Überwachung:Warum Microsoft für Landesgrenzen im Netz kämpft

Illustration zur Datenspionage

In Frankfurt befindet sich der weltweit größte Internet-Knotenpunkt.

(Foto: Matthias Balk/dpa)
  • In einem Prozess lässt der Softwarekonzern Microsoft klären, ob die US-Regierung Daten einfordern darf, die im Ausland liegen. Es könnte ein Präzedenzfall werden.
  • Die US-Justizbehörden hatten Microsoft 2013 aufgefordert, E-Mails herauszugeben, die auf einem Server in Irland lagern.
  • In erster Instanz gab ein New Yorker Gericht den US-Behörden recht: Der Speicherort sei für die Gültigkeit des Durchsuchungsbeschlusses nicht entscheidend. Microsoft ging in Berufung.

Von Luisa Seeling, Brüssel, und Varinia Bernau

Im Ringen darum, welche Regeln aus der analogen Welt auch in die digitale gerettet werden, waren die Rollen lange Zeit klar verteilt: Jenseits des Ozeans war alles, was nicht verboten war, erst einmal erlaubt - und die Amerikaner wussten diesen rechtsfreien Raum nach ihrem Gusto zu gestalten. Die Technologiekonzerne schafften Fakten, während die Politiker noch abwägten. Europa galt als zögerlich, ja, gar als gestrig.

Doch dann kam Edward Snowden.

Ohne die Enthüllungen des ehemaligen amerikanischen Geheimdienstmitarbeiters wäre es wohl niemals zu Szenen wie dieser gekommen: In einem Konferenzraum in Brüssel sitzen unter Kronleuchtern Brad Smith, Chefjustiziar von Microsoft, und Jan-Philipp Albrecht, einer der profiliertesten Datenschützer und zudem grüner EU-Abgeordneter. Nachdem Brad Smith über das Menschenrecht auf Privatsphäre gesprochen hat und über die Notwendigkeit, auch im virtuellen Raum und über Grenzen hinweg Rechtsstaatlichkeit herzustellen, sagt Albrecht: "Ich unterstütze voll und ganz ihre Worte."

In sechs Monaten fast 35 000 Anfragen von Behörden

Diese demonstrative Einigkeit zwischen Europa und Microsoft verblüfft. Es gab Zeiten, da setzte der US-Konzern in Brüssel eher auf Konfrontation als auf Kooperation. Aber die Dinge habe sich seit den Enthüllungen von Snowden geändert. Er zeigte der Welt, wozu übergriffige Geheimdienste im digitalen Zeitalter fähig sind - und wie sie sich dabei jene Firmen, die über die Datenschätze wachen, zu mehr oder weniger willigen Gehilfen machen. Und auf einmal gab es eine ganz neue Allianz: Die US-Unternehmen suchten den Schulterschluss mit den europäischen Politikern.

Deshalb diskutiert Smith nun in Brüssel auf Einladung einer Denkfabrik mit Experten über "Vertrauen, Daten und nationale Souveränität". Es sind grundsätzliche Fragen. Aber für Microsoft sind sie auch sehr konkret: Denn der Konzern steckt in einem wichtigen Rechtsstreit. Es geht um nicht weniger als die Frage, ob die Landesgrenzen der analogen Welt auch in der digitalen Welt gelten. In einem Prozess gegen die US-Regierung lässt der Konzern klären, ob diese Daten einfordern darf, die auf ausländischen Servern liegen. Es könnte ein Präzedenzfall werden für den Umgang mit Kundendaten im Ausland.

Auch für die Europäer hängt vom Ausgang des Rechtsstreits viel ab. Weil sie zumindest zeigen müssen, dass sie auch im digitalen Zeitalter Herr im eigenen Haus sind. Weil sie in der Debatte um diese so entscheidenden Fragen der Zukunft weltweit vielleicht sogar eine Führungsrolle übernehmen könnten. Weil sie sich ohnehin gerade mühen, einen einheitlichen Datenschutz für alle 28 Mitgliedsländer zu definieren. Und weil es dabei nicht schaden kann, bei den amerikanischen Unternehmen schon mal ein paar Punkte gutzuhaben, wenn es daran geht, die neue Verordnung im Alltag auch durchzusetzen.

Der sogenannte "Warrant Case", den Microsoft nun ausficht, geht auf einen Durchsuchungsbeschluss der US-Justizbehörden im Jahr 2013 zurück. Damals forderten die Ermittler Microsoft auf, E-Mails herauszugeben, die auf einem Microsoft-Server in Irland lagern. Ermittelt werde im Zusammenhang mit Drogenhandel und Geldwäsche. In den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres hat Microsoft fast 35 000 solcher Anfragen erhalten, bei denen die Daten von etwas mehr als 58 000 Kunden betroffen waren. Microsoft steht damit exemplarisch für die gesamte Industrie: Bei Google und Facebook liegen die Zahlen ähnlich hoch; bei Apple etwas niedriger.

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