Kriminalität:Drei Gründe, warum Ermittler erfolgreich Drogenplätze aus dem Darknet werfen

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  • Binnen vier Monaten ist es Ermittlern gelungen, die mutmaßlichen Betreiber von vier großen Marktplätzen im Darknet zu identifizieren.
  • Noch vor wenigen Jahren schienen Ermittlungen in diesem Bereich für größere Probleme zu sorgen.
  • Zu den drei Gründen gehört, dass ein Erfolg den nächsten ermöglichen kann.

Von Hakan Tanriverdi

Lucky ist IT-affin, er kennt sich aus mit Computern. So gut, dass er einen Marktplatz im Darknet aufziehen konnte, über den Waffen und Drogen verkauft wurden. Auch die Glock 17, die David S. benutzte, um beim Amoklauf in München neun Menschen zu töten, gelangte über "Deutschland im Deep Web" (DiDW) in die Hände des Attentäters.

Der Marktplatz war technisch so gut aufgezogen, dass die Staatsanwälte auch Monate später noch "bemerkenswert" finden, dass Lucky DiDW mutmaßlich im Alleingang aufgezogen hat. Entsprechend zufrieden sind die Ermittler jetzt. Denn obwohl er "äußerst vorsichtsbewusst" gehandelt habe, konnte er identifiziert und die Seite abgeschaltet werden. Lucky sitzt mittlerweile in Haft, ihm wird der Prozess gemacht.

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"Deutschland im Deep Web" ist eines von vier Foren, das Fahnder und Justiz innerhalb von vier Monaten aus dem Netz werfen konnten. Im März erwischte es Crimenetwork.biz (Waffen, Drogen, Kreditkarten), im Juni DiDW, und im Juli gelang es Ermittlern, gleich zwei Foren abzuschalten: Elysium (Kinderpornografie, Verabredung für Vergewaltigungen von Kleinkindern) und Hansa-Market (Waffen und Drogen).

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Schnell hatte sich gezeigt, dass auch Deutsche mitmischen im internationalen Schwarzmarkt-Geschäft, das über Webseiten koordiniert wird, die mit herkömmlichen Browsern nicht zu erreichen sind. Benötigt werden dazu auf Anonymität ausgelegte Browser, wie zum Beispiel Tor.

Doch nicht nur Kriminelle nutzen solche Browser für ihre Zwecke. Für Oppositionelle in repressiven Ländern kann solche Software essenziell sein, um die Öffentlichkeit zu informieren.

Eine Erfolgsgeschichte für Ermittler

Das Abschalten von vier Foren ist eine Erfolgsgeschichte für Strafverfolger, die in Gesprächen lange Jahre überfordert wirkten anlässlich all der Daten, die verschlüsselt verschickt werden. Was hat sich also geändert, wie lässt sich der Erfolg erklären? Die Verschlüsselung ist es jedenfalls nicht. Technisch gesehen ist die Sicherheit, die Tor bietet, weiterhin gegeben, auch wenn es hin und wieder, wie bei jeder Software, Schwachstellen gibt, die Ermittler ausnutzen können; in Deutschland ist das allerdings nicht erlaubt.

Georg Ungefuk, leitender Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, nennt drei Gründe. Erstens: "Wir sind deutlich besser aufgestellt." Das Bundeskriminalamt (BKA) habe im Bereich der Darknet-Kriminalität in den vergangenen Jahren sehr viel geleistet. Sowohl beim BKA als auch in der Justiz seien "ganz massiv die Kapazitäten ausgebaut" worden. Das Ergebnis: Mehr Daten, die analysiert werden können.

Zweitens sei die internationale Zusammenarbeit spürbar besser geworden. Die Betreiber des Hansa Markets etwa wurden durch die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) identifiziert. Die ZIT gehört zur Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt.

Parallel dazu gelang es US-Behörden, die Betreiber des größten Darknet-Marktplatzes, Alphabay, zu ermitteln. Darüber habe man sich ausgetauscht, und am Ende sei ein "massiver Schlag gegen zwei der Top 3" gelungen, wie es Europol-Chef Rob Wainwright in einem Interview formulierte.

Ermittler in den Niederlanden übernahmen den Marktplatz für vier Wochen und veränderten den Quellcode der Seite. So gelangten sie unter anderem an Privatnachrichten und Bestellungen. Verschickt wurden dabei auch fingierte Dokumente, die beim Öffnen den Standort der Nutzer verrieten (die ja eigentlich anonym über den Tor-Browser unterwegs waren), wie die US-Webseite The Daily Beast berichtet. Durch diese Abstimmung war es den Ermittlern möglich, sowohl bereits aktive Nutzer zu enttarnen als auch jene, die von Alphabay zu Hansa wechselten.

"Viele haben sich sicher gewähnt"

Drittens, sagt Ungefuk, verfügen die Ermittler über sehr viele Daten. "Nehmen wir Hansa Market. Wir haben nun die Daten der gesamten Plattform." Ein Erfolg bereite so den nächsten vor. Man müsse sich alle Einträge anschauen - und immer wieder puzzeln. Ungefuk hofft, dass Kleinkriminelle die Erfolgsserie der Ermittler zum Anlass nehmen, um noch einmal nachzudenken. "Wir wollen ein Zeichen setzen und einige davon abhalten, sich stärker in die Szene hineinzubewegen. Viele haben sich in der Vergangenheit sicher gewähnt. Doch so einfach ist es nicht."

Realistisch bleiben müsse man trotzdem, sagt der Staatsanwalt. Werde heute ein Forum abgeschaltet, dann seien übermorgen schon die Nachfolger da.

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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