Finanzminister Schäuble:Geht nicht, gibt's nicht

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Der Ärger über Wolfgang Schäuble (CDU) wird immer größer, vor allem unter FDP-Mitgliedern. Denn er erklärt lediglich, was nicht geht - anstatt zu handeln.

Claus Hulverscheidt

Sein erstes Jahr als oberster Steuerreformer des Landes hat Wolfgang Schäuble vor allem damit zugebracht, den Bürgern zu erklären, was alles nicht geht: Steuersenkungen vergrößern demnach das Haushaltsloch, Steuervereinfachung ist zu teuer, gegen die Abschaffung der Gewerbesteuer rebellieren die Kommunen, und mit einer Beseitigung der ebenso zahlreichen wie wirren Mehrwertsteuer-Ausnahmen würden zu viele Interessengruppen vor den Kopf gestoßen.

Finanzminister Wolfgang Schäuble eckt mit seiner abwehrenden Haltung in Steuerfragen an. (Foto: REUTERS)

So berechtigt diese Einwände auch sind, so verständlich ist doch zugleich der Ärger über Schäuble, der sich vor allem bei Bürgern mit FDP-Parteibuch aufgestaut hat. Sie fragen nicht nur, ob der Koalitionsvertrag, von dem ihr großer Vorsitzender Guido Westerwelle und auch Schäuble stets sprechen, eigentlich derselbe ist. Sie eint darüber hinaus die Erwartung, dass ein Bundesfinanzminister mehr zur Willensbildung beitragen sollte, als immer nur nein zu sagen.

Schäuble ist diesem Anspruch zumindest in der Steuerpolitik bislang zu keinem Zeitpunkt gerecht geworden - was die FDP-Führung nun nicht länger hinnehmen mag und deshalb beim Treffen der Koalitionsspitzen am Donnerstagabend im Kanzleramt zur Sprache bringen wollte. Da halfen auch nicht die Kompromiss-Signale nach dem Motto "Ein wenig Gewerbesteuerabschaffung hier, ein bisschen Mehrwertsteuerreform dort", die Schäuble in weiser Voraussicht unmittelbar vor Beginn der Koalitionsrunde hatte aussenden lassen. Die Liberalen pochen vielmehr auf ein Reformkonzept, das diesen Namen verdient.

Ein solch umfassendes Paket aus Steuervereinfachungen, Steuerentlastungen, kommunalen Finanzhilfen und der Kappung von Mehrwertsteuer-Ausnahmen ließe sich durchaus schnüren. Dazu müsste allerdings nicht nur Schäuble, sondern auch Westerwelle bereit sein, Dogmen über Bord zu werfen. Gäbe die Koalition etwa ihre ebenso unpolitische wie undifferenzierte Keine-Steuererhöhungen-Doktrin auf, könnte sie den Spitzensteuersatz auf 48 Prozent anheben, eine Finanztransaktionsteuer einführen und alle Mehrwertsteuerprivilegien mit Ausnahme jener für Lebensmittel und Kulturgüter streichen. Alles in allem kämen so zehn bis 15 Milliarden Euro zusammen - Geld, das in Form von Steuersenkungen und -vereinfachungen an die Mittelschicht und den Mittelstand zurückfließen sowie zur Stärkung der Gemeindefinanzen ausgegeben werden könnte.

Für den Staat wäre die gesamte Reform ein Nullsummenspiel. Der einfache Bürger aber hätte mehr Bares in der Tasche, das er in die Geschäfte tragen könnte. Das würde nicht nur den Wirtschaftsaufschwung stabilisieren, sondern auch die darbende Koalition: Sie könnte die soziale Schieflage ihres Sparpaket beseitigen, zugleich Handlungsfähigkeit demonstrieren und damit ihr ramponiertes Image zumindest ein wenig aufzupolieren. Für all das bräuchte es allerdings jemanden, der zeigt, dass es geht. Zum Beispiel den Bundesfinanzminister.

© SZ vom 19.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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