Hochschulreformen:Was steckt hinter dem Bologna-Prozess?

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Alle reden von Bologna - doch was ist außer einer italienischen Stadt eigentlich damit gemeint? Der Bologna-Prozess hat die europäische Hochschullandschaft in den vergangenen Jahren umgekrempelt. Und die Reformen gehen weit über ECTS-Punkte und Bachelor-Abschluss hinaus.

Seit 1999 ist Bologna nicht mehr einfach eine Stadt in Norditalien. Sondern Synonym für einen Reformprozess, der seitdem die Hochschullandschaft europaweit neu geordnet hat. In Bologna beschlossen die Wissenschaftsminister von 29 europäischen Ländern, die Studienstrukturen in Europa einander anzugleichen - bis 2010 sollte ein einheitlicher europäischer Hochschulraum geschaffen werden.

In erster Linie ging es den Urhebern des Bologna-Prozesses um eine Modernisierung der Hochschulen, die Vereinheitlichung der Studiensysteme und -abschlüsse, um mehr Mobilität, internationalen Austausch und länderübergreifende Qualitätsstandards zu erreichen. In der Bologna-Erklärung vom 19. Juni 1999, der sich mittlerweile insgesamt 48 Länder angeschlossen haben, sind sechs Maßnahmen festgeschrieben:

  • Verbesserung der Vergleichbarkeit von Abschlüssen sowie die Einführung eines gemeinsamen Diplomzusatzes (Diploma Supplement), um die Transparenz zu verbessern
  • zweistufiges System von Studienabschlüssen: ein erster, berufsqualifizierender Studienabschnitt von mindestens drei Jahren (Bachelor) und ein zweiter Studienabschnitt (Master), der den Abschluss des ersten Abschnitts voraussetzt
  • Leistungspunktesystem nach dem ECTS-Modell, das bei Austauschmaßnahmen im Rahmen von Erasmus zur Anwendung kommt
  • Förderung der Mobilität von Studenten, Lehrkräften und Wissenschaftlern und Beseitigung von Mobilitätshemmnissen aller Art
  • europäische Zusammenarbeit im Bereich der Qualitätssicherung
  • europäische Dimension in der Hochschulausbildung: Steigerung der Studieninhalte mit Europabezug

Für Deutschland bedeutete das im Studienalltag beispielsweise die Abschaffung der alten Magister-, Diplom- und Staatsexamens-Studiengänge und die Umstellung auf Bachelor und Master. Das Studium selbst ist seither in Module gegliedert, Leistung wird nach ECTS-Noten und -Leistungspunkten bewertet.

Allerdings ging der Bologna-Prozess alles andere als reibungslos vonstatten und die Umsetzung war in vielen Ländern längst nicht bis 2010 abgeschlossen. Die Beschlüsse von Bologna sind völkerrechtlich nicht bindend, sodass es den beteiligten Länder selbst überlassen bleibt, inwieweit sie sich an die Absprachen halten und wie schnell sie die angestrebten Reformen tatsächlich umsetzen.

Wegen der Verzögerungen in vielen Ländern und weil außerdem im Laufe des Prozesses weitere Beschlüsse wie etwa die Vereinheitlichung der Promotion hinzukamen, haben sich die Wissenschaftsminister Zeit bis 2020 gegeben, um sämtliche - auch die neu vereinbarten - Ziele zu erreichen.

Durch all diese Maßnahmen soll es Studenten letztlich erleichtert werden, ein Semester oder ihr ganzes Studium im Ausland zu verbringen und nach dem Abschluss in einem anderen Land zu arbeiten. Auch die Attraktivität des europäischen Hochschulraums über Europa hinaus soll gesteigert werden. Inwieweit die Ziele erreicht wurden und ob die deutschen Hochschulen nun von Bologna profitiert haben, ist höchst umstritten. Während Befürworter auf die Erfolge und zunehmende Akzeptanz verweisen, gibt es massive Kritik an der Umsetzung der Reformen und deren Auswirkungen - nicht zuletzt von den Studenten selbst.

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