Warum zeigt Facebook mir Werbung für Hundefutter an, obwohl ich gar kein Haustier habe, oder Anzeigen für den neuesten Bauch-weg-Roller, obwohl ich ein Sportmuffel bin? Wer sich solche Fragen schon einmal gestellt hat, kann auf Facebook interessante Erkenntnisse gewinnen.
Nutzer können sich anzeigen lassen, in welche werberelevanten Kategorien das Netzwerk sie eingeordnet hat. Sie können auch ihre vermeintlichen Präferenzen bearbeiten oder löschen.
In der Liste tauchen meist Hunderte Kategorien auf, Facebook nennt sie Einstellungen. Ein Schlagwort kann Mann oder Frau lauten, Medizin, Bibel oder Kultur. Andere Begriffe wirken skurril. Wer in seiner Liste sieht, dass mit dem eigenen Profil Kategorien wie "Stelldichein", "Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen", "Werder Bremen", "Heiliges Römisches Reich" oder "Ringe des Saturn" verknüpft sind, wird das nicht immer nachvollziehenm können, vor allem wenn er kein Fußball- und Astronomiefan ist.
Der Facebook-Algorithmus werde aber immer treffsicherer, beobachtet Roland Eisenbrand von OnlineMarketingRockstars. "Ich habe mal die Band-Seite eines Freundes geliked, Panzerfisch Rhodan. In der Kategorienliste kam dann bei mir der lateinische Fachbegriff für Panzerfisch", sagt Eisenbrand. Mittlerweile sei das Ergebnis nicht mehr enthalten. "Facebook gelingt es immer besser, solche Fehler der semantischen Analyse auszulöschen. Die Liste enthält immer noch Skurrilitäten, aber deutlich weniger als früher." In Zukunft dürfte es also weniger solcher fehlgeleiteter Werbeversuche auf Facebook geben.
So finden Nutzer ihr Facebook-Werbeprofil
Über das Menü "Einstellungen" und "Werbeanzeigen" können Nutzer auf den Button "Werbeanzeigen basierend auf meinen Einstellungen" klicken und dann "Einstellungen für Werbeanzeigen aufrufen" anwählen. Alternativ kann man diesen Link klicken. Wer mit seiner Maus einige Sekunden über einem Eintrag verweilt, kann ihn verwerfen. Außerdem lassen sich neue Interessen hinzufügen, die Facebook noch nicht erkannt hat.
Facebook warnt: Wenn Einträge gelöscht werden, würden weiter Werbeanzeigen angezeigt. Nur seien die Inhalte dann weniger relevant für den Nutzer. Schließlich wisse das Netzwerk dann weniger über ihn. Außerhalb von Facebook können Nutzer die Onlineseite youronlinechoices.eu ansteuern, um interessenbasierte Onlinewerbung für verschiedene Anbieter auszuschalten.
Zuckerbergs Versprechen: Werben ohne Streuverluste
Wie alle großen Plattformen versucht Facebook, Werbung zu schalten, die vom Nutzer wirklich angeklickt wird. Firmenchef Mark Zuckerbergs Versprechen an die Werbetreibenden lautet: Sie können Anzeigen so gezielt schalten, dass sie nur geringe Streuverluste haben und Menschen erreichen, die tatsächlich potenzielle Käufer sind. Das macht Anzeigen auf Facebook attraktiv. Und teuer. "Facebook hat das Online-Marketing umgekrempelt. Fast alle Firmen stecken ihr Budget jetzt lieber in zielgerichtete Facebook Ads statt Bannerwerbung", sagt Marc Stahlmann, Geschäftsführer bei OnlineMarketing.de. "Die Preise für Werbeplätze auf Facebook sind gestiegen, weil sie so begehrt sind."
Werbung im Internet:Du willst es doch auch
Innerhalb einer Minute rauschen weltweit zehn Millionen Werbeanzeigen durchs Netz. Das nervt? Noch. Bald fällt Werbung womöglich gar nicht mehr auf.
Aus Sicht von Facebook machten auch scheinbar unsinnige Zuordnungen Sinn, sagt Stahlmann. "Klar ist da auch viel Datenmüll dabei, die Kategorien werden von einem Algorithmus zugewiesen. Aber wenn einige wenige relevante Kategorien zutreffend zugewiesen werden und Facebook ohne große Streuverluste zum Beispiel Katzenbesitzer oder Schwangere identifizieren kann, dann ist das schon interessant für die Werbebranche."
So geht Facebook vor, um Nutzern relevante Werbung zu zeigen
Um zu entscheiden, welche Werbeanzeigen Facebook einblendet, analysiert es Daten aus verschiedenen Quellen: Welche Seiten haben dem Nutzer gefallen? Welche Anzeigen hat er angeklickt? Welche Angaben stehen in seinem Profil, zum Beispiel zu Alter und Geschlecht? Was verrät sein Gerät über seinen Standort? Facebook macht bei diesen Fragen aber nicht Halt. Das Unternehmen verfolgt auch Aktivitäten auf Websites und in Apps außerhalb von Facebook. Zudem ergänzt es das Nutzerprofil um Angaben, die Werbetreibende und Marketingpartner schon über den Nutzer haben und mit Facebook teilen, zum Beispiel seine Mailadresse. Wer sich neu einrichten will und online nach einem Sofa sucht, sieht seinen Favoriten aus dem Netz deshalb plötzlich auf Facebook in den Werbeflächen auftauchen.
Das kann für Nutzer auch zum Problem werden. Eisenbrand von OnlineMarketingRockstars hat im letzten Jahr auf eine umstrittene Möglichkeit des Targeting aufmerksam gemacht: Werbetreibende konnten als Zielgruppe ihrer Anzeige Nutzer auswählen, denen Facebook Interessen wie "Kinderpornografie", "Missbrauch" oder "Vergewaltigung" zugeordnet hatte. In eine solche Kategorie konnte man beispielsweise rutschen, wenn man die Seite eines Vereins gegen Missbrauch geliked hatte. "Mittlerweile hat Facebook die irreführenden Targeting-Kategorien gelöscht", sagt Eisenbrand.
Schwangerschaft bei Facebook geheimhalten? Fast unmöglich!
Wie schwer es ist, dem Online-Profiling zu Werbezwecken zu entgehen, hat ein Experiment der amerikanischen Soziologin Janet Vertesi gezeigt: Sie versuchte, ihre Schwangerschaft online geheim zu halten. Keine Online-Marketingfirmen und Netzwerke wie Facebook sollten mitbekommen, dass sie ein Kind erwartet. Schwangere Frauen sind ein sehr attraktives Ziel für Werbetreibende.
Vertesi wollte keine Windelwerbung und Schnuller-Angebote im Browser sehen. Sie verbot allen Bekannten, auf Facebook über ihre Schwangerschaft zu schreiben oder verdächtige Posts auf ihrer Seite zu hinterlassen. Um Babybedarf online zu suchen, verwendete sie das Anonymisierungsnetzwerk Tor. Ihr Fazit: Um ihre Schwangerschaft vor Werbetreibenden zu verheimlichen, hätte sie online wie eine Kriminelle agieren müssen, die ihre Spuren verwischen will.