Abgeltungsteuer:Guten Tag, wie lege ich 20.000 Euro an?

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Was Finanzberater einem unwissenden Kunden raten, wie er noch eben schnell der Abgeltungsteuer entkommt. Ein Selbstversuch.

A. Mühlauer

Montagmorgen, wieder so ein Tag, an dem man besser daheim geblieben wäre. Es ist kalt, draußen auf der Straße trübt feuchter Nebel den Blick; dabei wäre es in diesen turbulenten Zeiten gut, einmal wieder klar zu sehen. Ich stelle mir vor, wie das war, damals, vor der Krise, als Bankkonten noch ein Ort der Sicherheit waren. Als staatliche Hilfspakete noch für Darfur und nicht für Banken bestimmt waren. Als Massenvernichtungswaffen zwar im Krieg, aber nicht im Kreditwesen eingesetzt wurden. Man mag es kaum glauben, aber es gab Zeiten, da war es eine Freude, zur Bank zu gehen. Die Vermögensberater waren gut drauf, die Weltbörsen auch.

Will ein Kunde sein Geld gut anlegen, sollte er sich umfassend informieren. (Foto: Foto: dpa)

Ob es noch mal so sein wird? Ganz ehrlich, am liebsten würde ich jetzt abwarten, mein Geld parken. Auf einem Tagesgeldkonto zum Beispiel. Fünf Prozent Zinsen - alles schön, alles gut. Aber ausgerechnet zum Jahreswechsel kommt sie, diese Abgeltungsteuer. Abgeltung - was soll das überhaupt heißen? Im Duden steht: "Abgeltung (österr., schweiz. auch für Vergütung)". Soso, Österreicher und Schweizer verbinden mit diesem Wort etwas Positives: die Vergütung einer Leistung. Hierzulande verheißt das A-Wort nichts Gutes: Ab nächstem Jahr kassieren die Finanzämter ein Viertel aller Kapitalerträge - stärker werden Anleger nirgends in Europa belastet.

"Frischer Wind für die Geldanlage"

Grund genug, mal wieder zur Bank zu gehen und sich beraten zu lassen. Also habe ich mich als unwissender Kunde ausgegeben und mit drei Anlageprofis (ja, so nennen die sich immer noch) über Geld gesprochen. Die Damen und Herren der Deutschen Bank, der Commerzbank und der Münchner Stadtsparkasse nahmen sich etwa eine Stunde Zeit, um mich, ihren Kunden in spe, kennenzulernen: mein Alter, meinen Familienstand, mein Einkommen, meine Einnahmen, meine Ausgaben - und vor allem: meine Zukunftspläne, meine Bereitschaft zum Risiko, meine Erfahrungen in Sachen Geldanlage. Am Ende bekam ich - außer bei der Commerzbank - eine dicke Mappe mit; so dass ich zu Hause noch weiß, was sie mir alles raten und wie viel man dafür zahlen muss.

Alle drei Anlageberater begrüßte ich mit derselben Frage: "Guten Tag, ich möchte gerne 20.000 Euro anlegen. In den nächsten 20 Jahren brauche ich das Geld wohl nicht. Was können Sie mir empfehlen?" Zugegeben, dass mit den 20.000 Euro ist geflunkert, aber der Kunde will ja schließlich interessant sein, für die Banken.

Wie auch immer, jetzt soll es um "Premium-Strategien", "Performance-Depots" und "frischen Wind für die Geldanlage" gehen. Ja, so sprechen Finanzberater auch in Krisenzeiten. Der Herr von der Deutschen Bank sagt gleich am Anfang etwas überraschend Kluges: "Warten Sie ruhig ab, Sie haben noch bis 31. Dezember Zeit." Das hätte er nicht sagen müssen, verschiebt er damit doch die Entscheidung des potentiellen Kunden, das Geld bei der Deutschen Bank anzulegen. Ein erster Pluspunkt.

Nachdem er eine halbe Stunde lang meine Risikobereitschaft erfragt hat, schlägt er das "Ideal-Portfolio Wachstum" vor: Mein Geld soll ich zu 65 Prozent in Aktienfonds stecken, den Rest in Immobilien- und Rentenfonds. Insgesamt empfiehlt er sechs Fonds, davon sind fünf von der hauseigenen Gesellschaft DWS, einer von Franklin. Immerhin: nicht nur Deutsche-Bank-Produkte. Der durchschnittliche Ausgabeaufschlag liegt bei hohen 4,4 Prozent. Die Wertentwicklung der Fonds stellt er mit Hilfe von Kurskurven dar, allerdings ohne die Kosten zu berücksichtigen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso es günstig ist, Geld direkt in Aktien anzulegen.

"Wir sind überall"

Ansonsten hat man bei der Deutschen Bank das Gefühl, bei Profis gelandet zu sein. Der Berater erzählt von "riesigen Research-Abteilungen in Frankfurt, London und New York" - kurzum: "Wir sind überall." Was er nicht sagt, ist, dass selbst diese Analysten wie die Investmentbanker ihre teils eigenen Handlungen und Verfahren nicht verstehen und nie verstanden haben. Wie sollte es da einem Vermögensberater, gar einem Privatanleger anders ergehen?

Es scheint, als hätten die Anlageberater doch etwas aus der Finanzkrise gelernt. Nicht nur bei der Deutschen Bank argumentieren die Banker realitätsnäher. Sie nehmen die Sorgen der Kunden ernst, und verkaufen ihnen nicht irgendwelche "Finanzinnovationen", die sie selbst nicht kapieren. Bei der Deutschen Bank und der Sparkasse wurde mir kein einziges Zertifikat empfohlen. Und von teuren Dachfonds, die, so hieß es ja immer, besonders "abgeltungsteuerresistent" seien, war keine Rede mehr - außer bei der Commerzbank. Die Dame der Münchner Stadtsparkasse muss man sogar loben. Wer hätte gedacht, dass die Sparkasse eine Direktanlage in Aktien empfiehlt? Ich jedenfalls nicht. Klar, um die hauseigenen Deka-Fonds kommt auch sie nicht herum.

"Gegessen wird immer"

Aber, die Beraterin sagt nicht zu Unrecht: "Gegessen wird immer. Und Energie brauchen wir auch." Ihr Aktien-Vorschlag also: Nestlé, General Electric und Eon. Dazu noch Beiersdorf ("Auch wenn es kriselt, die Leute wollen gut aussehen") und die Aktie von LVMH (das ist die Abkürzung des französischen Luxusgüterkonzerns Louis Vuitton Moët Hennessy. Begründung: "Reiche Leute wird es immer geben.")

Einmal davon abgesehen, dass sie nicht die aktuellen Aktienkurse präsentierte (der von Nestlé war vom 11. August 2008), ist das nicht die schlechteste Wahl. Das Beste daran: Wer sein Geld direkt in Aktien anlegt, spart sich teure Management-Gebühren, die bei Fonds anfallen. Allerdings ist das Risiko eines möglichen Verlustes um ein Vielfaches höher. Von einem Investment rät die Sparkasse, anders als die Deutsche Bank, zurzeit ab: Immobilienfonds, nein danke.

Ziemlich einfach macht es sich die Commerzbank: Die Bankerin verweist mit geschulter Marketing-Telefonstimme auf das Internet-Portal - da solle man sich erstmal schlaumachen, was man will. Also gucke ich ins Internet, auf commerzbanking.de, und klicke auf "Abgeltungsteuer-Check". Dort bekommt der Kunde dann zwei Produkte präsentiert: das "Premium Management" und die "Allstars-Anlage".

Hinter den großspurigen Namen verbergen sich Dachfonds. Das "Premium-Produkt" kostet drei Prozent Ausgabeaufschlag und jährlich 2,1 Prozent Verwaltungsgebühren, die die Commerzbank als Provision einstreicht. Das ist noch nicht alles: Die Kosten der Fonds und Zertifikate, die im Dachfonds stecken, werden nicht gesondert ausgewiesen. Ein wenig günstiger ist die Fondsverwaltung "Allstars". Aber das macht die Anlage auch nicht besser. Hier verdient vor allem das Geldinstitut. Würden die Commerzbank-Berater am Anlage-Erfolg der Kunden beteiligt statt an den Gebühren, sähen die Empfehlungen vermutlich anders aus.

Am Ende des Selbstversuchs steht fest: Zumindest meine Beraterin von der Sparkasse hat aus der Krise gelernt und verkauft nicht nur das, was ihr hohe Provisionen bringt. Man kann sagen: Die Krise hat auch ihr Gutes. Und das ist ja schon mal was.

© SZ vom 08.11.2008/ld/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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