Würzburg:Warum das Bürgerspital ein ganz besonderes Altenheim ist

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Das Bürgerspital auf einem Kupferstich von 1600. (Foto: Städtische Lichtbildstelle, Bürgerspital)

Nicht-Würzburgern ist das Bürgerspital vor allem als Weingut bekannt. Die Hauptaufgabe der Stiftung ist aber die Pflege von Senioren - und das bereits seit 700 Jahren.

Von Katja Auer, Würzburg

Wenn Annette Noffz von ihrem Arbeitsplatz erzählt, dann erhellt oft ein kundiges Lächeln das Gesicht ihrer Gesprächspartner. Ach, das Bürgerspital, da habe man auch schon mal einen Rausch herausgezogen, erinnern sich ehemalige Würzburg-Besucher freudig, der Wein sei halt besonders gut. Das ist er tatsächlich und wahrscheinlich ist das "Bürgerspital zum Heiligen Geist" deswegen außerhalb Würzburgs eher für seine guten Tropfen bekannt als dafür, dass es eine große soziale Aufgabe erfüllt.

Die Stiftung ist Träger von drei Seniorenheimen und drei Seniorenwohnstiften, einer Tagespflege, eines ambulanten Dienstes und eines Geriatriezentrums. Seit 700 Jahren kümmern sich die Mitarbeiter im Bürgerspital um alte Menschen, damit gehört die Stiftung zu den ältesten in Deutschland.

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"Das muss heutzutage keine Stiftung machen, aber es ist gut, wenn es eine Stiftung macht", sagt die Leitende Direktorin Annette Noffz über die Aufgaben des Bürgerspitals. Private Anbieter müssten Gewinne erwirtschaften, eine Stiftung nicht. Das Geld, das im Bürgerspital nicht nur aus dem Weingut, sondern vor allem aus dem Immobilienbesitz kommt, der über die Jahrhunderte durch viele Spenden und Zustiftungen immer größer geworden ist, fließt immer wieder zurück, sagt Noffz.

Das Ehepaar Johannes und Mergardis von Steren stiftete 1316 ein Anwesen, um dort Christgläubige, Arme und Pilger zu pflegen. Die Familie gehörte zu den angesehensten der Stadt und mit der Stiftung demonstrierten sie auch ihren Rang. Freilich ging es auch um praktizierte christliche Nächstenliebe, die zu gegebener Zeit die eigene Verweildauer im Fegefeuer verkürzen sollte. Und die Stifter wollten sich ein Denkmal setzen. Das ist Johannes von Steren gelungen. Selbst der Widder, den er im Wappen führte, ist unvergessen. Als Comicfigur mit Korkenzieher-Schwänzchen ist er das Maskottchen des Jubiläumsjahres.

Trotz aller Prominenz wird das Bürgerspital gerne verwechselt mit dem Juliusspital, der zweiten bedeutenden Stiftung in Würzburg, für die 1576 Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn den Grundstein legte. Auch dazu gehört ein hervorragendes Weingut, das zweitgrößte in Deutschland. "Eine sportliche Konkurrenz" gebe es, sagt Annette Noffz, vor allem beim Wein, ansonsten sei man sich in Freundschaft und Sympathie verbunden.

"Sportliche Konkurrenz" zum Juliusspital

Die beiden Stiftungen machen Würzburg zu einer besonderen Stadt, in der es weder ein städtisches Krankenhaus gibt, weil ein solches das Juliusspital betreibt, noch städtische Altenheime, weil sich darum das Bürgerspital kümmert. Würzburg sei gar die deutsche Stadt mit der höchsten Stiftungsdichte, so ist es in dem Buch zu lesen, das Ralf Frenzel zum Jubiläum herausgegeben hat.

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750 Senioren leben in den Häusern der Stiftung und sie kommen längst aus allen Teilen der Gesellschaft. Einen Fürsprecher braucht es heute nicht mehr, das war früher anders. Schließlich war bis an sein Lebensende versorgt, wer als armer Pfründner im Spital unterkam, entsprechend begehrt waren die Plätze. Nur wer Beziehungen hatte, wurde aufgenommen, das geht aus Dokumenten hervor, die belegen, dass sich gelegentlich sogar der Fürstbischof einmischte - obwohl das Bürgerspital kein kirchliches war. Aber Würzburg war eben eine sehr katholisch geprägte Stadt, da hatte das Wort des Bischofs Gewicht.

Zumal das Leben im Bürgerspital ebenfalls kirchlich geprägt war, vergleichbar fast mit dem Alltag im Kloster. Es wurde regelmäßig gebetet und die Bewohner verpflichteten sich zum Gehorsam gegenüber dem Spitalmeister, dem Leiter der Einrichtung. Die Regeln waren streng, so sollten "Zank, Hader, Krieg oder Unwillen" untereinander vermieden werden, wie es in der Hausordnung von 1541 heißt. Niemand durfte das Haus ohne Erlaubnis verlassen und schon gar nichts mit hinausnehmen, es war verboten, Blumentöpfe auf das Fensterbrett zu stellen und Nägel in die Wände zu schlagen, außerdem musste jeder Bewohner sein Zimmer täglich lüften und wischen.

Überhaupt sollten vor allem die armen Bewohner, sogenannte Unterpfründner, fleißig mitarbeiten. Heu machen und Butter rühren, Gänse rupfen, Obst ernten, Tücher flicken. Die wohlhabenderen Oberpfründner kauften sich mit einer gewissen Summe von der Arbeit frei, sie erhielten außerdem das bessere Essen und an Weihnachten extra Würste und einen großen Weck.

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Diese Unterschiede gibt es längst nicht mehr, spätestens das Bundessozialhilfegesetz von 1962 machte das Pfründnersystem überflüssig, denn seitdem hat jeder Bürger Anspruch auf staatliche Leistung, wenn er im Heim unterkommt. Und die Ansprüche der Bewohner sind andere geworden. "Wir passen uns schon an die Umstände an", sagt Direktorin Noffz und dazu gehört auch, dass Senioren heute anders wohnen wollen. Darauf reagierte man in der Stiftung, "wir können uns nicht leisten, dass 20 Prozent der Betten leer sind". Zumal in den Gemeinden rund um Würzburg immer mehr Senioreneinrichtungen entstanden sind, sodass die Anfragen von außerhalb inzwischen rückläufig seien, sagt Noffz.

Das Spital baut einen neuen Seniorenstift

Die meisten Doppelzimmer sind inzwischen zu Einzelzimmern umgebaut worden, außerdem interessierten sich immer mehr Menschen für das betreute Wohnen in den Stiften. Viele wollten so lange wie möglich selbständig in ihren vier Wänden leben, aber die Sicherheit haben, dass sich jemand kümmern könnte, falls es notwendig wird. "Wir setzen verstärkt auf Selbständigkeit", sagt Noffz. "Aber dabei muss niemand einsam sein." Gerade baut das Bürgerspital einen neuen Seniorenstift, im Hubland, wo nach dem Abzug der Amerikaner ein neuer Stadtteil entsteht.

Das Bürgerspital gehört zu Würzburg wie das Käppele, freilich auch des Weinguts wegen. Es ist das zweitälteste der Stadt, vielleicht Frankens, nach dem Staatlichen Hofkeller in Würzburg, der schon 1128 urkundlich belegt ist. Auf 120 Hektar, etwa der gleichen Fläche wie der Hofkeller, bauen die Winzer des Bürgerspitals vor allem Riesling, Silvaner und Burgunder an. Der Stiftung gehört auch ein Weinberg am Würzburger Stein, der bekanntesten Lage der Stadt. Zunächst wurden vor allem die Bewohner mit den Weinen versorgt.

1589 gab es für jeden, Männer wie Frauen, täglich 1,22 Liter. Hielt sich jemand nicht an die Hausordnung, wurde zur Strafe Wasser in den Wein gemischt oder die Ration ganz gestrichen, wenn das ungehörigen Verhalten gar zu weit ging. Auch das ist längst abgeschafft. Aber der eine oder andere Schoppen wird in den Einrichtungen immer noch gerne getrunken, meistens an Feiertagen. Das verlangen 700 Jahre Tradition.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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