Chancengleichheit in der Wissenschaft:Drei Viertel aller Profs sind Männer

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Eine Karriere in der Wissenschaft ist für Frauen voller Hürden. (Foto: Samuel Zeller/Unsplash)
  • Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen zeigt, wie schwer Frauen an deutschen Universitäten Karriere machen.
  • Obwohl sie ebenso häufig ein Studium beginnen und beinahe so oft Promotionen verfassen, machen Frauen anschließend erheblich seltener Karriere in der Wissenschaft.
  • In der höchsten Besoldungsgruppe der W3-Professuren sind nur noch 20 Prozent Frauen, was vier Prozent unter dem EU-Durchschnitt liegt.
  • Die Bundesregierung erklärt in ihrer Antwort, das Thema wichtig zu finden und verweist unter anderem auf ihr Professorinnenprogramm von 2008.

Von Susanne Klein, München

96 Jahre ist es her, dass in Deutschland die erste ordentliche Professorin eine Stelle antrat. Verbeamtet, eigener Lehrstuhl, das hatte vor Margarete von Wrangell noch keine Frau geschafft. Die Chemikerin lehrte, forschte, leitete ein renommiertes Institut für Pflanzenernährung. Knapp ein Jahrhundert später sind in Deutschland ein Viertel aller Professuren mit Frauen besetzt. Zweifellos ein Fortschritt, die Frage ist nur: Kann man damit zufrieden sein?

Kann man nicht, finden die Grünen im Bundestag. "Je höher die Hierarchieebene und die Besoldungsstufe, desto dünner die Luft für qualifizierte Frauen", sagt Kai Gehring. Der wissenschaftspolitische Sprecher hat für seine Fraktion eine Kleine Anfrage an den Bundestag gerichtet. Stoßrichtung: Wie steht es um faire Chancen für Frauen in der Wissenschaft? Immerhin haben die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, aktiv dazu beizutragen, "dass Frauen vermehrt Führungspositionen in Hochschulen und Forschungseinrichtungen übernehmen". Daran sollen sie sich messen lassen.

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Die Antwort des Bundesforschungsministeriums, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, bestätigt Gehrings Urteil. Aus den 53 Seiten mit vielen Zahlen lässt sich herauslesen: Obwohl Frauen heute häufiger Abitur machen als Männer, ebenso häufig ein Studium beginnen wie diese und beinahe so oft Promotionen verfassen, machen sie anschließend erheblich seltener Karriere.

Dass sie auf dem Weg nach oben trotz hoher Qualifikationen stärker auf Barrieren stoßen, wird besonders bei den Professorinnen deutlich: Rechnet man die befristeten Juniorprofessuren und die geringer bezahlten W2-Professuren heraus, dann sind Frauen in der höchsten Besoldungsgruppe der W3-Professuren nur noch mit 20 Prozent vertreten. Acht von zehn dieser begehrten Stellen gehören Männern.

Wie nehmen sich solche Zahlen im europäischen Vergleich aus? Nicht gut, muss die Bundesregierung in ihrer Antwort zugeben: Die "She Figures" 2018 der EU-Kommission zeigen, dass der Frauenanteil bei W3-Professuren knapp vier Prozentpunkte unter dem EU-Durchschnitt liegt - damit rangiert Deutschland an viertletzter Stelle. Bei den Führungspositionen in Hochschulen ist der Abstand ebenso groß, nur bei den Promotionen liegen deutsche Wissenschaftlerinnen gleichauf - umso steiler fällt im EU-Vergleich ihr anschließender Karriereknick aus.

Die Ursachen der Ungleichheit sind bekannt: Familienunfreundliche Bedingungen, Männernetzwerke und männlich geprägte Leistungsdefinitionen seien verantwortlich dafür, "dass sich viel zu viele kluge Frauen nach der Promotion aus der Wissenschaft verabschieden", so der Sprecher der Grünen.

Die Regierung betont, längst etwas dagegen zu unternehmen, mit dem Professorinnenprogramm etwa. Mehr als 500 Stellen wurden damit in Hochschulen mit guten Gleichstellungskonzepten seit 2008 anschubfinanziert. Ein Blick in die Statistik zeigt jedoch: Das entspricht nur einem Prozent aller Professuren. Zudem läuft die Maßnahme 2022 aus. Auf die Frage nach "genuin neuen Initiativen" kann der Bund bis auf einige, meist unverbindliche Richtlinien in Förderprogrammen, etwa zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nicht viel vorweisen. "Ein Kulturwandel zugunsten von Frauenkarrieren ist überfällig", sagt Gehring. Doch der kann nur gelingen, wenn die Hochschulen selbst mitziehen.

Sogar die Uni Hohenheim, die 1923 Margarete von Wrangell berief, muss sich noch mächtig anstrengen. Ihr Professorinnenanteil liegt auch nur bei 25 Prozent.

© SZ vom 16.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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