Hilfe vom Fiskus:Reden bringt Geld

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Ungewohnter Helfer: Ausgerechnet das oft so ungeliebte Finanzamt springt Unternehmen zur Hilfe - allerdings nur, wenn es denen richtig schlecht geht.

Marco Völklein

Beim Finanzamt beißt Simone Mischke regelmäßig auf Granit. "Zurzeit kriegt man da kaum etwas durch", sagt die Steuerberaterin aus Hannover. Selbst wenn sie sich so richtig ins Zeug legt für ihre Mandanten, Selbstauskünfte einreicht und sämtliche wirtschaftlichen Daten aufarbeitet - den Wunsch ihrer Klientel, das Finanzamt möge doch die fällige Steuerzahlung stunden, akzeptieren die Beamten schlicht nicht. "Die Ämter haben noch nicht richtig mitgekriegt, wie es in der Wirtschaft draußen derzeit aussieht", sagt Mischke.

Das hat auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) erkannt. In einem Brief wandte sich der oberste Kassenwart schon vor einigen Monaten an die Finanzämter: "Mir ist es wichtig, dass auch die kleinen und mittleren Unternehmen in der Wirtschaftskrise nicht alleingelassen werden", schrieb Steinbrück.

Das Finanzamt lässt mit sich reden

"Wir sollten gerade diese Unternehmen bei der Bewältigung der Krise mit allen uns zur Verfügung stehenden Instrumenten unterstützen." Weil vielen Mittelständlern die Umsätze wegbrechen, benötigen sie die Hilfe des Fiskus.

Die Firmen bitten bei den Ämtern darum, Zahlungen zu stunden oder zumindest die Vorauszahlungen herabzusetzen, da sie noch aufgrund alter Daten aus wirtschaftlich besseren Zeiten berechnet werden.

Zumindest auf eine Herabsetzung der Vorauszahlungen lassen sich die Ämter in der Regel schon ein, sagt Falk Loose, Steuerberater und Rechtsanwalt der Kanzlei Lovells: "In vielen Fällen lässt das Finanzamt mit sich reden."

Der Steuerzahler muss dazu nur einen entsprechenden Antrag stellen und "dem Finanzamt glaubhaft darlegen, aufgrund welcher Umstände er in diesem Jahr tatsächlich mit geringeren Einkünften und damit geringeren Steuerzahlungen rechnet", erklärt er.

Saisonale Einbussen gelten nicht

Dazu sind einige Unterlagen notwendig: So kann der Unternehmer zum Ende eines Halbjahres oder Quartals eine Zwischenbilanz ziehen. Stellt er fest, dass seine Umsätze und Gewinne zum Beispiel um 20 Prozent gesunken sind gegenüber dem Vorjahreszeitraum, kann er diese Entwicklung auf das Gesamtjahr hochrechnen.

Loose sagt: "Gut ist es auch, wenn er aufzeigen kann, dass der Einbruch ein unvorhersehbares Ereignis war und voraussichtlich für den Rest des Jahres anhält." Saisonal bedingte Umsatzrückgänge, wie sie zum Beispiel Firmen aus dem Baugewerbe in den Wintermonaten verzeichnen, wird das Finanzamt nicht akzeptieren.

Besser kommt es an, wenn der Unternehmer noch Zahlen aus den Vorjahren vorlegt, die zeigen, dass er unter einem unerwartet heftigen Einbruch leidet. "Allein das Behaupten von niedrigeren Gewinnen oder gar Verlusten reicht nicht aus", ergänzt Lothar Siemers, Steuerberater bei Pricewaterhouse-Coopers (PwC). "Auch den Hinweis auf die allgemein schlechte Konjunktur wird der Fiskus nicht akzeptieren."

Zahlreiche Anträge laufen ein

Der Antrag sollte in jedem Fall rechtzeitig gestellt werden, sagt Tobias Koch von der Steuerberatungskanzlei Ecovis. "Am besten einige Wochen vor dem nächsten Fälligkeitstermin, schon um Säumniszuschläge zu vermeiden." Fällig werden Vorauszahlungen auf Einkommensteuer einmal im Quartal, und zwar stets zum 10. der Monate März, Juni, September und Dezember.

Derzeit dürften die Finanzämter mit zahlreichen Anträgen auf Herabsetzung der Vorauszahlungen konfrontiert sein, schätzt Lovells-Anwalt Loose. Umso besser ist es, frühzeitig den Antrag zu stellen und die Unterlagen komplett einzureichen. Dann bearbeite das Finanzamt den Antrag in einer angemessenen Frist - "üblicherweise bis zum nächsten Vorauszahlungstermin oder innerhalb von sechs bis acht Wochen", sagt er.

Kommt anschließend ein positiver Bescheid und das Finanzamt senkt die Vorauszahlungen, erhalten die Unternehmer kein Geld zurück. "Bereits geleistete Steuervorauszahlungen werden nicht erstattet und fällige Vorauszahlungen nicht herabgesetzt." Vielmehr reduziert die Verwaltung die noch ausstehenden Vorauszahlungen für den Rest des Jahres.

Der Grundsatz ist: Geld hat man zu haben

Sollte das Finanzamt den Antrag auf Herabsetzung ablehnen, kann der Unternehmer Einspruch einlegen. Sollte auch dieser abgelehnt werden, bleibt noch der Gang zum Finanzgericht. Wichtig ist aber: "Eine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Vorauszahlungen hat der Einspruch nicht", sagt Loose.

Der Unternehmer muss also weiterhin die - aus seiner Sicht zu hohen - Vorauszahlungen leisten. Lediglich eine Stundung des Herabsetzungsbetrags wäre möglich, sagt der Berater - dazu muss das Gericht aber eine einstweilige Anordnung erlassen.

Was passiert aber, wenn dem Unternehmen das Geld für die Steuerzahlungen schlicht fehlt - etwa weil die Kunden ihre Rechnungen unpünktlich zahlen? "Eine Stundung ist sehr viel schwieriger zu erreichen als eine Herabsetzung der Vorauszahlung", sagt zu einem solchen Fall PwC-Experte Siemers. "Es gilt der Grundsatz: Geld hat man zu haben."

Der Steuerpflichtige muss die Hosen runter lassen

Wem es trotzdem fehlt, der muss seine finanzielle Notlage dem Finanzamt darlegen - beispielsweise mit einer detaillierten Vermögensaufstellung. Außerdem bestehen die Beamten oft darauf, dass zunächst Vermögenswerte verkauft oder Kredite aufgenommen werden, bevor sie eine Stundung gewähren.

"Da muss der Steuerpflichtige wirklich die Hosen runterlassen", sagt Ecovis-Berater Koch. Darauf ließen sich die meisten Unternehmer nicht ein "und legen zu wenig Unterlagen vor", ergänzt Siemers.

Und selbst wenn die Aufstellungen eingereicht werden, liegt die Entscheidung immer noch im Ermessen der Finanzbeamten. "Die Verwaltung wird abwägen, wie groß das Interesse des Fiskus an einer vollständigen und gleichmäßigen Steuererhebung ist gegenüber den Interessen des Steuerzahlers an der Stundung", sagt Loose.

Der Staat verfolgt nämlich das Ziel, dass seine Steueransprüche auf keinen Fall gefährdet werden. Lässt sich das Finanzamt auf eine Stundung ein und der Betrieb geht dennoch am Ende pleite, fehlen unter Umständen nämlich auch die gestundeten Steuerzahlungen in der Staatskasse.

Eine Stundung zu erreichen, ist schwierig

Außerdem prüft das Finanzamt, ob der Steuerpflichtige stundungsbedürftig und stundungswürdig ist. Bedürftig ist er, wenn er sich in einer extremen wirtschaftlichen Notsituation befindet - "allein ein rückläufiges Geschäft reicht dafür nicht aus", sagt Loose.

Als vor einigen Jahren zahlreiche BSE-Fälle bei Kühen die Existenz vieler Landwirte bedrohten, ließen sich die Finanzämter auf Stundungsanträge ein, sagt Loose. "Damals war eine solche Notlage für viele Landwirte ganz offensichtlich gegeben."

Um die Stundungswürdigkeit abzuklären, nehmen die Beamten den Unternehmer selbst ins Visier: Hat der Chef die Schieflage nicht vielleicht sogar selbst herbeigeführt - etwa durch Schlamperei oder überhöhte Privatentnahmen?

Und hat er seine Steuern bislang immer pünktlich gezahlt? "Bei höheren Beträgen verlangt das Finanzamt oft auch eine Sicherheitsleistung", so Ecovis-Experte Koch. "Wer aber wirklich klamm ist, der hat oft auch nichts mehr zu verpfänden." Alle Experten sind sich aber einig: Eine Stundung zu erreichen, ist sehr schwierig.

Immerhin: In manchen Fällen ließen sich die Beamten doch überzeugen, berichtet Steuerberaterin Mischke aus Hannover. In diesen Fällen allerdings musste sie jeweils mit ihrem Mandanten im Amt zu einer Sprechstunde erscheinen. "Erst wenn die Finanzbeamten sehen, dass da ein Mensch und seine Existenz betroffen sind, lassen sie sich erweichen."

© SZ vom 17.09.2009/afi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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