Games-Messe E3:Warum Sony und Microsoft bald vielleicht keine Spiele mehr verkaufen

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Spieler testen am Xbox-Stand auf der E3 die neuesten Spiele (Foto: AP)

Herunterladen oder Streamen? Flatrate, Abo oder lieber ein schnöder Stückpreis. Auf der Spielemesse E3 in Los Angeles suchen Hersteller wie Microsoft, Sony und Nintendo nach dem besten Geschäftsmodell.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Auf der Videospielmesse in Los Angeles tragen die Leute entweder ein T-Shirt mit einem vermeintlich witzigen Spruch darauf oder sie sind so gekleidet wie der Protagonist eines Computerspiels. Die Hersteller preisen ihre Produkte an, so wie Aale-Dieter auf dem Hamburger Fischmarkt - und irgendwann wird die Gretchenfrage gestellt: Microsoft, Sony oder vielleicht doch Nintendo?

Auf der Electronic Entertainment Expo (E 3) in Los Angeles sieht es so aus: Nintendo preist den Erfolg des Konsolen-Handheld-Hybriden Switch, der vor wenigen Monaten auf den Markt gekommen ist und sich trotz technischer Unterlegenheit wegen der Immer-dabei-Funktion und natürlich auch wegen des Spiels "Legend of Zelda: Breath of the Wild" bestens verkauft. Sony verweist derweil auf die tatsächlich imposante Liste an Produkten für seine Konsole Playstation 4 Pro, und Microsoft präsentiert das Konsolen-Kraftpaket Xbox One X, das im November für 499 Dollar erhältlich sein wird.

Einige Fans trugen bei der Vorstellung T-Shirts, auf denen stand: "I witnessed the most powerful console ever" - ich habe die leistungsstärkste Konsole überhaupt erlebt. Das hätte Aale-Dieter auch nicht werbewirksamer formulieren können.

In Zeiten von Hulu, Netflix und Spotify liegt es nahe, sich neue Vertriebswege zu suchen

Wer die stets viel zu lauten und viel zu langen Präsentationen der Konsolen-Hersteller verfolgt und ein paar Stunden über das Messegelände im Stadtzentrum von Los Angeles läuft, der bemerkt irgendwann, dass dieser seit Jahren geführte Kampf der Konsolen ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit sein könnte, in der die Kunden eine Plattform gewählt und sich dann einzelne Spiele gekauft haben. Auf Smartphones haben sich bereits andere Geschäftsmodelle etabliert, etwa eine kostenlose Grundversion und kostenpflichtige Upgrades. Sollte es in einer Zeit, in der Menschen TV-Serien über Streamingdienste wie Netflix, Hulu oder Amazon konsumieren und Musik über Plattformen wie Apple-Music oder Spotify, nicht auch neue Vertriebswege für Videospiele geben?

Das interessanteste Gesprächsthema ist deshalb vielleicht gar nicht die neue Konsole von Microsoft, sondern die Spiele-Flatrate Game Pass, die das Unternehmen vor zwei Wochen eingeführt hat: Für zehn Euro pro Monat bekommt der Kunde unbegrenzten Zugriff auf zunächst einmal 100 Spiele - darunter "Halo 5", Klassiker wie "NBA 2 K 16" oder Füller wie das neun Jahre alte Independent-Spiel "Braid".

"Unsere Erwartungen in den ersten beiden Wochen wurden deutlich übertroffen, die Kunden sind begeistert", sagt Microsoft-Vizepräsident Mike Nichols: "Wir müssen das Angebot aber aktuell halten. Wir müssen auf die Wünsche der Kunden reagieren." Das hört sich weniger nach Aale-Dieter an als vielmehr nach Netflix-Programmchef Ted Sarandos, der auch stets neue Inhalte für seinen Streamingdienst fordert.

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"Die Kunden haben für eine verhältnismäßig geringe Abonnement-Gebühr Zugang zu zahlreichen Inhalten, aufgrund der Vielfalt wollen wir möglichst viele Menschen ansprechen", sagt Microsoft-Vize Nichols: "Wir registrieren natürlich den Wandel in anderen Unterhaltungsbranchen. Die ersten Wochen zeigen, dass die Kunden auf dieses Modell reagieren." Die Flatrate ermögliche es etwa, vor dem Erscheinen der aktuellen Version einer etablierten Spieleserie sämtliche Vorgänger zum Marathon-Spielen anzubieten: "Wir werden nun anhand der Daten lernen und mit unseren Partnern darüber sprechen: Was ist ein Spiel wert? Wie viel ist es vier Monate nach dem Start wert? Wann hat es Sinn, es in Game Pass zu integrieren? Das werden wir in den nächsten Monaten lernen."

Ohne Technik geht nichts. Aber das Wichtigste ist, die Kunden zu begeistern

Konkurrent Sony hat mit Playstation Now einen ähnlichen Service, für etwa 20 Dollar pro Monat können die Kunden aus einem Fundus von 450 Spielen wählen, die allesamt aus dem älteren Playstation-3-Universum stammen. Der Vorteil: Es braucht keine Konsole, sämtliche Produkte können auch von einem Computer aus gespielt werden.

Das hatte Microsoft für den Game Pass auch geplant, die PC-Unterstützung hat es aber nicht in die fertige Version geschafft. Der Nachteil bei Sony: Die Spiele werden nur als Streamingversion angeboten, weshalb eine schnelle und reibungslose Internetverbindung notwendig ist. Die Microsoft-Game-Pass-Angebote können heruntergeladen werden.

Auch Nintendo will so einen Flatrate-Service einführen, der im Vergleich zur Konkurrenz noch etwas spartanisch anmutet: 20 Dollar im Jahr soll der Kunde für die Online-Anbindung samt Spiele-Flatrate bezahlen. Dafür kann er Spiele wie "Super Mario Bros. 3", "Dr. Mario" und "Balloon Fight" herunterladen und so lange behalten, wie er Abonnent ist. Weitere Titel werden in regelmäßigen Abständen dazukommen. Das führt zur Frage, wann das japanische Unternehmen seinen Safe öffnet, in dem Klassiker wie "The Legend of Zelda", "Super Mario 64" oder "Pilotwings" liegen und die eine Spiele-Flatrate von Nintendo attraktiver machen würden.

Natürlich debattieren die Leute auf der E 3 wieder über die Gretchenfrage von Videospielmessen. Dabei geht es jedoch weniger um die technischen Details der Konsolen, sondern vielmehr darum: Welcher Hersteller kann die Produzenten jener Spiele für sich begeistern, die Kunden unbedingt haben wollen? Es könnte sein, dass die nächste Runde im Kampf der Konsolen darüber entschieden wird, welche Spiele in welchem Abonnementmodell enthalten sind.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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