Studium:Studenten ohne Abi fallen häufiger durch Prüfungen

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Studenten in einem Hörsaal der Uni Heidelberg (Foto: dpa)
  • Drei bis vier Prozent der Studenten in Deutschland haben kein Abitur.
  • Eine Fallstudie zeigt nun, dass sie sich mit dem erfolgreichen Studieren schwerer tun als Kommilitonen mit Hochschulreife.

Von Johann Osel, München

Studenten ohne Abitur haben es an der Hochschule deutlich schwerer als bislang angenommen. Seit Jahren forciert die Politik den Zugang zum Studium für beruflich Qualifizierte wie Meister und Ausgebildete mit Berufserfahrung. Mittlerweile haben in den Hörsälen drei bis vier Prozent der Leute keine Hochschulreife, Tendenz steigend. Die Fallstudie eines vom Bund geförderten Projekts zeigt nun: die Erfahrung der meist älteren Studierenden, wie Selbständigkeit und Disziplin, können die fachlich-methodischen Kompetenzen in Mathematik oder im Umgang mit Texten "nicht vollständig kompensieren". Die Analyse der Forscher Tobias Brändle und Holger Lengfeld ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Soziologie erschienen.

Daten von gut 4000 Studenten der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg stehen im Fokus der Analyse - in diesen Fächern studiert bundesweit fast jeder zweite beruflich Qualifizierte. Den Erfolg oder Misserfolg haben die Forscher sieben Jahre beobachtet. Demnach besteht bei Studenten ohne Abitur eine 20 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit, das Studium abzuschließen. Im ersten Jahr ist zudem die Quote der bestandenen Lehrveranstaltungen bei nicht-klassischen Studenten um zwölf Prozent niedriger.

Außer fachlichen Lücken nennt die Analyse zwei weitere Aspekte: Einerseits "habituelle Unterschiede". So stammten beruflich Qualifizierte oft nicht aus Akademikerfamilien, in der Studie zwei Drittel. Dies könne ein Fremdeln mit der akademischen Welt verursachen. Zum anderen führen die Forscher die Lebensumstände der Studenten ohne Abitur auf. Feste Partnerschaften und Ehen, Kinder, parallel Jobs - andere Verpflichtungen als der Studienanfänger frisch vom Gymnasium.

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Besonders wenn höhere Mathematik im Spiel ist, haben Praktiker Probleme

"Die Öffnung der Hochschulen für neue Zielgruppen ist eine zeitgemäße Antwort auf Fachkräftebedarf und demografischen Wandel", sagt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Durchlässigkeit im System sei "Herausforderung und Chance", schrieben dagegen die Regierungsberater des Wissenschaftsrates etwas skeptischer in einem Gutachten. Viele Studenten müssten "einen riesigen Lernrückstand aufholen" - ohne Brückenkurse und Coaching unmöglich. Besonders da, wo höhere Mathematik im Spiel ist: in statistiklastigen Fächern wie eben Sozialwissenschaften, mehr noch in Technik. Die Hochschulrektorenkonferenz verweist in dem Punkt auch auf die Kosten von Zusatzangeboten.

Vielleicht ist das ein Grund, warum Unis seltener beruflich Qualifizierte annehmen als Fachhochschulen oder private, gebührenpflichtige Hochschulen. Wobei es Brückenkurse an Unis durchaus gibt, mitunter aber eher zum Aussortieren. Eine angehende Ingenieurin aus Niedersachsen, gelernte Bürokauffrau, erzählt: "Es gab einen Mathe-Vorkurs, aber darin wurde nicht gelehrt, sondern vorgeführt, was man alles nicht kann."

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Forschungen zum Thema gibt es bis dato wenig. Die Fallstudie lasse sich "nicht "umstandlos generalisieren", schreiben die Autoren. Da aber die analysierte Uni mit Studenten ohne Abitur Erfahrung hat, dürften Leistungsschwankungen andernorts noch größer sein. Ein Trost bleibt jedoch: Wer sich durchboxt, steht am Ende kaum schlechter da. Die Abschlussnoten variieren in der Fallstudie um zwei Zehntel: beruflich Qualifizierte schafften knapp eine Zwei.

© SZ vom 09.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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