Smartphone-Markt:Nokia, Microsoft und Amazon umwerben Blackberry-Hersteller

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Der kanadische Blackberry-Produzent Research in Motion schwächelt - das lockt offenbar die Konkurrenten an. Medienberichten zufolge liebäugelten jüngst Microsoft und Nokia, aber auch Amazon mit einer Übernahme. Doch wäre ein Zukauf des angeschlagenen Unternehmens derzeit überhaupt sinnvoll?

Johannes Kuhn

Sinkende Absatzzahlen, niedrige Gewinne: Dem Blackberry-Hersteller Research in Motion (RIM) geht es nicht gut - eine Tatsache, die in der Branche bekannt ist und offenbar auch Konkurrenten dazu bringt, über eine Übernahme des kanadischen Unternehmens nachzudenken.

Sollte sich Blackberry-Gründer Mike Lazaridis geschmeichelt fühlen oder Sorgen machen? Mehrere IT-Giganten werben um das angeschlagene Unternehmen. (Foto: AP)

Gleich drei mögliche Zukunftsvarianten für RIM sind nun an die Öffentlichkeit gelangt - alle würden die Mobilfunkbranche stark verändern.

[] Das Wall Street Journal berichtet, Microsoft und Nokia hätten erwogen, den Konkurrenten gemeinsam zu kaufen. Der aktuelle Stand der Überlegungen sei unklar, schrieb die Zeitung. Unter Berufung auf informierte Personen hieß es, führende Manager aller drei Unternehmen hätten sich in jüngster Zeit häufig getroffen, um über die Entwicklung ihrer bisherigen Kooperationen zu sprechen.

[] Wie Reuters berichtet, liebäugelte offenbar auch Amazon mit dem angeschlagenen Mobilgeräte-Hersteller. Der Online-Versandhändler habe im Sommer eine Investmentbank beauftragt, eine Fusion mit RIM zu prüfen. Ein formelles Angebot sei dann aber nicht unterbreitet worden, da die Kanadier ihre Probleme selber lösen wollen. Als Quelle nennt Reuters "Personen mit Kenntnis der Situation".

[] Als dritte Variante bringt das Wall Street Journal ins Spiel, RIM könne künftig sein neues Smartphone-Betriebssystem Blackberry 10 auch an andere Hersteller lizensieren. Entsprechende Angebote seien an Konkurrenten wie HTC und Samsung gegangen.

Die Blackberry-Smartphones, einst ein Verkaufshit, entwickeln sich zu Ladenhütern. Während der Markt für Computer-Telefone weiter schnell wächst, dürfte der Blackberry-Absatz im laufenden Quartal auf elf bis zwölf Millionen Stück einbrechen, nach knapp 15 Millionen noch vor einem Jahr.

Die Zukunft sieht ebenfalls düster aus: Geräte mit dem neuen Betriebssystem kommen nicht vor der zweiten Hälfte 2012 auf den Markt. Und der bisher erfolglose Tablet-Computer Playbook hat bereits jetzt ein Loch von mehreren hundert Millionen Dollar in die Kasse gerissen.

Amazon schielt auf die Geschäftskunden

In der IT-Branche wächst die Kritik an der Zaghaftigkeit des Blackberry-Managements. Doch bieten die drei Lösungen einen Ausweg aus der Krise? Zumindest theoretisch wären sie denkbar: Ein Einstieg Amazons ins Smartphone-Geschäft galt bislang als unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. RIM besitzt nicht nur die Technik für Mobilgeräte, sondern auch wichtige Patente.

Die Kanadier haben sich im Geschäftskundenbereich erfolgreich positioniert, in den auch Amazon mit seiner Speicherplatz-Vermietung drängt. Für den Online-Händler ergäbe sich aus einer Akquisition die Möglichkeit, im Businessbereich mittelfristig Komplettlösungen anzubieten. Allerdings wäre RIM bei der Fusion Juniorpartner und müsste damit rechnen, künftig nur noch als Amazons Hardware-Abteilung zu fungieren.

Auch Nokia und Microsoft könnten von einem Kauf profitieren: Der Marktanteil von Windows Phone 7 ist gering, Nokia wird das Microsoft-Mobilsystem zwar künftig in seinen Smartphones verwenden, gilt aber als angeschlagen. Über eine Fusion zwischen Microsoft und Nokia wird bereits länger spekuliert, mit RIM wäre zusätzlich das Geschäftskundensegment abgedeckt. Aber: Drei derzeit erfolglose Unternehmen machen gemeinsam noch keinen Smartphone-Riesen.

Blackberry als bezahltes Android-System

Mit der Lizensierung des für 2012 erwarteten Betriebssystems Blackberry 10 könnte RIM zumindest kurzfristig eine weitere Einnahmequelle erschließen. Damit würde Blackberry ähnlich wie Android zu einem herstellerunabhängigen System, allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht kostenlos, sondern gegen Gebühren.

Das Blackberry-System gilt jedoch derzeit bei Entwicklern als unbeliebt, zudem sorgt der verschobene Start der Version 10 nicht gerade für Vertrauen, dass RIM hochwertige Software abliefern wird.

Blackberrys waren wegen ihres speziellen E-Mail-Dienstes früher die Lieblinge der Manager. Heute ist die Zahl der verkauften Geräte weit hinter Android und Apples iOS zurückgefallen, die Konkurrenz drängt inzwischen auch ins Geschäftskundensegment. Ein weiterer Grund für die Absatzprobleme ist, dass RIM den Trend zu berührungsempfindlichen Bildschirmen lange verschlafen hatte.

© sueddeutsche.de/ mit dpa und Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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