Werbung auf Smartphones:Überraschende Penisbilder vom Sitznachbarn

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Die Unterschiede sind groß. Wer einen digitalen Vermögensverwalter sucht, sollte vor allem auf die Kosten achten. (Foto: Tomohiro Ohsumi/getty images)

Eine Frau sitzt im Zug und bekommt Fotos aufs Handy, nach denen sie nicht gefragt hat. Cyber-Flashing ist Vorbote einer größeren Entwicklung: Neue Technik weiß, wo wir sind. Und dringt in unser Privatestes vor.

Von Michael Moorstedt

Man kann davon ausgehen, dass es unschöne Bilder waren, die Lorraine Crighton-Smith an einem Tag im vergangenen Sommer auf ihrem Smartphone vorfand. Die Britin fuhr mit dem Pendlerzug durch London, als auf einmal Details eines männlichen Geschlechtsteils auf dem Display auftauchten, die ihr zugesandt worden waren. Nicht per SMS oder E-Mail, sondern über den Air-Drop-Service.

Dabei handelt es sich um einen Apple-Dienst, der zwei Geräte, die sich nahe beieinander befinden, Dateien austauschen lässt. Wer den Status seines Gerätes dabei auf "öffentlich" setzt, kann eben auch Penisbilder zugeschickt bekommen. Der Absender musste sich dafür nur im gleichen Waggon befinden. Vielleicht gleich auf dem Sitzplatz neben ihr.

Cyber-Flashing nannte die britische Boulevardpresse den Vorfall mäßig einfallsreich. Elektronisch übermittelter Exhibitionismus also. Jetzt auch mobil. Und obwohl der zum Glück noch lange nicht den Status eines Massenphänomens erreicht hat, ist er doch Vorbote für einen generelleren Trend. Das Internet und all die angeschlossenen Dienste versprachen den Menschen ja, dass es zunehmend egal ist, wo auf der Welt sie sich befinden. Einen Blog-Post kann man überall schreiben, ein Start-up überall gründen.

Werbung in einem der privatesten Räume - dem Mobiltelefon

Doch es scheint fast so, als könnte es in Zukunft sogar immer wichtiger werden, wo man sich befindet. Das bedeutet leider auch, dass uns in Zukunft nicht nur unmotivierter, massenhaft versandter Viagra-Spam erreicht, sondern genau auf den Standort und die vermeintlichen Absichten des Nutzers zielende Botschaften.

Die Bostoner Werbeagentur Copley Advertising hat dieses Konzept perfektioniert. Im Auftrag von Abtreibungsgegnern verschickt sie Pro-Life-Propaganda auf Smartphones, die sich in der Nähe von Kliniken der Familienplanungsorganisation Planned Parenthood befinden. Anstatt nur von den vor den Kliniken postierten Demonstranten angefeindet zu werden, bekommen die Patienten nun noch Botschaften in einen der privatesten Räume geschickt, die man sich heutzutage überhaupt vorstellen kann - ihr Mobiltelefon.

Wer sieht wann und wo welche Werbung?

Beide Beispiele, jenes der Pendlerin und die Nachrichten der Abtreibungsgegner, sind bislang noch Einzelfälle. Den meisten Nutzern wird dieses Konzept der sogenannten Ambient Proximity vor allem in Gestalt von Werbung und penetranten Marketingbotschaften begegnen.

Google arbeitet an einem Dienst namens Nearby, der Geräte unabhängig vom Nutzer miteinander sprechen lässt. Apple hat die sogenannten iBeacons im Portfolio, kleine Funksender, die sich mit Mobiltelefonen in der Nähe verbinden und Informationen austauschen können. Facebook kündigte soeben sein sogenanntes Local-Awareness-Programm an. Mit dem will man bald nachvollziehen können, ob und wann Nutzer, die Werbung auf ihrem Telefon sehen, im Anschluss auch ein Geschäft der entsprechenden Marke besuchen.

Das Smartphone verwische eben "die Grenzen zwischen der physischen und digitalen Welt", wie Facebook in der Eigenpromotion für seine neue Dienstleistung tönt. Soll heißen: Genau wie das Netzwerk schon abspeichert, welche Webseiten seine Nutzer besuchen, um ihnen aufgrund dessen entsprechende Anzeigen auf den Bildschirm zu bringen, wird es bald auch wissen, was wir in der echten Welt tun.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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