Wohnstift Mozart:Altwerden mit Rundum-Versorgung

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Die Versorgung ist rund um die Uhr gewährleistet. (Foto: N/A)

Luxuriöser Spa-Bereich, Hilfe bei der Hauswirtschaft, eine Pflegestation im Haus - so sieht das Wohnen für betuchte Senioren in Oberbayern aus. Trotz des stolzen Mietpreises sind die Wohnungen voll.

Von Sarah Kanning, Ainring

Der Abschied vom Leben hat Kerben hinterlassen. An den Abdrücken im Teppich sieht man deutlich, wo bis vor kurzem das Gesundheitsbett, der Echtholztisch und das elegante Sofa standen. Die Spuren des verstorbenen Vormieters sind unberührt, das Appartement im sechsten Stock des Wohnstifts Mozart in Ainring mit Blick auf Salzburg ist noch nicht lange wieder frei. "Wir lassen die Wohnung jetzt noch nicht renovieren", sagt Vermietungsberaterin Sabine Richter, blond, quirlig, unter dem Arm ein Klemmbrett. "Wer neu einzieht, darf mitbestimmen, wie sein Appartement aussehen soll, erst dann fangen die Handwerker an zu arbeiten."

Mitsprache, Individualität, Selbstbestimmung. Die Begriffe hört man oft im Wohnstift Mozart, einer Art Seniorenhotel mit privaten Miet-Appartements und ständig besetzter Rezeption. Das "Selbst" ist die Parole im Wettbewerb um hart umkämpfte Bewohner. Für das Wohnstift Mozart kommen als Klientel nur die oberen fünf Prozent der im Ruhestand lebenden Senioren in Frage. Menschen, die für den Übertritt ins Wohnstift ihr eigenes Haus für mindestens eine halbe Million verkauft haben oder eine sehr gute Rente bekommen. 1600 bis 3500 Euro kostet ein Appartement im Mozart im Monat, für Miete, Telefonflatrate, Notrufbereitschaft, Mittagessen und eine Zimmerreinigung pro Woche. Wer hier einzieht, hat Ansprüche. Nicht zufällig nennen sich Betreiber und Angestellte "die Wunscherfüller".

Der Bedarf wird größer

Der Bedarf an seniorengerechtem Wohnen steigt seit Jahren. Laut Zahlen des Statistisches Bundesamts wird es im Jahr 2032 etwa 40 Prozent mehr Menschen geben, die älter als 65 Jahre sind, als im Jahr 2012. Doch auch der Wettbewerb wird härter, seit etwa 20 Jahren drängen immer mehr Seniorenwohnungsanbieter in den Markt. Die Wohnformen sind dabei vielfältig: Die Firma Seleco entwickelt beispielsweise Seniorenwohnungen als Kaufimmobilien wie im schicken Osterwald-Palais in München oder im Seepark Mögeldorf in Nürnberg für die gehobene Mittelschicht. Beim Marktführer Augustinum Seniorenresidenzen ist Mieten mit Wohndarlehen das lange bewährte Prinzip.

Postkarten-Idyll am Senioren-Wohnstift Mozart. (Foto: N/A)

In den Achtzigerjahren zogen vor allem Richter, Ärzte und hohe Militärs, gewöhnt an Hausmädchen und Gärtner, ins Mozart ein. Heute sind es ehemalige Manager, Unternehmer, Unternehmerwitwen. Zwar erinnert der Betonbaustil noch immer an die Häuser im Münchner Olympiadorf, doch in den vergangenen 25 Jahren wurden nach Unternehmensauskunft 27 Millionen Euro für Infrastruktur und Renovierungen ausgegeben - für das Restaurant, den Garten, die Tiefgarage, den Mozartsaal. "Als gemeinnütziges Unternehmen ist das Wohnstift Mozart nicht auf Gewinn orientiert", heißt es von der Gesellschaft.

97 Prozent bleiben bis zum Tod

Die neueste Investition ist das Vitalisarium: Für 3,5 Millionen Euro hat Geschäftsführer Max Nübel im Erdgeschoss ein Gesundheitszentrum bauen lassen, dessen Konzept Stiftsdirektor Stefan Freitag mit einem Fünf-Sterne-Spa vergleicht. Tatsächlich wurde das Projekt von Rizzato Spa Consulting betreut, die Konzepte für vier und fünf Sterne Spas in Hotels entwickeln, in Deutschland, Österreich und auf Mallorca. An diesem Nachmittag ist nur eine der Infrarotliegen besetzt, im 31-Grad-Schwimmbecken zieht niemand seine Kreise.

In einem 10 000 Quadratmeter Park können die Senioren durch die Natur spazieren. (Foto: Wohnstift Mozart/oh)

Ein so luxuriöser Wellnessbereich mit Körperschall-Therapieliegen, zwei Saunen und Dampfbad - braucht es das wirklich in einer Seniorenresidenz? "Man muss schauen, dass man dranbleibt", sagt Freitag. Zwar gibt das Haus Mozart seine Auslastung mit mehr als 90 Prozent an und betont, es hätte keine Probleme, die Appartements zu vermieten, "doch um zukunftsfähig im ländlichen Raum zu sein, muss die Infrastruktur perfekt sein - und auch die körperliche Mobilität der Bewohner", erläutert Freitag. Daher ist das Vitalisarium im Mozart nicht nur Wellness, sondern hat die kassenärztliche Zulassung mit Fitnessgeräten, Krankengymnastikpraxis und Kursen von Rückenschule bis Yoga.

Das Wohnstift, zehn Minuten entfernt von Salzburg und Freilassing, gibt es seit 40 Jahren. Als Max Nübel im Jahr 1986 die Geschäftsführung übernahm, splittete er die Einrichtung in Teileigentum auf und verkaufte die einzelnen Wohnungen. Deren Besitzer erhalten seither monatlich eine feste Miete - unabhängig davon, ob die Wohnung vermietet ist, renoviert wird oder mit einer anderen zusammengelegt wurde. Für den Bau des Vitalisariums verzichteten sie einige Monate darauf.

Mit 1,5 Millionen Euro hätte man das alte Schwimmbad renovieren können, sagt Freitag. Mit der Investition in doppelter Höhe hofft das Unternehmen, dass auch Besucher von extern das Angebot nutzen, von Traunstein bis Salzburg. Das Unternehmen rechnet mit einer Auslastung von 60 Prozent, davon etwa die Hälfte Nicht-Bewohner. Auch wenn die Vorstellung, künftig neben Fremden zu planschen, nicht allen Bewohnern zusagt - für das Haus ist die Öffnung nach außen wichtig. Die Hoffnung ist, dass Menschen mit dem Stift in Berührung kommen, die sich ein Leben dort nie hätten vorstellen können.

Es ist wie im Urlaub

Für das Ehepaar Wanke vom Niederrhein stand die Wahl eines Wohnstifts nie in Frage. Vor neun Monaten haben sie ihr Haus dort verkauft und sind nach Bayern gezogen. Auf 84 Quadratmetern wohnen sie seither, ihre Möbel haben sie mitgebracht, die Fahrräder auch. Sie sitzen im Foyer des Wohnstifts bei Mineralwasser und Espresso, zwischen dem Flügel und der Rezeption, an der eine Frau mit Dirndl und Headset die Hereinkommenden freundlich begrüßt. "Wir hoffen, dass am Ende nichts davon übrig bleibt", sagt Jutta Wanke und meint damit das Geld, für das sie und ihr Mann ein Leben lang gearbeitet haben.

Seit neuestem gibt es auch einen Wellness- und Gesundheitsbereich, der an Spas in Sternehotels erinnert. (Foto: Helmuth Rier/Wohnstift Mozart/oh)

Er, kurze graue Haare, Halbglatze, drahtige Figur, einst Vertriebsleiter für Sonnenschutz, 35 Leute unter sich, sie, Pagenkopf, weiße Bluse, ehemals Chefsekretärin in einem großen Konzern für Tiefkühlkost. Norbert Wanke sagt: "Das ist hier wie im Urlaub, man ist allen Sorgen enthoben." Die Zeitung liegt morgens im Briefkasten im Erdgeschoss, flackert eine Lampe, ruft die Rezeptionistin einen Handwerker, verkümmern die Blumen auf dem Balkon, kommt auf Wunsch der Gärtner.

Das Einzugsalter liegt bei 80 Jahren

Friseur, Optiker, Getränkemarkt, Wäscherei - alles im Haus. Etagendamen helfen bei der Hauswirtschaft. Mehr als 3000 Euro zahlen Wankes für dieses Urlaubsgefühl. Doch die sind es ihnen wert. "Es ist die Seele des Hauses, die ein großer Punkt auf der Plus-Minus-Liste war", sagt Norbert Wanke. Vor allem war dem Ehepaar wichtig, nie mehr umziehen zu müssen. "Selbst wenn einer auf die Pflegestation muss, ist der andere nur ein paar Schritte entfernt." Die Wankes haben keine Kinder, sind beruflich viel durch die Welt gereist, ihre heimatlichen Wurzeln waren nicht so fest, dass sie das Paar von einem Umzug ins 800 Kilometer entfernte Berchtesgadener Land abgehalten hätten.

Für die Sicherheit, für immer zusammen bleiben zu können, nehmen die beiden in Kauf, dass sie mit knapp 70 Jahren zu den Jüngsten der 280 Bewohnern im Wohnstift gehören. Trotz Philosophiekursen, Abos und Bustransfer für die Salzburger Festspiele, Konzerten im Haus, Fitnessraum im Erdgeschoss und Bergen vor der Wohnungstür, liegt auch im Mozart das Einzugsalter bei 80 Jahren. Durchschnittlich wohnen Bewohner zehn Jahre im Stift, zu 97 Prozent bleiben sie bis zum Lebensende. Auf diese Zahl ist man stolz. "Hier müssen die Leute nicht mehr ausziehen", sagt Vermietungsberaterin Richter. Bis Pflegestufe drei können sie vom ambulanten Pflegedienst in ihren Zimmern versorgt werden, brauchen sie mehr, gibt es die 27-Betten-Pflegestation im ersten Stock.

Das Wohnstift Mozart rüstet sich für die Zukunft mit gehobener Ausstattung unter anderem mit einer Bibliothek. (Foto: Wohnstift Mozart/oh)

Doch der stete Rhythmus aus Einzug und Auszug bestimmt den Takt im Wohnstift wie in allen Wohnformen für den letzten Lebensabschnitt. Irgendwann gehen die Bewohner alle - und dann wird der neue Bewohner den eingekerbten Teppich vielleicht gegen Parkett ersetzen lassen.

© SZ vom 30.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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