Hamburg:Steinmeier für mehr Streitkultur und Freiheit der Lehre

Lesezeit: 2 min

Angesichts der Aufregung um angebliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wieder mehr Streitkultur gefordert. Die...

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Hamburg (dpa/lno) - Angesichts der Aufregung um angebliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wieder mehr Streitkultur gefordert. Die Universität solle dabei kein Ort der geistigen Schonung sein, sondern ein Ort der Freiheit aller zum Reden und zum Denken, sagte er am Montag bei der Jahresversammlung der Hochschulrektoren in Hamburg. Der Bundespräsident trat auch Klagen über eine angeblich staatliche Meinungszensur und fehlende Meinungsfreiheit entgegen. „Wer das behauptet, lügt und führt Menschen in die Irre. Und wer das glaubt, fällt auf eine bewusste Strategie interessierter verantwortungsloser Kräfte herein.“

„Wir haben kein Problem mit der Meinungsfreiheit. Wir haben ein Problem mit unserer Streitkultur“, sagte Steinmeier vor rund 250 Hochschulrektoren. Diese Form der Auseinandersetzung müsse „aufs Neue“ gelernt werden. „Und weil die Universität seit Jahrhunderten der Ort ist, an dem eine Gesellschaft das Streiten lernt, so darf gerade die Universität - gerade heute - ihre Streitkultur auf keinen Fall verlernen!“

Die Welt brauche nicht nur gut ausgebildete Könner ihres Fachs, nicht nur fleißige Sammler von Creditpoints, sondern vor allem kritische und selbstkritische, politisch wache Menschen, sagte Steinmeier. Die Sozialen Medien vermittelten zwar den Eindruck, dass sich andere Meinungen einfach wegwischen ließen. Das verführe aber zu einem Absolutheitsanspruch, der trüge. „Denn Widerspruch und gegenteilige Ansichten kann man in der realen Welt eben nicht einfach wegschnippen.“

Auch dürfe eine angeblich gefühlte Freiheitseinschränkung „kein Freibrief für die Verbreitung von rücksichtslosen Beleidigungen und für ungebremsten Hass auf alle, die anders leben, anders denken, anders aussehen, anders lieben“ sein. „Es ist keine Legitimation für sprachliche Enthemmung, für Rassismus, für Frauenverachtung, für Schwulenfeindlichkeit, für Antisemitismus“, sagte Steinmeier.

Zur Causa Lucke äußerte sich der Bundespräsident nicht direkt, wies aber darauf hin, dass es Aufgabe der Universitäten sei, die Wissenschaftsfreiheit zu schützen: „Forschung und Lehre müssen frei sein! Diese unersetzliche Freiheit zu achten und nicht zu missbrauchen, ist Aufgabe aller an der Universität“, sagte er.

Der AfD-Mitgründer Bernd Lucke lehrt seit Oktober an der Uni Hamburg wieder Volkswirtschaftslehre, nachdem ihm der Wiedereinzug ins Europäische Parlament nicht gelungen war. Bei seinen ersten beiden Vorlesungen war er zum Teil massiv gestört worden. Die beiden folgenden Vorlesungen konnte er unter Polizeischutz abhalten, private Sicherheitskräfte kontrollierten die Studenten am Eingang.

Für Diskussionen sorgte auch ein geplantes Gespräch von FDP-Parteichef Christian Linder mit Studierenden, das nur außerhalb der Uni stattfinden konnte. Die Uni hatte eine Raumnutzung untersagt, da es sich um eine Veranstaltung mit parteipolitischer Ausrichtung handele.

„Ereignisse in den letzten Tagen und Wochen haben uns indes daran erinnert, dass die allgemeine Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit nicht identisch sind, sagte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Professor Peter-André Alt. Auch der Präsident der Hamburger Uni, Professor Dieter Lenzen, wies drauf hin, dass sich die zu schützende Wissenschaftsfreiheit auf die „zu erfüllenden Lehraufgaben“ beziehe.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: