den Verhandlungen der Banken gestoßen sei, "war er voll im Film", sagte Blessing am Mittwoch vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags in Berlin. "Er wusste genau, worum es geht."

"Großes Fragezeichen"

Zwar hätten die privaten Banken sich gewünscht, dass die Bundesregierung sich schon früher in die Gespräche eingeschaltet hätte. Ob das dann aber zu einem besseren Ergebnis für den Bund - und damit für den Steuerzahler - geführt hätte, "dahinter mache ich mal ein großes Fragezeichen", sagte Blessing.

"Die Frage, wann kommt wer zu den Verhandlungen, war schon Teil der Verhandlung." Auch der frühere HypoVereinsbank-Chef Wolfgang Sprißler bescheinigte der Regierung, bei den Rettungsgesprächen ein für sie "vernünftiges Ergebnis" erzielt zu haben.

Am Vortag hatte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gesagt, die Taktik der Regierung sei "riskant" gewesen. Später betonte er aber, das sei nicht als Kritik gemeint gewesen.

Der Bund und die privaten Banken hatten die HRE mit Bürgschaften gerettet, die sich mittlerweile auf mehr als 100 Milliarden Euro belaufen. Das Risiko trägt vor allem der Bund. Der Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, ob der Staat die Schieflage der Bank hätte verhindern können und wie das Verhalten der Bundesregierung an dem Krisenwochenende im vergangenen September zu bewerten ist.

Nachdem die privaten Banken damals bereits seit Samstag mit Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin nach einer Lösung gesucht hatten, war Finanzstaatssekretär Asmussen erst am Sonntag um 17 Uhr dazu gestoßen. Die Bundesregierung spricht von Taktik.

Schadenersatzklagen gegen die HRE

Die Opposition dagegen wirft der Regierung vor, sich zu spät eingeschaltet und eine für den Steuerzahler zu teure Lösung gewählt zu haben. Die Grünen wollen neben Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hören. Am Donnerstag werden jedoch zunächst Bundesbank-Präsident Axel Weber und Bafin-Chef Jochen Sanio als Zeugen aussagen.

Vor allem auf die Aussage von Sanio sind die vielen Aktionäre der HRE gespannt. Er könnte Stoff für weitere Schadenersatzklagen liefern. Mehr als 200 Millionen Euro verlangen Anleger von der inzwischen verstaatlichten Bank zurück, und die Summe könnte schnell auf eine halbe Milliarde Euro steigen.

Und das allein bei verschiedenen Fonds, für die der Tübinger Anwalt Andreas Tilp vor Gericht gegangen ist. Tilp hat eine Klage eingereicht, in der er dem alten HRE-Vorstand um den damaligen Vorstandschef Georg Funke vorwirft, den Aktionären von Mitte 2007 bis Anfang 2008 Risiken verschwiegen zu haben.

Anleger systematisch getäuscht?

Als Funke am 15. Januar 2008 überraschend Abschreibungen in Höhe von 390 Millionen Euro eingestand, brach der Aktienkurs um 35 Prozent ein. Funke hatte nämlich zwei Monate zuvor erklärt, sein Institut werde gestärkt aus der Bankenkrise hervorgehen.

Tilp wird seine Klage voraussichtlich erweitern und der mittlerweile in Deutsche Pfandbriefbank AG umbenannten HRE vorwerfen, auch später die Anleger systematisch getäuscht zu haben.

Zum Beispiel im Sommer 2008, als die Bafin "zahlreiche gravierende Defizite" bei der HRE rügte und dem Vorstand vorhielt, das "schlechte Ergebnis" einer Prüfung durch die Bundesbank wiege umso schwerer, als das Institut an der Börse notiert und sogar im Dax vertreten sei. Den Aktionären teilte die HRE das nicht mit. Im Untersuchungsausschuss des Bundestags wird Sanio bestimmt zu diesen Vorgängen befragt, und die Anwälte der Aktionäre werden das gründlich auswerten.

Bei sechs Kammern des Landgerichts München sind inzwischen Klagen anhängig, und es sieht ganz danach aus, als ob diese Verfahren zu einem Musterprozess zusammengelegt würden. Tilp geht davon aus, diesen Fall dann durchfechten zu dürfen, da er bislang den höchsten Schadenersatz verlangt.

Damit es zu einem solchen Musterprozess kommt, müssen mindestens zehn Anträge auf ein solches Verfahren zusammenkommen. Neun liegen zurzeit vor - und es dürften immer mehr werden.

"Auch wir werden in den nächsten Wochen Anträge für einen Musterprozess stellen", sagte der Anwalt Janos Morlin von der Münchner Anwaltskanzlei Rotter der SZ. Die Kanzlei vertritt zurzeit rund 50 Kläger mit einem Volumen von über sechs Millionen Euro. Für Prozesse dieser Art gibt es seit November 2005 eine eigene Verfahrensordnung.

© SZ vom 30.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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