Wissenschaft:Schluss mit dem Männer-Muff!

Wissenschaft: Es betrifft viele Fachkräfte: Männer machen Karriere, Frauen steigen aus oder selten auf.

Es betrifft viele Fachkräfte: Männer machen Karriere, Frauen steigen aus oder selten auf.

(Foto: Jay Clark/Unsplash; Bearbeitung SZ)

Wenn die Haupt-Gemeinsamkeiten der Wissenschafts-Elite nicht nur Brillanz oder Engagement sind, sondern auch Bartstoppeln und Hemdkrägen, ist das gesellschaftliche Vertrauen in die Wissenschaft strapaziert.

Kommentar von Jana Anzlinger

Wenn eine Studentin sich im Jahr 2019 in einem typischen Hörsaal umblickt, sieht sie in den Bänken ungefähr gleich viele Frauen und Männer sitzen. Aber an der Tafel doziert meistens ein Mann. Und in den Lehrbüchern stehen vor allem Texte von Männern. Der Männer-Muff im Hochschulwesen signalisiert der Studentin: Eine Karriere in der Wissenschaft kannst du vergessen.

Männer machen Karriere, Frauen steigen aus oder selten auf: Das betrifft andere Fachkräfte genauso wie die Akademiker. Aber selten gibt es so deutliche Statistiken, wie sie jetzt veröffentlicht wurden. Sie zeigen, dass sich etwas ändern muss. Statt dass Professoren kungeln und Lieblingsstudenten fördern, sollten Stellen offen vergeben werden. Doktoranden, Postdocs und Professoren müssen Kinder und Karriere vereinen können. Deshalb ist mehr Kinderbetreuung an Hochschulen nötig - und es muss mehr Stellen geben, damit Eltern in Teilzeit arbeiten können statt in Vollzeit plus Überstunden.

Ungerechtigkeit und mangelnde Chancengleichheit sind immer problematisch - egal, ob sie Studierende und Promovierende betreffen, Einzelhandelskaufleute oder Pflegekräfte. Im Forschungssektor kommt erschwerend hinzu, dass seine Erkenntnisse Grundlage für viele Entscheidungen sind. Er ist damit ein Bereich, der das Vertrauen der Gesellschaft nicht verlieren darf. Dieses Vertrauen wird strapaziert, wenn die Haupt-Gemeinsamkeiten der Wissenschafts-Elite nicht nur Brillanz oder Engagement sind, sondern auch Bartstoppeln und Hemdkrägen.

Derartige Homogenität dürfte übrigens nicht gerade förderlich für Kreativität und neue Ansätze in der Wissenschaft sein, auf die Deutschland ansonsten eher stolz ist. Aber das Geschlechterverhältnis in der Wissenschaft wirkt im EU-Vergleich mittelalterlich - von wegen Wissenschaft als Aushängeschild.

Die Bundesregierung beteuert ihr Interesse an Chancengleichheit, ruht sich aber auf einem kaum wirksamen Programm aus dem Jahr 2008 aus. Investitionen, die Frauen den Ein- und Aufstieg in der Wissenschaft ermöglichen, würden sich genauso auszahlen wie andere Investitionen in Hochschulen, die der Staat zu Recht tätigt.

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An deutschen Hochschulen ist der weibliche Anteil in Führungspositionen deutlich geringer als der männliche. Obwohl sie ebenso häufig studieren und beinahe so oft promovieren, machen Frauen seltener Karriere in der Wissenschaft.

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