Konjunkturpaket II:Schlecht Wetter überm Bau

Lesezeit: 5 min

Auf der einen Seite wird gebaut und profitiert. Auf der anderen geschimpft und eingestellt. Doch was nützt das Konjunkturpaket dem Bau wirklich?

Laura Gitschier

Ein erstes Opfer gab es im Spätsommer in Berlin im vergangenen Jahr. Das Luxuswohnungsbauprojekt "Fehrbelliner Höfe" - Preis rund 250 Millionen Euro - wurde vom Investor Orco Germany gestoppt. Der Grund: die US-Immobilienkrise. Und das war nur der Anfang. In den vergangenen Monaten verzögerten sich in der Hauptstadt wegen der Krise unzählige Projekte - unter anderem das "Pergamon-Palais", eine teure Bürogebäudeanlage und der "Monroe-Park", ein exklusives Wohnviertel, bei der ausgerechnet die Pleite-Bank Lehman Brothers beteiligt war.

Berlin ist kein Einzelfall. Auch in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart gefährdet die Finanzkrise Bauprojekte en masse. So wurde vor kurzem der sogenannte Kulturmeilentunnel, der um die 80 Millionen kosten sollte, vom Stuttgarter Stadtparlament gekippt. Grund: die Krise. Gestoppt wurden außerdem die Sanierung eines Leichtathletik-Stadions und der Neubau eines Bürgerzentrums für 13 Millionen Euro.

Damm gegen die Krise

Um den Folgen der Finanzkrise entgegenzuwirken, wurde mit den beiden Konjunkturprogrammen ein Damm gebaut: Zwei von der Bundesregierung geschnürte Konjunkturpakete sollen möglichst viele Jobs retten und der kränkelnden Wirtschaft auf die Beine helfen. An manchen Stellen scheint das zu funktionieren, paradoxerweise hilft ausgerechnet die Finanzkrise einigen Projekten ins Leben. Allein die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf profitiert von 50,5 Millionen Euro aus dem Topf des Konjunkturpaketes II, mit dem Geld saniert sie Schulen sowie Kitas und investiert in Infrastruktur - Pläne, die durch das Konjunkturpaket deutlich beschleunigt wurden.

Wie man schnell und hilfreich vom Konjunkturpaket II profitieren kann, zeigt auch Hamburg. Die Hansestadt zählt zu den großen Abnehmern des Konjunkturpaktes. Die Sanierung eines Hafenbahn-Abschnitts für 980.000 Euro war eines der ersten umgesetzten Projekte aus dem Konjunkturpaket in ganz Deutschland überhaupt, so ein Sprecher der Hamburger Wirtschaftsbehörde.

Das Konjunkturpaket II soll vor allem das Handwerk und die Bauwirtschaft stützen. Dass die Branche das dringend nötig hat, belegen die Zahlen. Der Umsatz des Baugewerbes ging im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr um 8,3 Prozent zurück. Das hat der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) ermittelt. Vor allem im Bereich des Wohnungsbaus gab es einen massiven Einbruch: Die Umsätze brachen um knapp 16 Prozent ein. Auch der Wirtschaftsbau hat Federn lassen müssen - er verlor neun Prozent.

Keine Branche würde eine solche Zahl einfach so wegstecken, vor allem die krisenanfällige Bauwirtschaft nicht. Auch an den Aufträgen ist sichtbar: Die Zeiten sind hart. Um knapp zwölf Prozent kumulativ sind die Aufträge zurückgegangen. Eine Sprecherin des ZDB erklärt das so: "Zwar wurden bestehende Aufträge nur in Einzelfällen storniert, aber viele Baugenehmigungen sind liegengeblieben und wurden einfach nicht in die Tat umgesetzt."

Die Bauwirtschaft ist traditionell sehr personalintensiv, und hohe Personalkosten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten führen schnell zum Abbau von Arbeitsplätzen: 2,3 Prozent weniger Arbeitsplätze hat der ZDB registriert. Währenddessen gute Nachrichten wenigstens beim öffentlichen Bau, also den Aufträgen von Bund, Ländern und Gemeinden. Nach den Wintermonaten wurden hier im März und April nahezu schon wieder die Vorjahreswerte erreicht.

Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe ist sich sicher, dass diese Umsatzentwicklung zum Teil auch auf die Konjunkturpakete und die damit verbundenen Direktinvestionen des Geldes zurückzuführen sind. Aber, so eine Sprecherin: "Die Auswirkungen der Krise dominieren ganz klar. Die Konjunkturpakte machen das nicht wieder wett, tragen höchstens zur Schadensbegrenzung bei."

Inwiefern die Konjunkturpakete also wirklich in großem Ausmaß helfen, die Folgen der Krise einzudämmen, darüber sind sich Politik und Wirtschaft nicht ganz einig. Ein positiver Grundtenor gegenüber den Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket II lässt sich aber erkennen. Der deutsche Städtetag ist sich sicher, dass das Konjunkturpaket wirkt. Handwerkerfirmen und mittelständische Unternehmen hätten schon vielerorts Aufträge erhalten, die helfen würden, Arbeitsplätze in der Krise zu sichern. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Städtetag sagt: "Das Konjunkturpaket ist eine gute Sache und kam zur rechten Zeit. Es kann zwar den starken Rückgang der Steuereinnahmen nicht kompensieren, aber mildert es spürbar ab."

Kritik an den Kommunen

Der ZDB hingegen relativiert: "Das Konjunkturpaket ist bei unseren Mitgliedern bisher noch nicht in größerem Umfang angekommen. Nur ein kleiner Teil - und zwar der des Tiefbaus - profitiert derzeit davon." Kritik übt der Verband vor allem an den Profiteuren, den Kommunen, selbst: "Wir hatten damit gerechnet, dass viel mehr Schubladenprojekte in den einzelnen Kommunen vorliegen würden", so eine Sprecherin.

Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler und Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW) Rudolf Hickel steht dem Konjunkturpaket in weiten Teilen ebenfalls positiv gegenüber. Er ist sich sicher: "Hätte es die Konjunkturprogramme für die Bauwirtschaft nicht gegeben, dann wäre die Branche wirklich tief abgestürzt." Er merkt aber auch an, dass die Konjunkturpakete zwar in die richtige Richtung gegangen, letztlich aber zu spät gestartet wären.

Und die Politik, quasi die Geschenkgeber? Sie sieht - nicht verwunderlich - ihre eigenen Maßnahmen in einem besonders positiven Licht: 20.000 Projekte wurden bisher von Ländern und Kommunen angeschoben, berichtet das Bundesfinanzministerium. Die Hälfte der Fördermittel aus dem Bund seien bereits von Ländern und Kommunen beantragt worden. Das Ministerium wertet das als Erfolg.

Doch die Lage in Deutschland ist so klar nicht. Wie hoch sind die Investitionen? Aus einem Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsauschuss des Deutschen Bundestages geht hervor, dass die Länder bislang nur 95 Millionen Euro von den bereitstehenden zehn Milliarden in Anspruch genommen hätten.

"Abgerechnet wird zum Schluss", sagt ein Sprecher des Finanzministeriums. Und die Diskrepanz zwischen den Zahlen? Das alleinige Abrufen der Mittel habe noch keine Aussagekraft und ein Vergleich sei erst möglich, wenn alle Rechnungen vorliegen würden, erklärt der Sprecher im Einklang mit den Ländern.

Optimistischer Blick in die Zukunft

Die meisten Brancheninsider blicken trotz schwieriger Zeiten optimistisch in die Zukunft der Bauwirtschaft: So ist der Deutsche Städtetag überzeugt davon, dass die Investitionen im zweiten Halbjahr "auf breiter Front greifen werden". Der ZDB rechnet damit, dass es gegen Ende des Jahres aufwärts gehen wird. 2010 werde es einen weiteren Schub geben - dann soll öffentlich mehr gebaut werden.

Hochtief, das größte Bauunternehmen in Deutschland, glaubt ebenfalls, dass die beiden Konjunkturpakete im vierten Quartal 2009 und Anfang 2010 wirken werden. Für Hochtief selbst erwartet der Konzern erst im nächsten Jahr eine Wirkung der Pakete. "Aus der Krise kommen Staat und Wirtschaft am besten gemeinsam raus", sagt Hochtief-Vorstandsvorsitzender Herbert Lütkestratkötter und verweist auf sogenannte Public-Private-Partnership-Projekte (PPP), Kooperationen zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, die die Wirkung der Konjunkturpakete in der Fläche beschleunigen könnten.

Das Konjunkturpaket werde ganz sicherlich zu einer Belebung der Bauwirtschaft führen, ist Ökonom Hickel überzeugt, warnt aber gleichzeitig vor zu viel Optimismus: "Von der klinischen Belebung der Bauwirtschaft durch Staatsprogramme hin zu einem sich selbständig tragenden Aufschwung in der Bauwirtschaft ist es ein weiter Weg."

_____________________________________________

Konjunkturpaket II

Das Konjunkturpaket II, das Anfang des Jahres beschlossen wurde, ist in seiner Dimension von 50 Milliarden Euro einmalig. Ein wichtiger Schwerpunkte des Paketes liegt - neben den steuerlichen Entlastungen für private Haushalte - auf Investitionen in Bildung und Infrastruktur. 14 Millionen Euro stellt der Bund für sogenannte Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand zur Verfügung: Damit werden kommunale Investitionen (zehn Milliarden Euro) und Bundesinvestitionen (vier Milliarden Euro) gefördert. Die Länder selbst steuern 3,3 Milliarden bei. Die Finanzierung des Konjunkturpaketes geht mit einer höheren Neuverschuldung einher und wird zum Teil über einen Nachtragshaushalt abgedeckt. Daneben gibt es für den Investitionsfonds einen gesetzlichen Tilgungsplan.

© sueddeutsche.de/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: