Gerichtsurteil:Atommülllager in Gundremmingen: Genehmigung nicht entzogen

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Auf dem Gelände des früheren Kernkraftwerks steht eine Halle, in der Atommüll gelagert ist. (Foto: Stefan Puchner/dpa/Archivbild)

Bis mindestens 2046 soll bei den früheren Kernkraftwerken Atommüll gelagert werden - wenigstens. Die obersten bayerischen Verwaltungsrichter sehen dabei weiterhin keine Sicherheitsprobleme.

Von Ulf Vogler, dpa

München/Gundremmingen (dpa) - Die Genehmigung für das Atommüll-Zwischenlager im schwäbischen Gundremmingen wird nicht aufgehoben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München hat erneut eine entsprechende Klage von Nachbarn der Atomanlage abgewiesen (Az. 22 A 17.40026).

Die vor mehr als 20 Jahren erteilte Genehmigung für das Lager für verbrauchte Brennelemente bleibt damit weiterhin in Kraft, teilte der VGH am Freitag mit. Aktuell ist das Atomlager bis zum Jahr 2046 genehmigt.

Der VGH bestätigte damit eine frühere Entscheidung. Denn bereits im Jahr 2006 waren zum Start der Einlagerung Klagen gegen das Lager in Gundremmingen (Landkreis Günzburg) sowie die beiden anderen Zwischenlager in Bayern abgewiesen worden.

Die fünf Kläger des aktuellen Verfahrens leben zwischen vier und elf Kilometer von dem Zwischenlager entfernt. Sie sahen trotz der früheren Entscheidung ihre Sicherheit gefährdet. Sie kritisierten, dass die Risiken eines Flugzeugabsturzes auf das Lager und der Beschuss durch Terroristen nicht hinreichend geprüft worden sei.

Das Gericht sei aber der Ansicht, dass für solche Fälle ausreichend Vorsorge getroffen worden sei, teilte der VGH mit. Die Einlagerung der Kernbrennstoffe in den Sicherheitsbehältern sei für die genehmigte Lagerdauer von 40 Jahren hinreichend sicher.

Im Dezember 2023 hatten die Richter bei der mündlichen Verhandlung in München solche Fragen erörtert. Der VGH entschied nun, dass das Lager nicht gegen den Absturz eines mit Bomben bewaffneten Militärjets geschützt werden müsse. Denn solch ein Absturz sei extrem unwahrscheinlich. Übungsflüge mit scharfen Bomben würden nur ausnahmsweise und dann nicht in der Region des mittlerweile abgeschalteten Kernkraftwerks durchgeführt.

Richter folgen den Kollegen in Schleswig-Holstein nicht

Die Kläger hatten auf ein knapp elf Jahre altes Urteil bezüglich eines Brennelementlagers in Norddeutschland verwiesen. Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig hatte damals die Zulassung des Zwischenlagers in Brunsbüttel kassiert, das Bundesverwaltungsgericht bestätigte später die Entscheidung.

Beim Zwischenlager Brunsbüttel waren die Richter davon ausgegangen, das es nicht hinreichend gegen terroristische Angriffe wie den gezielten Absturz eines Airbus A380 oder einen Angriff mit panzerbrechenden Waffen geprüft worden sei. In Brunsbüttel wird bis heute Atommüll gelagert, obwohl das Zwischenlager dort aktuell weiterhin keine Genehmigung hat.

Die bayerischen Richter halten hingegen das Lager Gundremmingen für sicher, auch wenn Terroristen dort einen A380-Absturz verursachen würden. „Selbst bei Einsturz des Lagergebäudes (...) würden die Castoren laut Gutachten den auftretenden mechanischen und thermischen Belastungen so weit standhalten, dass radioaktive Strahlung allenfalls in äußerst geringem Umfang austreten würde“, teilte das Gericht mit.

Gegen Terroristen, die mit Panzerfäusten in das Lager einbrechen wollen, um die Behälter zu zerstören, sei das Zwischenlager ebenfalls geschützt. Die Richter gehen davon aus, dass in einem solchen Fall die Terroristen durch einen vor zehn Jahren verbesserten Schutz so lange aufgehalten würden, bis die Polizei vor Ort ist und eingreifen kann.

Bleiben die Zwischenlager bis ins 22. Jahrhundert?

In den Zwischenlagern bei den ehemaligen deutschen Atommeilern soll der strahlende Müll verwahrt werden, bis es ein Endlager in Deutschland gibt. Ursprünglich war davon ausgegangenen worden, dass die geplante Betriebszeit der Lager von 40 Jahren dafür ausreicht. Mittlerweile gehen viele Kritiker davon aus, dass die dezentralen Lager viel länger benötigt werden, möglicherweise bis ins nächste Jahrhundert.

Raimund Kamm von dem atomkritischen Verein „Forum - Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik“ erklärte nach dem Urteil, der VGH habe „die Megagefahren des Zwischenlagers Gundremmingen nicht wahrhaben wollen“. Nun müsse die Staatsregierung in München endlich die Menschen schützen. Denn die Gefahr durch Terrorismus werde größer. Die Atomkraftwerke und ihre Lager seien „Atomminen, in denen unvorstellbar viel Radioaktivität steckt“, sagte Kamm. „Damit können Landkreise und Regionen verstrahlt und unbewohnbar gemacht werden.“

Der bayerische Grünen-Landtagsabgeordnete Martin Stümpfig verlangte, dass trotz des Urteils eine Debatte über die Gefahren der Zwischenlagerung geführt werden müsse. „Wir haben in Bayern drei Zwischenlager, die eine echte Gefahr darstellen, und zwar nicht nur für die Menschen in der unmittelbaren Umgebung. Zudem ist nach wie vor kein Endlager in Sicht“, sagte er.

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung kündigte an, das VGH-Urteil jetzt genau auswerten zu wollen. Gegebenenfalls könnten Hinweise aus dem Richterspruch für die künftige Arbeit der Behörde aufgenommen werden, hieß es.

© dpa-infocom, dpa:240412-99-648471/4

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