Internet für alle:Per Unterseekabel nach Afrika

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Der Querschnitt eines Tiefseekabels. (Foto: dpa)
  • In Afrika und auch in weiten Teilen Asiens gibt es noch immer Regionen ohne Zugang zum Netz.
  • US-Techfirmen wie Amazon, Facebook, die Google-Mutter Alphabet und Space-X von Elon Musk verlegen nun Unterseekabel oder schießen Satelliten ins All, um den Menschen dort Zugang zum Internet bieten zu können.
  • Neben den Techriesen mischen auch Start-ups in diesem Wettrennen mit. Sie heißen etwa Swarm Technologies, Astrocast und Sky and Space Global.

Von Kathrin Werner

Jeff Bezos hat eine Vision. Jeder Mensch in jedem Winkel der Welt soll jede Ware zu jeder Zeit im Internet bestellen können. Bei Amazon natürlich, dem Konzern, den Bezos 1994 gegründet hat und der ihn zum reichsten Menschen der Welt gemacht hat. Am besten soll der Kunde gleich auch Amazons Sprachassistenten Alexa nutzen. "Alexa, bestell mir eine Sonnenbrille", könnte sie oder er dann mitten in der Sahara in sein Smartphone sagen - schon käme die Amazon-Drohne angeflogen und brächte den Augenschutz vorbei. So die Vision.

Die Realität sieht allerdings anders aus. In der Realität scheitert die Sonnenbrillenbestellung nicht an der Drohne oder an Alexa, sondern schon viel früher: am Internetanschluss. In Afrika und auch in weiten Teilen Asiens gibt es noch immer Regionen ohne Zugang zum Netz. Die Infrastruktur fehlt. Erst im vergangenen Jahr hat das Internet eine Schwelle überschritten: Mehr als die Hälfte der Menschheit hat Zugang. Das heißt aber, dass die andere Hälfte, rund 3,8 Milliarden Menschen, nichts bei Amazon bestellen kann. In Afrika können fast zwei Drittel nicht ins Internet. Sie können nichts googeln, keine E-Mail schicken, weder Online-Nachrichten noch Wikipedia lesen - mit entsprechenden Folgen für Demokratie, Kultur und Wirtschaft.

Sie hassen Gegenden ohne Internet

In dieser Sache ist sich Bezos mit anderen Internetmilliardären wie Mark Zuckerberg (Facebook) oder Elon Musk (Tesla) einig: Sie hassen Gegenden ohne Internet. Telekommunikationsfirmen haben in den vergangenen Jahren massiv in Internet-Infrastruktur investiert. Doch den Tech-Konzernen geht der Fortschritt nicht schnell genug. Bislang waren sie dafür zuständig, das Internet mit Inhalten zu füllen und damit Geld zu verdienen, jetzt nehmen sie die Sache selbst in die Hand. Amazon will Satelliten für Internetanschlüsse ins All schießen, genau wie Elon Musks Weltallfirma Space-X. Facebook verlegt Unterseekabel, die Google-Mutter Alphabet will Heliumballons für Internetanschlüsse in die Stratosphäre schicken. Es ist ein neues, teures Wettrennen der Techmilliardäre.

Amazons neues Programm trägt den Namen Kuiper, nach dem Astronomen Gerard Kuiper. Mehr als 3000 Satelliten will das Unternehmen in verschieden hohe Erdumlaufbahnen schicken, damit es auch in Afrika und anderen unterversorgten Gegenden schnelles Internet gibt. "Es ist ein langfristiges Projekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, Dutzenden Millionen Menschen zu helfen, denen Zugang zum Breitband-Internet fehlt", teilte das Unternehmen mit. Es werde Jahre dauern, bis Projekt Kuiper abgeschlossen sei. Amazon will das Projekt mit Partnern umsetzen. Als möglicher Partner fällt einem sofort ein anderes Liebhaberprojekt von Jeff Bezos ein: Blue Origin, mit dem er Touristen ins All schicken will.

Internet zu den Massen zu bringen, ob per Seekabel oder Satellit, kostet natürlich viel - und zwar Zeit und Geld. Aber die Internetmilliardäre, allen voran Musk und Bezos, lassen sich von so etwas nicht abschrecken. Musk ist berühmt für große, teure Verkündungen. Und Bezos hat sein gesamtes Vermögen mit langfristiger Planung verdient: Amazon hat über Jahre hinweg winzige oder gar keine Gewinne geschrieben, weil der Konzern Waren zu Billigpreisen anbot - und ist so zur Onlinehandel-Weltherrschaft aufgestiegen. Wenn Amazon weiter in dem Tempo der vergangenen Jahre wachsen soll, lohnt es sich, Afrika mit Internetanschlüssen zu versorgen. Und Geld genug hat Amazon - mehr als die Telekommunikationsfirmen.

Vorreiter des Geschäfts mit Internet aus dem All ist Space-X. Musks Raketenfirma schickte im vergangenen Jahr zwei Testsatelliten für ein Netzwerk namens Starlink in den Weltraum, das zunächst aus 4425 und später insgesamt aus fast 12 000 kleinen Satelliten bestehen soll, die den Erdball aus einer Umlaufbahn von zum Teil nur 550 Kilometern Entfernung mit Internet versorgen. Im Mai sollen die nächsten starten. Insgesamt soll das Projekt rund zehn Milliarden Dollar kosten. Musk war nicht begeistert, dass nun auch Bezos mitmischen will. "Copy Cat", nannte er seinen Konkurrenten bei Twitter, "Nachmacher". Laut Medienberichten hat Amazon für das Projekt den Ex-Starlink-Chefingenieur Rajeev Badyal angeheuert und diverse Topwissenschaftler von Space-X abgeworben.

Die ehrgeizigen Programme der Internetkonzerne führen zu einem Weltraum, der voller ist als es zu Zeiten von Sputnik und Apollo je vorstellbar gewesen wäre. Die Anzahl der aktiven Satelliten, die um die Erde kreisen, könnte sich laut der Recherchefirma Northern Sky Research bis 2027 mehr als verdreifachen, mehr als 7000 neue sollen hinzukommen. Möglich sind die Pläne vor allem, weil neue Raketenfirmen wie Space-X und Blue Origin die Kosten für den Start von Trägerraketen senken und gleichzeitig Satelliten billiger und leichter werden - die Zeiten, in denen nur Staaten es sich leisten konnten, Objekte ins All zu schießen, sind vorbei.

Neben den Techriesen mischen auch Start-ups mit. Sie heißen etwa Swarm Technologies, Astrocast und Sky and Space Global. Am weitesten vorangeschritten ist One Web, ein von Konzernen wie Softbank, Virgin und Coca-Cola und von der Regierung Ruandas finanziertes Unternehmen. Es hat im März die ersten sechs Mini-Satelliten gestartet. Geplant sind insgesamt 900, die in der Herstellung jeweils nur rund eine Million Dollar kosten und deutlich schneller fertig werden sollen als herkömmliche Riesensatelliten. Allerdings halten sie nicht so lange. Und sie bleiben nahe an der Erde. Das haben fast alle der großen neuen Projekte gemeinsam: Statt weniger großer wollen die Techfirmen mehrere kleine Satelliten schicken und in eine niedrigere Umlaufbahn. Je näher an der Erde, desto schneller beim Internetnutzer. Die Reaktionszeiten werden kürzer, das Internet schneller, für den Empfang braucht es keine zusätzlichen Geräte. Aber es drohen Zusammenstöße. Außerdem entsteht immer mehr Weltraumschrott.

Schon jetzt wirbeln rund 34 000 Teile mit mehr als zehn Zentimeter Größe durchs All, hinzu kommen mehr als 100 Millionen kleinere Trümmer. Sie sind das Ergebnis von mehr als 60 Jahren Raumfahrt und wenigen Vorschriften, um den Weltraum sauber zu halten. Eine Kollision gab es bereits, als 2009 zwei Satelliten, ein russischer und ein amerikanischer, rund 800 Kilometer über Sibirien aufeinanderprallten. Inzwischen wollen erste Firmen sich auf Weltallmüllabfuhr spezialisieren. Die mit 132 Millionen Dollar finanziell am besten ausgestattete ist Astroscale aus Japan, sie hat in der vergangenen Woche weiteres Investmentgeld bekommen. One Web verspricht, die Satelliten am Ende ihres Einsatzes wieder zurückzuholen. Doch mit der Rückkehr gibt es neue Probleme: Was, wenn sie einen Menschen erschlagen? Musks Starlink hat deshalb gerade versprochen, das Design der Satelliten so zu überarbeiten, dass sie beim Wiedereintritt niemanden verletzen.

Die Konzerne beschränken sich nicht auf Internet aus dem All. Die Google-Mutter Alphabet zum Beispiel will "Loon" getaufte Heliumballons in rund 18 Kilometer Höhe steigen lassen und so Gegenden versorgen, die Mobilfunkmasten nicht erreichen. Zum Empfang am Boden braucht es meist Antennen. Google arbeitet seit Jahren an Loon, die Technik funktioniert wohl, noch in diesem Jahr soll das erste kommerzielle Projekt in Kenia starten.

Auch Facebook hat etliche Infrastrukturprojekte. Gerade arbeitet der Konzern laut Medienberichten nicht hoch oben, sondern tief unten: an einem Unterseekabel für Afrika. Das Projekt trägt offenbar den klischeeverdächtigen Namen Simba, nach der Hauptfigur im Disney-Film "König der Löwen". Das Unternehmen hat schon in mehreren Projekten Nordamerika, Europa und Ostasien per Unterseekabel verbunden, wobei es in der Regel die Kosten mit traditionellen Telekommunikationsunternehmen teilt. Facebook wollte die Berichte zu Simba nicht bestätigen.

"Wenn mehr Menschen das Internet nutzen, bekommt die bestehende Internet-Infrastruktur Schwierigkeiten, den gesamten Datenverkehr zu bewältigen", sagte aber eine Sprecherin. Seekabel sollen helfen, Engpässe zu beseitigen. "Wir prüfen weltweit, ob wir Unterwasserkabeltrassen in Betracht ziehen." Das Kabel, wenn es Facebook denn verlegt, würde dem Konzern helfen, seine eigenen Daten von den Datenzentren in Europa und Asien nach Afrika und wieder zurück zu bringen. In Afrika ist nicht nur das soziale Netzwerk selbst, sondern auch Facebooks Dienst Whatsapp beliebt. Schlechte Internetverbindungen stehen dem Wachstum aber im Weg.

Transantlantische Kabel

Google investiert sogar noch mehr in Seekabel als Facebook. Internetunternehmen stecken nach Angaben der Recherchefirma Telegeography hinter etwa vier Fünfteln der zwischen 2018 und 2020 geplanten Investitionen in transatlantische Kabel, in den drei Jahren bis 2017 waren es weniger als 20 Prozent.

Ein anderes Infrastrukturprojekt hat Facebook im vergangenen Jahr wieder aufgegeben. Seit 2014 arbeitete das Unternehmen an einer solarbetriebenen Internetdrohne namens Aquila. Der erste Testflug endete mit einer Bruchlandung. Auch danach gab es technische Probleme. Facebook hat außerdem eine Vielzahl kleinerer Infrastrukturprojekte, zum Beispiel investiert der Konzern gemeinsam mit einer Reihe von lokalen Behörden in ein neues 750 Kilometer langes Glasfasernetz in Nigeria, das mehr als einer Million Menschen Zugang zu schnellem Internet verschaffen wird. Um Facebooks Satellitenprogramm ist es allerdings ruhiger geworden, seit der erste Satellit für Afrikas Internet bei Tests an einer Space-X-Rakete 2016 explodierte.

Facebook-Chef Zuckerberg präsentiert sich gern als Weltenretter, der den Massen das Internet bringt und damit Demokratie, Freiheit und Menschenrechte. In Afrika und zum Beispiel auch Indien kommt er damit jedoch nicht so gut an wie gedacht. Kritiker rufen "digitale Kolonialisierung". Sie wittern, dass es für Zuckerberg vor allem um neue Facebook-Nutzer geht - und Bezos darum, dass sich Kunden aus der Sahara eine Sonnenbrille bei Amazon bestellen.

© SZ vom 18.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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