USA:Twitter der Schwarzen

Lesezeit: 4 min

Black Lives Matter ist vom Hashtag zur Bürgerrechtsbewegung geworden. (Foto: REUTERS)

Black Twitter ist ein Netzwerk im Netzwerk, das Themen für ganz Amerika setzt. Würde Martin Luther King Jr. heute leben, er wäre Teil davon.

Von Sara Weber

Hätte Martin Luther King Jr. heute einen Traum, er würde wohl darüber twittern, vielleicht unter dem Namen @mlk und dem Hashtag #IHaveADream. Denn die Schwarzen Amerikas versammeln sich statt sich in Kirchen, in Gemeindezentren oder auf der Straße heute auf Twitter, genauer auf Black Twitter.

Black Twitter ist wie ein Klub ohne Schild: Um es zu finden, muss man von seiner Existenz wissen. Black Twitter ist keine Unterseite von Twitter, die man einfach anklicken kann, sondern eine Art Netzwerk im Netzwerk. Es ist eine Gemeinschaft, die innerhalb des sozialen Netzwerks Twitter zusammengefunden hat. Die Mitglieder sind sehr aktiv, sie kennen sich, haben gemeinsame Themen und sind in der Regel schwarz. Aber nicht jeder, der schwarz ist, ist automatisch Teil von Black Twitter. Und man muss auch nicht zwingend schwarz sein, um zu Black Twitter zu gehören.

Nicht nur ein Elitennetzwerk

Viele Mitglieder von Black Twitter sind Journalisten, Aktivisten und Prominente. Anders als in Deutschland ist Twitter in den USA aber kein Eliten- sondern ein Mainstream-Medium, in dem Schwarze deutlich aktiver sind als Weiße. 40 Prozent der 18- bis 29-jährigen Afro-Amerikaner nutzen Twitter, vertreten sind alle sozialen Schichten und Gehaltsklassen.

Twitter ist bei Schwarzen so beliebt, weil sie dort ungefiltert und unabhängig von Medieninteresse und Berichterstattung über die Themen sprechen können, die ihren Alltag bestimmen. Und weil das Black-Twitter-Netzwerk so groß ist, werden seine Themen oft zu nationalen Themen, von Popkultur bis Politik.

Dass die Fernsehserie "Empire", die vom Leben eines Hiphop-Moguls und seiner Familie handelt, zum größten TV-Erfolg der jüngsten Zeit geworden ist, ist Black Twitter zuzuschreiben. 94 Prozent aller Schwarzen zwischen 18 und 49 Jahren, die während der Ausstrahlung des Staffelfinales den Fernseher laufen hatten, schauten "Empire" - da konnte selbst der Superbowl nicht mithalten.

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Dass die schwarze Drehbuchautorin und Produzentin Shonda Rhimes mittlerweile einen ganzen Serienabend beim US-Sender ABC unter dem Titel "Thank God, it's Thursday" (#tgit) bespielen darf, hat sie ebenfalls Black Twitter zu verdanken.

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Rhimes ist an allen drei Serien - "Grey's Anatomy", "Scandal" und "How to get away with murder" (HTGAWM) - maßgeblich beteiligt, entweder als Autorin oder Produzentin. Schauspielerin Viola Davis bekam jüngst den Emmy als beste Hauptdarstellerin einer Drama-Serie für ihre Rolle in HTGAWM, als erste schwarze Frau überhaupt. Gefeiert wurde sie, natürlich, auf Black Twitter.

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Rachel Dolezal, Präsidentin der schwarzen Bürgerrechtsorganisation NAAPC, musste sich öffentlich dafür verantworten, dass sie ihre afro-amerikanische Herkunft nur erfunden hatte, nachdem #RachelDolezal auf Twitter zum Trending Topic wurde. Wenig später trat sie zurück. Zugleich machte sich Black Twitter über sie lustig: Wenn sie wirklich so schwarz sei, wie sie behaupte, müsse sie sich auch mit schwarzer Kultur auskennen - so die Prämisse der Quizfragen unter dem Hashtag #AskRachel.

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Doch es geht nicht immer nur um Fernsehen, Musik und Identitätslügen, Black Twitter ist auch politisch. Als der schwarze Jugendliche Michael Brown im August 2014 vom weißen Polizisten Darren Wilson in Ferguson, Missouri, erschossen wurde und sein Leichnam vier Stunden lang auf der Straße liegen blieb, trug Black Twitter den Protest aus der Kleinstadt hinaus in die ganze Welt.

Auf Twitter wurden Videos und Fotos von der Lage vor Ort gepostet. "Wir zeigen euch, was wirklich passiert", so das Versprechen der Community. "Wir sind euer Fenster zur schwarzen Welt." Tagelang wurde live aus #Ferguson berichtet, von Demonstrationen, von der Aufrüstung der Polizei, aber auch vom ganz normalen Alltag.

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#MichaelBrown wurde vom Namen zum Hashtag, #HandsUpDontShoot wurde zum Slogan, der im Netz gerufen und auf Plakate geschrieben wurde, aus #BlackLivesMatter wurde eine Bewegung, die sich für die Rechte schwarzer Amerikaner einsetzt.

Weil die Black-Twitter-Gemeinde groß und gut vernetzt ist, schafft sie es, Themen aus dem Netz in die analoge Welt zu übertragen. Der Hashtag #IfTheyGunnedMeDown wurde zum Trending Topic, weil nach Browns Tod häufig ein Foto des Jugendlichen in Gangster-Pose gezeigt wurde, statt eines von seiner High-School-Abschlussfeier.

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Welches Foto würden die Medien von mir zeigen, wenn ich erschossen werden würde? Diese Frage stellten sich hunderte schwarze Männer und Frauen auf Twitter. Die Tweets führten schließlich zu einer Titelgeschichte in der New York Times, die hinterfragte, wie junge Afro-Amerikaner in den Medien dargestellt werden.

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In den vergangenen Monaten sind immer wieder Namen zu Hashtags geworden: #TrayvonMartin, #EricGarner, #WalterScott, #TamirRice, #RekiaBoyd. Der letzte Fall, der auch international bekannt wurde, war der Fall Sandra Bland, einer 28-Jährigen, die beim Spurwechsel das Blinken vergaß, festgenommen wurde und im Gefängnis Selbstmord beging, unter zunächst zweifelhaften Umständen.

Tagelang gehörten #SandraBland, #WhatHappenedToSandraBland und #JusticeForSandyBland zu den wichtigsten Hashtags auf Twitter, unter #IfIDieInPoliceCustody teilten Afro-Amerikaner mit, was sie der Welt gerne sagen würden, sollten sie in Polizeigewahrsam ums Leben kommen:

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Erst eine knappe Woche nach ihrem Tod begannen amerikanische und internationale Medien, über Sandra Bland zu berichten. In der Zwischenzeit gab es mit Black Twitter eine andere Plattform für die Berichterstattung. Ohne den tagelangen Druck im Netz wäre Blands Tod wahrscheinlich nicht lautstark hinterfragt worden. Doch dann schlossen sich weitere Ermittlungen an - und Polizeiwillkür gegenüber Schwarzen wurde erneut zum Thema.

Einfluss auf Medien und Politik

Black Twitter ist mächtig, auch weil alle großen Medienunternehmen in den USA den Kanal für ihre Berichterstattung entdeckt haben. Die Los Angeles Times hat sogar einen Reporter eingestellt, der sich ausschließlich um Black Twitter kümmert. Auch die Politik kann die Fälle, die durch Black Twitter groß werden, nicht ignorieren. Nach dem Tod von Michael Brown und den darauffolgenden Protesten untersuchte das US-Justizministerium die Polizei von Ferguson - und kam zu dem Ergebnis, dass die Polizisten dort übermäßig häufig gewalttätig gegen Schwarze vorgehen und diese mit Geldstrafen belegen.

Auch im aktuellen Vorwahlkampf um das Präsidentenamt spielt Black Twitter eine Rolle: Aktivist DeRay Mckesson (@deray, 236 000 Follower) bat im September Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton um ein Treffen, natürlich per Tweet. Kurz darauf erhielt er eine Antwort:

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Bei dem Treffen Anfang Oktober waren noch weitere Aktivisten dabei: @Nettaaaaaaaa, @MsPackyetti, @2LiveUnchained und @samswey. Sie alle sind Teil von Black Twitter und Gesichter einer Generation junger schwarzer Menschen, die wollen, dass ihre Stimmen gehört werden.

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