Nicht nur für Waldkraiburger Verhältnisse ist die Lage gediegen. 900 Quadratmeter ganz am Rand einer Wohnsiedlung im Süden der Stadt. Der Wald einen Steinwurf entfernt, und nach hinten trennt die Baulücke auch nur ein Spazierweg von der Hangkante zum Innkanal. Hier könnte ein stattliches Ein- oder Zweifamilienhaus Platz finden, wie sie rundherum auch stehen. Im Bauantrag war aber von etwas anderem die Rede: Ein trendiges "Tiny House" sollte es sein, vier mal 8,75 Meter groß, 35 Quadratmeter insgesamt, eine Etage, drei Meter hoch. Der Waldkraiburger Stadtentwicklungsausschuss, der in derselben Sitzung Projekte von ganz anderen Dimensionen absegnete, hat den Plan trotzdem nicht genehmigt. Denn das Haus ist ihm zu klein.
Zwar hat auch die Industriestadt Waldkraiburg, die seit ihrer Gründung in der Nachkriegszeit auf 25 000 Einwohner angewachsen ist, inzwischen ein Platzproblem. Der viele Wald außenrum soll erhalten bleiben, die Stadt setzt also auf Verdichtung. Aber dieses eine kleine Häuschen auf dem scheinbar viel zu großen Grund hätte im Ausschuss niemanden gestört. Ein echtes Großprojekt hätte sowieso den Rahmen der Siedlung gesprengt. Doch das Tiny House hätte größere Häuser in der Umgebung glatt verhindert.
Denn für die Siedlung gibt es im Rathaus keinen förmlichen Bebauungsplan. Rein baurechtlich ist sie daher schlicht so, wie sie eben ist. Neue Häuser müssen sich dann "nach Art und Maß der baulichen Nutzung" in die Umgebung einfügen, sagt Carsten Schwunck. Für kommunale Bauamtsleiter wie ihn ist die Formel von Art und Maß fast so etwas wie ein Mantra, das sie fast in jeder Ausschusssitzung herunterbeten müssen. Schwunck will aus ihr aber keineswegs ableiten, dass in jener Baulücke genauso groß gebaut werden müsste wie links und rechts davon. Würde aber gleich so klein gebaut, dann sänke damit das Maß der baulichen Nutzung für die ganze Umgebung. In der Nachbarschaft dürfe dann kein Haus abgerissen und in gleicher Größe neu errichtet werden. Von größeren Neubauten, Mehrfamilienhäusern oder Grundstücksteilungen ganz zu schweigen.
Anderswo scheitern Anträge auf Tiny Houses, wie es sie seit einigen Jahren immer öfter gibt, baurechtlich eher daran, dass die Grundstücke abseits bestehender Siedlungen liegen. In Waldkraiburg schien sich schon das Gegenteil anzudeuten. Doch nicht nur Carsten Schwunck hält das beantragte Tiny House erklärtermaßen für "eine tolle Sache", frisch, einfach, gut finanzierbar und ideal für jüngere Leute. Auch der Ausschuss wollte das hölzerne Häuschen nur zu gerne genehmigen, freilich ohne den Nachbarn dadurch etwas zu verbauen. Also soll nun doch ein Bebauungsplan her, der das Tiny House ebenso möglich macht, wie er die künftigen Möglichkeiten in der ganzen Umgebung neu definiert. Man sei da in Waldkraiburg relativ schnell und könne so einen Bebauungsplan durchaus in einem Jahr hinbekommen, sagt Schwunck.
Das Ehepaar, das den Bauantrag gestellt hatte, hat es mit seinem Tiny House wohl sowieso nicht allzu eilig. Den Waldkraiburger Nachrichten haben die beiden erzählt, dass sie gar nicht selbst einziehen, sondern es als eine Art freistehendes Gästezimmer nutzen wollen. Und für eine Immobilie ist so ein Tiny House ohnehin recht beweglich, es lässt sich relativ leicht im Ganzen versetzen. Das Grundstück, das ganz ohne Gebäude nicht in irgendwelche baurechtlichen Art-und-Maß-Berechnungen eingeht, wollen die beiden demnach dem Bund Naturschutz als Blühwiese vermachen.