Griechenland und die Bundesregierung:Die Zocker in Berlin

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Mit ihrem Kurs in Sachen Griechenland richtet die Bundesregierung viel Unheil an. Sie hat die Märkte in Aufruhr versetzt und die Krise beschleunigt. Schwarz-Gelb zockt, und zwar schlecht. Dabei verspielen die politischen Nachkommen von Helmut Kohl dessen europäisches Erbe.

Marc Beise

Lasst die Griechen ihre Probleme alleine lösen, unser Geld sollen sie nicht bekommen. So denken die Deutschen wohl mehrheitlich. Darauf weisen erste Umfragen hin, und die Politiker ahnten es schon vorher. Man muss dies wissen, wenn man das rätselhafte Geeiere der Bundesregierung verstehen will. Noch am Wochenende stellte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Milliardenhilfe in Frage, Kanzlerin Angela Merkel spielte auf Zeit und Außenminister Guido Westerwelle polemisierte beim FDP-Parteitag in Köln. Und das, obwohl doch alle drei längst Hilfsmaßnahmen auf EU-Ebene mitbeschlossen hatten. Und damit alles nicht zu übersichtlich wird, gilt seit Mittwoch wieder der Satz: Ja, doch, wir helfen.

Die Regierung Merkel reagiert, laviert, korrigiert. (Foto: Foto: dpa)

Hinter diesem Zickzackkurs steckt eine große Angst: Der "Boulevard", wie es in Berlin heißt, könne sich des Themas bemächtigen. Schon beginnt ja das Trommelfeuer, von Bild ("Griechen wollen unser Geld") bis zu konservativen Blättern, die mindestens den vergifteten Rat an die Griechen im Köcher haben, doch mal über den Austritt aus der Währungsunion nachzudenken. Und die Regierung Merkel? Sie reagiert, laviert, korrigiert.

Die schwarz-gelbe Bundeskoalition kennt nur noch ein Ziel: einigermaßen unbeschadet über den Wahltag in Nordrhein-Westfalen zu kommen. Was schon bei der Steuerdiskussion unerträglich ist, wo konkret durchgerechnete Konzepte bis nach der Wahl warten müssen, wird im Fall Griechenland gemeingefährlich. Das EU-Land steht am Abgrund, und leider nehmen die weltweiten Finanzmärkte keine Rücksicht auf Termine in der deutschen Provinz.

Mit ihrem Kurs richtet die Bundesregierung viel Unheil an. Sie hat die Märkte in Aufruhr versetzt und die Krise beschleunigt. Stück für Stück rutscht Griechenland näher an den Abgrund. Obendrein gerät die Bundesrepublik außenpolitisch immer mehr unter Druck. Schon wird wieder der hässliche Deutsche sichtbar, an dessen Wesen die Welt genesen soll. Es kann notwendig sein, ein solches Image in Kauf zu nehmen und sich unbeliebt zu machen - wenn es dafür ehrenwerte Gründe gibt. Im konkreten Fall gibt es diese Gründe nicht.

Wenn Griechenland zahlungsunfähig wird, dann geraten nicht nur deutsche Banken in Gefahr, die in Griechenland 45 Milliarden Euro und womöglich mehr im Feuer haben. Dann könnte auch eine Kettenreaktion beginnen, die mit chaotischen Zuständen in Griechenland beginnt, sich über ähnliche Desaster in Portugal und Spanien fortsetzt und am Ende die ganze Währungsunion zertrümmert.

Ausgerechnet Deutschland kann sich diese Konsequenzen nicht leisten. Politisch nicht, denn die Aufbauarbeit von Jahrzehnten wäre dahin. Wirtschaftlich nicht, denn das rohstoffarme und exportstarke Deutschland ist auf offene Märkte, internationale Regeln und Währungsverbünde angewiesen. Eine neue Ära des Nationalstaates hielte die deutsche Wirtschaft nicht durch. Umgekehrt könnte Deutschland, wenn alles gut geht, an der Rettung Griechenlands sogar verdienen - denn das Geld wird ja gegen guten Zins verliehen, nicht verschenkt.

All das weiß die Kanzlerin, weiß ihr Finanzminister und der Außenminister. Genau deshalb ja haben sie in Brüssel längst darin eingewilligt, auf das griechische Hilfsbegehren hin sich mit zunächst acht Milliarden Euro am Rettungspaket zu beteiligen. Sie hatten sogar ein Hauruckverfahren vorbereitet, um die vereinbarten Milliarden bei Bedarf rasch durchs Gesetzgebungsverfahren zu bringen. Der Widerstand in der Unionsfraktion, die dieses Schnellverfahren vereitelte, schreckte die Krisenakteure auf: Ziehen womöglich nicht mal die eigenen Leute mit? Und schon fingen sie an zu wackeln.

Die Regierung zockt, in einer Mischung aus Furcht und Selbstbewusstsein. Sie zockt um die Macht in Nordrhein-Westfalen, um die Höhe der Hilfszahlungen, um die Konditionen. Aber sie zockt schlecht. Einmal schon lag sie daneben: Als sie im Februar den Vorstoß des Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann abblockte, eine Bankenlösung unter Einbeziehung der staatlichen KfW-Bank zu organisieren. Damals wäre ein vorläufiger Frieden an den Märkten noch billiger zu haben gewesen.

Das alles heißt ja nicht, dass man das Geld unbesehen genehmigen soll, ganz und gar nicht. Aber Griechenland zieht ja schon beinharte Sparpakete durch, und es wird zu weiteren Auflagen kommen; das ist richtigerweise der Preis der Rettung. Die Maßnahmen können dann auch das Fundament sein, von dem aus die Gesundung der Finanzwelt insgesamt gelingt. Heute mehr denn je gilt, dass immer auch die Alternativen zu bedenken sind. Ja, es ist nicht schön, was Griechenland der Welt abverlangt. Ja, es ist nicht schön, schon wieder Banken retten zu müssen. Man muss das alles nicht mögen - aber doch die Alternative bedenken, die "Chaos" lauten könnte.

Den komplizierten Rettungsprozess durchaus kritisch mitzugestalten wäre einer der wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt angemessen. Dafür aber muss man glaubwürdig sein; so glaubwürdig, wie es der alte Europäer Helmut Kohl einmal war. Seine Nachkommen sind dabei, dieses Erbe zu verspielen.

© SZ vom 29.4.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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