Wissenschaft:Mehr Zeit für die Forschung

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Mit der Hightech-Agenda will Ministerpräsident Söder die Hochschulen stärken. Etwa mit 600 Professoren-Stellen

Von Anna Günther, München

Die bayerischen Professoren sollen mehr Zeit für die Forschung bekommen. Das sieht die Hightech-Agenda von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor, die auch eine Hochschulreform umfasst. Dabei soll das Lehrdeputat abgesenkt werden. Diese Idee dürfte auf große Gegenliebe an den Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) stoßen. Von angloamerikanischen Verhältnissen, wo teilweise fünf Wochenstunden Lehre üblich sind, träumen viele Hochschullehrer im Freistaat. Erst vor wenigen Wochen erschien eine Umfrage, in der sich die deutliche Mehrheit der bayerischen Professoren beklagt, dass die Lehre zu viel ihrer Zeit einnehme und kaum Raum für Forschung bleibe.

Von der neuen Offensive werden aber nicht alle profitieren: Der Plan von Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) sieht vor, Wissenschaftler zu entlasten, die besonders erfolgreiche Forscher sind. Insgesamt 600 Professoren-Stellen mit Budget für Mitarbeiter und Ausstattung sollen von Oktober an bis 2023 an die elf Universitäten und 17 HAW verteilt werden. Pro Hochschule soll die Zahl der Professoren um zehn Prozent steigen, derzeit arbeiten knapp 7000 in Bayern. "Rein rechnerisch können wir das Stundendeputat von neun auf sieben Stunden runterbringen", sagte Sibler der SZ. Welche Wissenschaftler in der Lehre entlastet werden und sich stärker auf die Forschung konzentrieren dürfen, entscheiden die Hochschulchefs.

Eine Gefahr, dass die Geistes- und Sozialwissenschaften dabei leer ausgehen, will Sibler nicht sehen. Dabei kritisieren Hochschulkenner seit Jahren, dass vor allem jene Unis und Professoren als erfolgreich gelten, die viele Drittmittel einwerben. Das gelingt besonders in den Naturwissenschaften. Auch die bayerischen Studentensprecher warnen vor einer Benachteiligung der Geisteswissenschaften und wünschen sich ein eigenes Förderprogramm. Denn die Hightech-Agenda ist auch Konjunkturprogramm und stärkt die Forschung in jenen Bereichen, von denen die Wirtschaft besonders profitiert: Informatik und Künstliche Intelligenz. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ist ebenso eingebunden wie Sibler. Die bayerischen Wirtschaftslobbyisten hatten die Zahl der verfügbaren Informatiker laut Sibler als Schlüssel zum Erfolg beschrieben. Die Regierung folgte dem Wunsch: Allein in diesem Bereich entstehen 5000 Studienplätze, verteilt über alle Hochschulstandorte. Insgesamt sind es 13 200. Trotzdem will Sibler den Hochschulen nichts vorschreiben. Er glaubt, dass sein Appell reicht: "Alle Fächer an unseren Hochschulen und Universitäten kommen für das Forschungsbudget in Frage. Dieses Signal ist mir wichtig."

Auch eine Benachteiligung der Lehre sieht Sibler nicht. Mit 600 von 1000 neuen Hightech-Professuren werde diese sogar ausgebaut, findet er. Schließlich brauche Bayern auch künftig Fachkräfte und Spitzenwissenschaftler. Von den zusätzlichen Jobs sollen zudem Wissenschaftler profitieren, die bisher nur befristet arbeiten.

Die Hochschulreform ist eine von vier Säulen der zwei Milliarden Euro teuren Hightech-Agenda, die Söder im Oktober 2019 präsentiert hatte. Von der ersten Reform seit 15 Jahren verspricht man sich modernere, international attraktive Unis mit lebhafter Startup-Szene und englischsprachigen Studiengängen, die miteinander kooperieren. Ein Wettbewerb zur Künstlichen Intelligenz soll die Vernetzung vorantreiben: 50 neue KI-Professuren sind ausgelobt, Ende Februar läuft die Bewerbungsfrist ab. Im Mai soll klar sein, wie die KI-Professuren verteilt werden. Weitere 50 entstehen an vier KI-Knotenpunkten in Ingolstadt (Mobilität), Würzburg (Data Science), Erlangen-Nürnberg (Medizintechnik) sowie an der geplanten TU Nürnberg.

Weil alle Hochschulen von der Hightech-Agenda profitieren, äußert niemand offen Kritik. Allein die Studenten sprechen aus, was auch viele Uni-Chefs beunruhigt: Fast sechs Milliarden Euro müssten in teils marode Gebäude und Neubauten investiert werden, 600 Millionen Euro sind in der Agenda eingeplant. "Die bereitgestellten Mittel reichen bei Weitem nicht aus", sagt Studentensprecher Simon Lund und fordert langfristig mehr Geld, um den Sanierungsstau abzubauen.

© SZ vom 10.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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