Anleger suchen verstärkt Sicherheit:Das Wort "Rendite" ist out

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Weil Anleger sich um ihr Geld sorgen, stellen Vermögensberater einen Wertewandel fest: Früher wollten Reiche möglichst viel Gewinn, heute geht es oft nur noch darum, das Kapital zu erhalten. Doch Privatbankiers warnen.

Harald Freiberger, Frankfurt

Die Welt der Vermögensberatung hat sich grundlegend gewandelt. "Viele Anleger suchen heute in erster Linie Sicherheit und Substanzerhalt für ihr Vermögen", berichtete am Montag Michael Schramm, der Chef der Privatbank Hauck & Aufhäuser. Dort, wo es vor Jahren noch vor allem um den richtigen Aktientipp und um die Mehrung der Rendite gegangen sei, dominiere heute das Thema Risikoverringerung.

Andere Privatbankiers, die das Geld der Reichen und sehr Reichen verwalten, erzählen ähnliches. "Die Welt hat sich im Vergleich zu den Jahren vor 2007 total verändert", sagt Olaf Huth von der Privatbank HSBC Trinkaus & Burkhardt. "Bis dahin waren Staatsanleihen und Bankprodukte Basisanlagen, mit denen man eine Rendite von vier bis sieben Prozent erreichte. Die mit Aktien zu erzielenden Renditen waren die Sahne auf dem Kuchen." Heute sei diese Basisrendite wegen der Niedrigzinspolitik der Notenbank nicht mehr zu erzielen - und zudem seien die Anlagen nicht mehr sicher.

Der Erhalt des Kapitals steht für Vermögende im Mittelpunkt. "Hauptsache nichts von der Substanz verlieren - so defätistisch sind die Kunden schon", sagt Huth. Im Kundengespräch merke man den Wertewandel auch an den Fragen, die gestellt werden. Früher hieß es: "Welche Rendite denken Sie mit den vorgeschlagenen Produkten zu erwirtschaften?" Heute fragten die Kunden: "Welches Verlustrisiko sehen Sie bei den vorgeschlagenen Produkten."

"Der Erhalt des Vermögens ist das Thema in der Beratung der letzten Jahre", sagt auch Thilo Wendenburg, Chef der Fürstlich Castell'schen Bank. Allen Anlegern sei in der Finanz- und Schuldenkrise bewusst geworden, dass es nicht mehr so sehr darum gehe, Gewinne zu maximieren.

Der beste Schutz vor Verlusten ist für Wendenburg ein breit diversifiziertes Portfolio. Viele Anleger äußerten derzeit den Wunsch, ihr ganzes Geld aus Anleihen oder Aktien in eine einzige Immobilie umzuschichten. Für ihn ein Fehler: Das Geld dürfe nicht zu einseitig investiert sein, auch nicht innerhalb der einzelnen Anlageklassen. "Also nicht von den 500.000 Euro, die man in Sachwerte anlegen will, 400.000 Euro allein in eine Wohnung investieren, weil sonst wieder ein Klumpenrisiko besteht", sagt Wendenburg. Seine Bank empfehle zum Beispiel auch Beteiligungen an erneuerbaren Energien oder an Pflegeheimen, das seien Zukunftsthemen.

In manchen Regionen sei die Gefahr einer Immobilienblase bereits groß. "Wir raten lieber zu kleineren Einheiten, also eher zu einer Zwei-Zimmer-Wohnung statt eines ganzen Hauses", sagt der Privatbankier. Zusätzlicher Anlagedruck im Immobilienbereich entstehe dadurch, dass viele offene Immobilienfonds aufgelöst würden. Die Anleger wollten dieses Kapital wieder in Immobilien investieren, was die Preise weiter treibe.

Wendenburg macht eine Rechnung auf: "Mit einer zehnjährigen Bundesanleihe, die 1,2 Prozent Zinsen bringt, hat man nach Abzug von Inflation, Steuern und Gebühren eine Minus-Rendite von 1,3 Prozent, also einen Kaufkraftverlust." Viele Vermögende nähmen das trotzdem in Kauf, weil ihnen die Sicherheit so wichtig sei. Die Kunden der Castell'schen Bank gäben sich heute meist mit einer Rendite von drei Prozent nach Kosten zufrieden. Vor einigen Jahren sei das undenkbar gewesen.

Hauck-Aufhäuser-Chef Schramm sieht den Kapitalmarkt "schon mittendrin in einer gigantischen Vermögensinflation". Die Netto-Rendite von Bundesanleihen sei negativ, wer in sie investiere, verliere Vermögen. Mit Wohnimmobilien, zum Beispiel in Frankfurt, ließen sich dagegen ansehnliche Mietrenditen erzielen. Diese Konstellation sorge dafür, dass es schon jetzt einen großen Umschichtungsbedarf gebe. Immobilien hätten deshalb eine deutlich größere Bedeutung als noch vor einigen Jahren.

"Die Fragen nach Wald, Wiesen und Wohnungen haben stark zugenommen", sagt Huth von HSBC Trinkaus. Eine gute Immobilie ist für ihn weiter Teil eines ausgewogenen Portfolios für ein großes Vermögen. Aber: "Es gilt auch dabei vorsichtig zu sein und zum Beispiel zu prüfen, ob sich die Mieteinnahmen langfristig erzielen lassen und das Objekt seinen Wert hält." Bei vielen Vermögenden seien Immobilien eher überrepräsentiert, sie besäßen zum Beispiel Mietshäuser, die mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens ausmachten; das sei zu viel.

Wie sich die Welt der Privatbanken verändert hat, sieht man auch an ihrer Werbung: Früher stand die Botschaft "Wir bringen Ihnen zusätzliche Rendite" im Mittelpunkt. Heute ist Sicherheit das überragende Thema. Das Wort "Rendite" ist kaum mehr zu finden.

© SZ vom 05.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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