Schulen:Studie: Viele Grundschüler erfahren Ausgrenzung und Gewalt

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Kinder lesen in einer Grundschule. Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann der Iglu-Studie zufolge nicht richtig lesen. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild)

Schon in der vierten Klasse berichten viele Schülerinnen und Schüler von negativen Erlebnissen wie Schubsen, Treten oder dass sie ausgegrenzt werden. Die Analyse basiert auf der Iglu-Studie.

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Dortmund (dpa) - Viele Kinder in Deutschland machen einer Studie zufolge in der Grundschule Erfahrungen mit Ausgrenzung und Gewalt. Das geht aus einer Analyse des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS) der Uni Dortmund hervor, die auf der repräsentativen internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) von Viertklässlern basiert. Demnach machen fast die Hälfte der Kinder der vierten Klassenstufen Erfahrungen mit physischer Gewalt und über zehn Prozent mit Online-Mobbing.

Unter allen Formen des dissozialen Verhaltens machen die Viertklässler der Studie zufolge besonders häufig Erfahrungen damit, dass man sich über sie lustig macht oder sie beschimpft, was demnach gut 52 Prozent der befragten Kinder mindestens mehrere Male im Jahr erlebt haben. 54 Prozent gaben an, dass sie zum Beispiel beim Spielen nicht mitmachen dürfen. Fast jedes zweite Kind sagte den Angaben zufolge, es sei schon mal geschlagen worden oder jemand habe ihm in der Schule etwa durch Schubsen oder Treten wehgetan.

Dass Lügen über sie verbreitet wurden, hatten den IFS-Angaben zufolge etwa 39 Prozent der Viertklässler nach eigener Schilderung erlebt. Etwa zehn Prozent sagten, dass gemeine oder verletzende Informationen schon mal über sie im Internet verbreitet wurden. Die Erfahrungen mit dissozialem Verhalten seien in Deutschland in etwa so ausgeprägt wie im Mittel aller EU-Staaten. Aber: Ausgrenzung und körperliche Gewalt kommen hierzulande häufiger vor als im EU-Schnitt, sagte IFS-Bildungsforscher Rahim Schaufelberger am Dienstag.

Jungen machten häufiger solche negativen Erfahrungen als Mädchen der vierten Klassen, hieß es weiter. Und Kinder, deren Familiensprache nicht Deutsch ist, berichteten häufiger über erlebtes dissoziales Verhalten als Deutsch-Muttersprachler. Zugleich zeige sich aber auch, dass viele Schülerinnen und Schüler positive Emotionen mit ihrer Schule verbinden und mit ihrer Schule zufrieden sind.

Weiterer Befund der Auswertung: Es sei ein „sehr konsistenter“ Zusammenhang zwischen Erfahrungen mit dissozialem Verhalten im Schulumfeld einerseits und Lesekompetenz andererseits deutlich geworden. „Je niedriger die Erfahrungen mit dissozialem Verhalten sind, von denen Kinder berichten, desto höher ist die Lesekompetenz“, bilanzierten die Forscher. Dieser Zusammenhang lasse aber keine „kausalen Rückschlüsse“ zu.

Bildungspolitik und -praxis müssen einen Fokus auf die Verringerung von dissozialen Verhaltensweisen an Schulen legen, mahnte IFS-Institutsleiterin Nele McElvany, die auch Leiterin der repräsentativen Iglu-Studie ist, die im Mai 2023 vorgestellt worden war. Danach können bundesweit 25 Prozent der Viertklässler nicht richtig lesen und Texte nicht gut verstehen. Ein Forscherteam des IFS analysiert regelmäßig in vertieften Sonderauswertungen einzelne Aspekte der Iglu-Studie. Die Grundschule sei von zentraler Bedeutung für den Bildungsweg, die Befunde sollte ernst genommen werden, betonte die renommierte Bildungsforscherin McElvany.

Es sei besorgniserregend, wenn Erfahrungen von Ausgrenzung und körperlicher Gewalt hierzulande häufiger vorkommen als im EU-Schnitt, sagte die Bildungsgewerkschaft VBE. Schulleitungen und Kollegien wüssten durch ihre tägliche Arbeit, dass es immer wieder zu Ausgrenzung einzelner Kinder und zu Auseinandersetzungen unter Schülern komme. „Hier gegenzusteuern und mit Kindern gewaltfreie Verhaltensweisen und ein gutes soziales Miteinander einzuüben, gehört zur DNA der Beschäftigten an Grundschulen.“

Daher gebe es unter anderem Streitschlichtungsprogramme an vielen Schulen. „Es zeigt sich, wie wichtig es ist, dass jede Schule mit ausreichend Lehrkräften, sozialpädagogischen Fachkräften und Stellen der Schulsozialarbeit ausgestattet wird“, unterstrich NRW-Landesvorsitzende Anne Deimel. „Das ist die Grundlage dafür, dass es in den Schulen genügend zeitliche Ressourcen gibt, um mit Kindern soziale Verhaltensweisen einzuüben.“

© dpa-infocom, dpa:240409-99-612115/3

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