Edzard Reuter:Ehemaliger Daimler-Chef: "Es wird knallen, wenn wir nicht endlich aufwachen!"

Edzard Reuter wird 85

Edzard Reuter wollte aus Daimler einen riesigen Technologiekonzern machen. Seine Nachfolger machten viele Entscheidungen rückgängig.

(Foto: picture alliance / dpa)

Edzard Reuter stand von 1987 bis 1995 an der Spitze des Stuttgarter Autokonzerns. Nun, mit 89 Jahren, übt er scharfe Kritik an der Ungerechtigkeit im Land.

Von Max Hägler und Stefan Mayr

Wer von Süden aus nach Stuttgart einfährt, der passiert auf der Schnellstraße einige Hügel und Täler. Zur Rechten ist dann einmal ein Türmchen zu erspähen, mit einem Mercedes-Stern obendrauf. Wie eine Burg sieht das Gebäude mit der Fassade aus glattem Stein aus. Hier, in Stuttgart-Möhringen, sollten einmal die hohen Herren residieren. Die Könige der deutschen Industrie, wenn man so will: Der damalige Daimler-Chef Edzard Reuter wollte hier das Hauptquartier seines Konzerns ansiedeln - als Ausdruck eines sich verändernden Unternehmens, das viel mehr kann als Autos bauen. Nämlich auch Flugzeuge, Raketen und so was.

Reuter hatte damals eine große Vision für Daimler. Der Plan des Mannes, der den Konzern von 1987 bis 1995 regierte, ging allerdings nicht auf. Reuter kaufte zwar diverse Unternehmen ein, um aus dem Stuttgarter Unternehmen einen großen Technologiekonzern zu machen. Doch seine Nachfolger machten die Entscheidungen schnell wieder rückgängig. Fest steht: Reuter hat viel in Bewegung gebracht während seiner Amtszeit in Stuttgart. Und noch heute, mit 89 Jahren, will er etwas bewegen.

Der Wohlstand sei nicht für alle dauerhaft gesichert

Wenige Kilometer von der Burg entfernt wohnt er mit seiner Frau, in einer kleinen, ruhigen Straße. Immer noch steht jedes Jahr ein neuer Mercedes-Dienstwagen in der Garage, aber "kein ganz großer Schlitten", wie er es ausdrückt. Schließlich gehe er auf die 90 zu. Da zieme sich sowas nicht mehr. Wobei das mit dem Maßhalten nicht nur eine Altersfrage ist bei Reuter. Er, seit Jahren Mitglied der SPD, hat stets über Moral philosophiert, auch als aktiver Manager. Und das Thema beschäftigt ihn auch heute noch, zumal die Probleme immer drängender würden, wie er sagt: "Immer mehr Menschen mit Zeitarbeitsverträgen stehen Managern gegenüber, die Bezüge im zweistelligen Millionenbereich bekommen", sagt Reuter. Es werde leider "knallen, wenn wir nicht endlich aufwachen".

Die Gier, die nach Ansicht Reuters auch zum Diesel-Skandal geführt habe, treibe die Menschen auseinander, in einer Zeit, in der der Arbeitsmarkt durch die Digitalisierung ohnehin schon eine weltweite Revolution erlebe. Reuter wird energisch, wenn es um soziale Fragen geht. Der Wohlstand sei nicht für alle dauerhaft gesichert, warnt er: "Umso mehr müssen wir nachsteuern, wenn wir nicht wollen, dass es auch hier in Europa bald selbstverständlich wird, dass wie in den USA unter der Brücke arme Schlucker hausen und oben Millionäre drüberflanieren."

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