Kommunen:Drogenstudie im Bahnhofsviertel: Crack dominiert weiterhin

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Blick in das Frankfurter Bahnhofsviertel. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa/Archivbild)

Sie sind so unübersehbar wie die mit Rotlicht erleuchteten Fenster der Bordellbetriebe: Mitglieder der harten Drogenszene im Frankfurter Bahnhofsviertel, die auch auf der Straße oder in Hauseingängen Crack rauchen. Wissenschaftler beobachten die Entwicklung.

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Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Bei den Schwerstabhängigen im Frankfurter Bahnhofsviertel ist die extrem schnell süchtig machende Droge Crack weiterhin die am meisten konsumierte Droge. Das ist das Ergebnis der sogenannten Tiefenstudie von Drogenforschern der Frankfurter Goethe-Universität, die an diesem Donnerstag veröffentlicht wird.

Die Daten beruhten auf Befragungen von 150 Abhängigen in der Zeit von Juni bis August 2022, sagte Bernd Werse, einer der Autoren der Studie, die seit 2002 alle zwei Jahre vorgenommen wird. Während die jährlichen Schulbefragungen erhellen, ob und welche Drogen Jugendliche an Frankfurter Schulen konsumieren, geht es bei den Tiefenstudien um die harte Szene, die das Bild des Bahnhofsviertels prägt.

„Für uns gibt diese Studie wichtige Hinweise auf die aktuelle Entwicklung in der Szene“, sagte Artur Schroers, Leiter des Frankfurter Drogenreferats. Dabei gehe es auch darum, Hilfsangebote anzupassen.

In der Umfrage hatten 77 Prozent der Befragten angegeben, in den vorangegangenen 24 Stunden Crack geraucht zu haben. Insgesamt 32 Prozent hatten Heroin konsumiert - im Jahr 2020 waren es noch 60 Prozent gewesen. Warum Heroin so deutlich weniger gefragt war, können die Wissenschaftler noch nicht beantworten. „Möglicherweise spielen Zufallsfaktoren eine Rolle“, sagte Werse. „Wir haben da noch wenige Erkenntnisse.“ Crack hingegen hatte bei der ersten Umfrage im Jahr 2000 noch kaum eine Rolle gespielt und war nur von drei Prozent der Befragten konsumiert worden. In den vergangenen Jahren war der Konsum dann stark gestiegen.

Ein Vergleich mit der vorangegangenen Studie im Lockdown-Jahr 2020 zeigt: Die Corona-Pandemie hat die Lage der Schwerstabhängigen verschlechtert. Damals waren 37 Prozent der Befragten obdachlos, 25 Prozent lebten in Notunterkünften - ein neuer Höchststand, so Werse. Im vergangenen Jahr hatte sich die Wohnsituation nur geringfügig entspannt - der Anteil der Obdachlosen unter den Befragten lag bei 34 Prozent, nicht einmal ein Viertel verfügte über eine eigene Wohnung. „Wohnen ist insgesamt ein großes Thema in der Suchthilfe“, betonte Schroers.

Eine positive Entwicklung sehen Drogenforscher und Drogenreferat im steigenden Durchschnittsalter der Schwerstabhängigen, das im vergangenen Jahr 41,8 Jahre betrug. Zum Zeitpunkt der ersten Studie im Jahr 2002 lag es noch bei 34,7 Jahren. Auch Schwerstabhängige auf der Straße werden älter, überleben länger als in früheren Jahren. Zudem stoßen nach Angaben Werses nur wenige sehr junge Abhängige zu der Szene der harten Drogenkonsumenten im Bahnhofsviertel dazu.

Auch wenn Crack der Studie zufolge die am häufigsten konsumierte Droge der Schwerstabhängigen ist - die meisten nutzen auch andere Rauschmittel: So gaben in der Umfrage 53 Prozent der Befragten an, in den vorangegangenen 24 Stunden Alkohol konsumiert zu haben, bei 39 Prozent war es Cannabis. „Das sind neue Höchstwerte“, sagte Werse. Dabei sei Cannabiskonsum bei den männlichen Befragten sehr viel häufiger genannt worden, während sich bei den befragten Frauen eine höhere Intensität beim Konsum von Crack feststellen ließ.

Für die Stadt Frankfurt sind die Zahlen der Studie besonders interessant: „Im Moment befassen wir uns intensiv mit Behandlungsmöglichkeiten beim Crackkonsum und planen dazu mit anderen Städten ein Modellprojekt“, sagte Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne). Handlungsbedarf sehen Majer und Drogenreferatsleiter Schroers auch beim Thema Unterkünfte für Drogenabhängige. Die Zahl der Menschen, die als „faktisch obdachlos“ bezeichnet werde, sei trotz sinkender Tendenz mit 51 Prozent weiter zu hoch.

© dpa-infocom, dpa:230504-99-552711/5

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