Wettbewerb an der Uni Passau:Fensterln und fensterln lassen

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  • Der umstrittene Fensterl-Wettbewerb an der Universität Passau ist abgesagt worden.
  • Die Gleichstellungsbeauftragte der Uni hatte kritisiert, dass Frauen von der Teilnahme ausgeschlossen würden.
  • Im Netz läuft seither eine heftige Gender-Debatte, bei der vor allem die Gleichstellungsbeauftragte persönlich angegriffen wurde.
  • Nun schalten sich auch Horst Seehofer und Ilse Aigner in die Debatte ein.

Von Martina Scherf, Hans Kratzer und Wolfgang Wittl, Passau

Der abgesagte studentische Fensterln-Wettbewerb hat die Universität Passau bundesweit in die Schlagzeilen katapultiert. Die Gleichstellungsbeauftragte der Uni hatte kritisiert, dass Frauen von der Teilnahme ausgeschlossen würden. Daraufhin sagten die Studenten das Ereignis ab, mit der Begründung, dass traditionell eben nur Männer fensterln. Im Netz läuft seither eine heftige Gender-Debatte, bei der vor allem die Gleichstellungsbeauftragte persönlich angegriffen wurde. Sie ist "zur Zielscheibe von Beleidigungen und Diffamierungen" geworden, beklagte die Universität, während sich die Studenten von den extremen Äußerungen im Internet distanzierten.

Universitätspräsident Burkhard Freitag verteidigte am Mittwoch seine Gleichstellungsbeauftragte. Sie habe "kompetent und richtig" gehandelt, als sie die Veranstalter darauf aufmerksam machte, dass einige Wettbewerbe nicht im Einklang mit den Gleichstellungsstandards der Universität stehen, schrieb Freitag. Der Präsident mahnte einen respektvollen Umgang miteinander an. "Die Reaktionen halte ich für ganz und gar inakzeptabel. Keinesfalls dürfen Universitätsmitglieder persönlich angegriffen werden, weil sie eine bestimmte Meinung vertreten oder Grundsätze der Universität zur Geltung bringen."

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Die Studierendenvertretung der Uni Passau schloss sich dieser Auffassung an: Die Gleichstellungsbeauftragte habe lediglich, darauf hingewiesen, dass an der Universität Veranstaltungen für Frauen und Männer gleich zugänglich sein müssen.

Lediglich eine Meinungsäußerung

Es handelte sich also um eine Meinungsäußerung, nicht um ein Verbot. Dieses hätte sich auch juristisch nicht begründen lassen, sagt der Erlanger Staats- und Verwaltungsrechtler Max-Emanuel Geis, Experte für Hochschulrecht. Ein Anti-Fensterln-Erlass sei weder mit dem Bayerischen Gleichstellungsgesetz noch mit dem Hochschulgesetz zu rechtfertigen. Und schon gar nicht mit dem Schutz der Menschenwürde.

Das im Gespräch zwischen der Gleichstellungsbeauftragten und den Studenten angeführte Argument, Männer könnten mit ihrem Wettbewerb am Kammer-Fenster die Frau zum Objekt degradieren, sei eine "verbale Entgleisung völlig unangemessener Art", sagt der Professor. Denn die berühmte "Objektformel" werde im Staatsrecht verwendet, um Menschenwürdeverletzungen wie Folter, Sklaverei oder Konzentrationslagerhaft zu bezeichnen, Fälle, in denen Menschen zu einer Sache herabgewürdigt werden. Den Ausdruck aufs Fensterln anzuwenden, sei eine derbe, unreflektierte Polemik. Und außerdem auch "kulturhistorisch ein Unfug", meint Geis, "wer ritualisiertes Werben um eine Geliebte als sexistisch bezeichnet, müsste auch den argentinischen Tango, den Minnesang und szenische Aufführungen der Carmina Burana unterbinden". Und wer das Fensterln für altmodisch oder gleichstellungswidrig hält, so fügt er noch hinzu, "soll halt die Frauen auch fensterln lassen".

Gleichstellungsbeauftragte eigentlich nur für nicht-wissenschaftliches Personal zuständig

Streng genommen geht die Gleichstellungsbeauftragte der Uni ein Studentenwettbewerb gar nichts an. Sie ist - so ist der Homepage der Universität zu entnehmen - nach dem Bayerischen Gleichstellungsgesetz für das "nicht-wissenschaftliche Personal" der Hochschule zuständig. Sie soll - ebenso wie die Frauenbeauftragte im wissenschaftlichen Bereich -, darauf achten, dass weibliche Mitarbeiter nicht benachteiligt werden, bei der Stellenausschreibung, bei der Einstellung, am Arbeitsplatz, bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Lauter wichtige Dinge, auf die der Gesetzgeber und auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft sehr viel Wert legen. Deshalb ärgern sich jetzt auch Studenten und Professoren in Passau, dass "so ein Unfug" wie das Fensterln solche Aufmerksamkeit erregt.

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Sogar von allerhöchster staatlicher Ebene kam guter Rat. "In Bayern gilt immer noch: Leben und leben lassen. Man muss sich nicht überall einmischen", sagte Ministerpräsident Horst Seehofer. Und seine Stellvertreterin, die bekennende Dirndl-Trägerin Ilse Aigner, meinte: "Man sollte die Dinge nicht dramatisieren, sondern die entscheiden lassen, die es betrifft: in diesem Fall die Studenten. Außerdem gehören zum Fensterln immer zwei dazu: Eine muss das Fenster ja aufmachen. Ob es dann klappt, hängt - wie so oft - von den Frauen ab."

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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