Tweets im US-Wahlkampf:Dr. Jekyll und Mr. Trump

Lesezeit: 4 min

Von Donald Trump kursieren böse und irre Tweets. Und solche, die sich vernünftig anhören. Eine Daten-Analyse zeigt, welche wirklich von seinem eigenen Android-Handy stammen.

Von Bernd Graff

Donald Trump twittert. Das tun inzwischen nahezu alle Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, auch und gerade Politiker, die sich zur Wahl stellen. Ebenso normal ist, dass die Kandidaten nicht alleine ihre sogenannten Twitterkanäle bespielen, sondern oft ein ganzes Team von Mitarbeitern mit dem Absetzen von Kurznachrichten beschäftigt ist. Nur machen viele Politiker, etwa Präsident Obama, ihre tatsächlich persönlich verfassten Tweets kenntlich. Obama etwa mit "bo". Bei Trump ist das nicht so. Das provoziert nun Datenanalysten dazu, nach Mustern und Auffälligkeiten in den Tweets des republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu suchen. Und Heureka!: Es gibt offenbar einen "Dr. Jekyll" und einen "Mr. Hyde", die unterschiedliche Trump-Befindlichkeitsposts auf Twitter absetzen.

Zu den nicht ganz so bekannten Besonderheiten dieses sozialen Netzwerks gehört, dass es über offene Schnittstellen, die "Application Programming Interfaces", kurz APIs, verfügt. Über sie ist es nicht nur möglich, Twitter-Daten automatisiert aus dem Nachrichtenstrom zu fischen, um sie etwa auf der eigenen Website einzubinden. Es ist auch möglich, alle bei Twitter einlaufenden 140-Zeichen-Texte, die Tweets, von Computerprogrammen observieren, filtern und nach beliebigen Kriterien analysieren zu lassen. Und da auf Twitter ständig sehr viele, sehr unterschiedliche Texte einlaufen, lieben die Analysten von Big-Data-Firmen den Nachrichtenstrom von Twitter. Denn nun kann man etwa auslesen, wo etwas gehäuft gepostet wurde, in welchen Intervallen gepostet wird, mit welchem Gerät etwas gepostet wurde und - in der spannendsten Analyse-Stufe - mit welchen Emotionen und Affekten die Tweets assoziiert werden.

Wut und alles Schlimme kommen morgens aus dem Gerät von Android-Trump

Dazu schickt man die einlaufenden Twitter-Texte durch andere Datenbanken. Zur Emotionsanalyse nimmt man etwa das NRC Word-Emotion Association Lexicon (EmoLex), das für eine Reihe von Sprachen auflistet, welche Wörter mit Gefühlen wie Überraschung oder Vertrauen, Ekel oder Wut assoziiert sind, und ob der Gehalt von Texten eher positiv oder negativ gestimmt ist. So etwas nutzt man, um selbstlernende autonome Maschinen mit Hausaufgaben zu versorgen. Microsoft wurde etwa im letzten April auffällig, weil der Bot "Tay" sich damals gründlich verlernt hatte und statt freundlicher Tweets gehässige Propaganda absetzte. Man übt also noch.

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David Robinson, ein Absolvent der Princeton University, ist Datenwissenschaftler bei "Stack Overflow", einer Internetplattform zum Thema Software-Entwicklung. Und er ist der Schöpfer von "Tidytext", einer Software zur Analyse von Texten, das "Text Mining". Robinson ist es, der gerade in seinem Blog "Variance Explained" die Inhalts-Analyse des Twitter-Stroms von Donald Trump veröffentlicht hat. Sie bestätigt nicht nur den Verdacht, dass Trump seinen Twitterkanal nicht alleine bespielt, sondern vor allem auch, dass die geifernden und gering schätzenden Tweets von Trump persönlich stammen, während die versöhnlicheren wohl von einem oder mehreren Mitarbeitern verfasst werden. Robinsons Arbeit ist eine außerordentliche Big-Data-Analyse, weil er jeden seiner Schritte offenlegt und jedes Ergebnis grafisch aufbereitet (varianceexplained.org/r/trump-tweets/).

"Ich wende meine Arbeit sonst nicht auf dem Gebiet der Politik an", beginnt Robinson seinen Blogeintrag zu den Trump-Posts. Doch habe er von Gerüchten gehört, dass die extremen Tweets von Donald Trump persönlich stammen sollen, während die freundlichen von Mitarbeitern verfasst würden. Das wollte er nun überprüfen.

Was geht nur im Kopf von jenen Geistern vor, die das iPhone bedienen?

Also habe er die Trump-Tweets mit seinem Tool "Tidytext" analysiert. So habe er zuerst festgestellt, dass positive Inhalte und Glückwünsche (etwa für das US-Team bei den Spielen in Rio) von einem iPhone gesendet werden, während die bösartigen von einem Android-Gerät stammen. Das hatte man zuvor schon herausgefunden. Auch, dass Donald Trump öffentlich nur mit einem "Samsung Galaxy"-Telefon, eben einem Android-Gerät, arbeitet.

Robinson lud alle Trump-Tweets samt ihren Metadaten - wie Uhrzeit des Postings, Gerät, Ort - von der Zeitleiste des Kandidaten. Er erhielt etwa 600 Android-Postings und mehr als 750 iPhone-Tweets. Dann verglich er deren Uhrzeiten miteinander und stellte fest, dass das iPhone eher abend- und nachtaktiv ist, während das Android-Gerät vor allem morgens funkt. Außerdem diagnostizierte er, dass die Weise, wie das Android-Phone Texte zitiert und Bilder einsetzt, abweicht vom iPhone-Verhalten: Das iPhone versendet 38 mal mehr Bilder als Trumps "Galaxy".

Die Sentiment-Analyse belegt: Nur das Android-Phone setzt Wut-Tweets ab. Grafik: Robinson (Foto: SZ)

Nun machte sich Robinson an die Inhaltsanalyse aller Tweets. Zuerst ermittelte er die Worthäufigkeit: "Hillary" steht an erster Stelle, gefolgt vom Hashtag der eigenen Kampagne #trump2016. "Crooked" (betrügerisch, korrupt) ist ebenfalls ein Lieblingswort. "People" und "america" kommen hinzu. "Bad" (schlimm) wird häufiger als die Wörter "president" und "jobs" verwendet. Die genauere Geräte-Analyse erbringt dann: Sämtliche Begriffe und Hashtags, die gering schätzend und verächtlich sind, stammen von Android-Trump; die positiven und einschmeichelnden, die ankündigenden und zukunftsgerichteten wie #makeamericagreatagain, "tomorrow", "iamwithyou" oder "join" bläst das iPhone in den Twitter-Kanal. Die Sentiment-Analyse deckt schließlich auf, dass das Android-Gerät in Größenordnungen von 40 bis 80 Prozent mehr Wörter absondert, die mit negativen Gefühlen wie Ekel, Traurigkeit, Angst und Wut assoziiert sind. Umgekehrt ist es genauso: Deutlich "positiver" sind die iPhone-Tweets, in denen die Wörter "badly", "crazy", "weak", "dumb", "dead" auch niemals vorkommen. Ausnahmen sind allerdings die Wörter "Terrorist" und "Verbrechen", die häufiger vom iPhone versendet wurden.

Während unter dem Artikel nun eine Folge-Analyse gefordert wird zur Frage, ob die Wut-Tweets von Trump häufiger im Netz zitiert werden als die Sanft-Tweets, und eine Wissenschaftlerin der Cornell University die Ergebnisse bestätigt, da ihre eigene Analyse der Publikationszeiten dieselben Tweet-Muster erbrachten, fragt sich David Robinson, was im Kopf der iPhone-Geister-Hälfte von Trump vorgeht. Glaubt der Poster wirklich an ihn oder wird er - wie der Autor von Trumps Autobiografie: "The Art of the Deal", Tony Schwartz - sein Tun irgendwann bereuen?

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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