Musikstreaming:Amazon bläst zum Angriff auf Spotify

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Die britische TV-Moderatorin Annie Nightingale 1964 mit einem Beatles-Album. Bei Streaming-Diensten sind Songs der Beatles noch immer nicht zu hören. (Foto: John Pratt/Getty Images)
  • Amazon bietet Prime-Kunden einen Musikstreaming-Dienst für 49 Euro pro Jahr an.
  • Die Song-Auswahl ist im Vergleich zu anderen Anbietern deutlich begrenzt.
  • Im Laufe der vergangenen Monate waren auch Apple und Aldi mit eigenen Angeboten ins Musikstreaming-Geschäft eingestiegen.

Von Helmut Martin-Jung, München

In den USA läuft es schon seit mehr als einem Jahr, in Großbritannien seit drei Monaten, jetzt steigt der Internet-Versandhändler Amazon auch in Deutschland ins Geschäft mit digitalen Musik-Abos via Internet ein. Der Leiter von Amazons Musikbusiness, Steve Boom, hebt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung hervor, dass seine Firma die einzige sei, die sowohl Datenträger wie auch Musikdateien zum Herunterladen und nun auch einen Abodienst anbieten könne.

Dass sich Amazon damit das eigene Geschäft zerstöre, immerhin machen in Deutschland CDs und Vinyl-Platten noch 70 Prozent des Umsatzes aus, glaubt Boom dennoch nicht. Der Leiter des Musikgeschäfts in Deutschland und Österreich, René Fasco, ergänzt: "Die Kunden wählen sehr genau aus. Eine Sammelbox eines Künstlers wollen sie vielleicht gerne physisch besitzen, bei anderer Musik reicht ihnen auch der elektronische Download."

Für Prime-Kunden inklusive

Der Dienst ist Teil von Amazons ursprünglich für die schnellere Lieferung vorgesehenen Dienstes Prime. Amazon hat ihn über die Jahre immer attraktiver gemacht - der Musikdienst war der nächste logische Schritt. Wie die vorangehenden dient er dazu, die Kunden an Amazon zu binden. Prime kostet in Deutschland 49 Euro und schließt auch den Zugriff auf die Videodatendatenbank Prime Video ein. Prime Music enthält nicht so viele Titel wie die Angebote der Konkurrenz, kostet aber keinen Aufpreis. Im Durchschnitt gäben die Kunden weniger als zehn Euro pro Monat für Musik aus, sagt Boom.

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Außerdem komme es nicht bloß auf die Menge an, sondern auf die richtige Auswahl, sagt René Fasco: "Wir haben in unserem Download-Katalog Stücke, die noch nie heruntergeladen wurden." Die Datenbank, die etwas mehr als eine Million Titel enthält, sei dagegen speziell auf den deutschen Markt zugeschnitten. Im Dienst enthalten ist zudem ein personalisiertes Radio, das sich mit der Zeit dem Musikgeschmack des Nutzers anpasst.

Steve Jobs als Retter der Musikindustrie

Die Musikbranche macht seit Mitte der Neunzigerjahre einen tief greifenden Wandel durch. Damals erlaubte es die vom Fraunhofer-Institut entwickelte MP3- Technik, mit der sich digitalisierte Musik sehr platzsparend abspeichern ließ, erstmals, Musik massenhaft über das Internet zu verbreiten. Die Industrie brauchte sehr lange, um die Kultur der kostenlosen Downloads über sogenannte Tauschbörsen wieder einzudämmen.

Eigentlich gebührt dieses Verdienst Apple-Gründer Steve Jobs. Er überredete die Bosse der großen Labels dazu, Lieder für 99 Cent pro Stück zum Herunterladen bereitzustellen. Besitzen die Kunden dieser Download-Dienste dann wenigstens noch die Datei, so haben sie bei der jüngsten Variante des digitalen Musikvertriebs, den Streaming-Diensten, im Prinzip bloß noch einen Schlüssel zu einer Musikdatenbank in der Hand. Die Musik kommt - daher auch der Name - lediglich als ein Strom von Daten zum Kunden, verbleibt aber nicht dort. Ist die Musik verklungen, ist in der Regel auch die Datei wieder verschwunden.

Die Kataloge von Spotify und Apple Music haben Lücken

Um einen Streaming-Dienst zu nutzen, muss man sich bei diesem anmelden. Einige, wie etwa Spotify, bieten einen werbefinanzierten Zugang an, der für den Kunden kostenlos ist. Bei anderen gibt es nur den kostenpflichtigen Dienst, meist werden dafür etwa zehn Euro pro Monat fällig. Die Datenbanken der Anbieter sind riesig, sie bieten meist zwischen 20 und 35 Millionen Stücke an.

Vollständigkeit darf man trotzdem nicht erwarten. Die meisten Songs der Beatles zum Beispiel gibt es nicht als Stream, Fans von klassischer Musik oder Jazz vermissen bei den Diensten Angaben über Interpreten und ärgern sich über viele nutzlose Sammelalben, die zwar den Katalog aufblähen, aber nichts Neues bieten. Viele Aufnahmen aus dem sogenannten Backkatalog vor allem der Klassik-Labels sind auch überhaupt noch nicht digitalisiert oder noch nicht mit den Angaben für die elektronischen Datenbanken, den sogenannten Tags, versehen.

Die nordischen Länder liegen beim Musikstreaming weit vorne

Welche Quellen die Musikhörer nutzen, ist von Land zu Land sehr verschieden. Die nordischen Länder, allen voran Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark sind die Vorreiter in Sachen Musikstreaming. In Deutschland und Österreich dagegen spielt dieser Vertriebsweg noch eine sehr untergeordnete Rolle. Hier herrscht noch der traditionelle Kauf von Datenträgern vor - noch vor dem Kauf von elektronischen Musikdateien.

Am meisten Musik aber hören die Deutschen im Radio, nur sechs Prozent der Zeit, in der Musik gehört wird, entfallen auf Streaming-Dienste. Dementsprechend entfielen dem Bundesverband Musikindustrie zufolge 2014 nur acht Prozent des Umsatzes der Branche auf Streaming - das waren aber immerhin fast 80 Prozent mehr als im Jahr davor. In diesem Jahr dürfte die Bilanz noch mal anders aussehen - sind doch mit Apple Music, dem Angebot von Aldi und nun Amazon attraktive Angebote dazugekommen.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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