Wahlwerbung der CSU:Zwei Fäuste für Europa

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Horst Seehofer ist der Hauptdarsteller im neuen Wahlwerbespot der CSU zur Europawahl - und hat altbekannte Nebendarsteller aus vorherigen CSU-Filmchen dabei. (Foto: dpa)

Ein Viertel Brot, ein Apfel und zwei Gießkannen - das ist der neue CSU-Wahlwerbespot zur Europawahl. Im Gegensatz zu den bisherigen Wahl-Filmchen der CSU wirkt Seehofer dieses Mal grimmig - und lässt Fragen nach den Nebendarstellern offen.

Von Frank Müller, München

Die Filmgeschichte ist voll von Fortsetzungen, und nicht immer erfüllen die Teile zwei, drei und vier, was man sich vom Original versprochen hat. Insofern war es ein Risiko, das die filmreifste aller Parteien, die CSU natürlich, nun unternommen hat. Wieder legt sie einen Werbefilm vor, wiederum gibt es mit Horst Seehofer nur einen einzigen Darsteller, wieder sitzt der hollywoodhafteste aller bayerische Politdarsteller versonnen an einem Tisch und sagt nachdenkliche Sätze. Geht die Rechnung auf?

Die Antwort ist: Ja und Nein. Das neue Kurzepos, nennen wir es Horst II, nimmt zunächst einmal den Jahreszyklus auf. Im vergangenen Herbst, bei Horst I, sah man Seehofer noch drinnen sitzen, an einem Esstisch. Nun sitzt er draußen, auf einer Terrasse. Die Krawatte ist einem offenen Kragen gewichen, aus der kargen, holzvertäfelten Wand wurde ein grüner Hintergrund: Büsche, Rasen, Bäume. Es geht nicht mehr um Landtags- und Bundestagswahlen im Herbst. Es geht um die Europawahl im Mai.

Im Wechsel des Sujets warten filmische Herausforderungen. Denn es mag zwar die Grundbotschaft bei Horst I, Horst II und allfällig kommenden Fortsetzungen immer dieselbe sein: "Wählt die CSU und dann wird schon alles irgendwie gut."

In der Durchführung jedoch gibt es beträchtliche Unterschiede. Im Herbst noch war es darum gegangen, die Seelen zu wärmen, Beständigkeit zu schaffen. Deswegen saß er da am Tisch, die Kamera und er selbst suchten drei Eröffnungssekunden lang nach der richtigen Einstellung, bis Seehofer den Einstiegssatz sprach: "Bayern hat einen ungewöhnlich, äh, hohen Standard in allen Bereichen erreicht."

Was wohl der Hochstand im Hintergrund bedeutet?

Im Frühjahr 2014 sucht die Kamera wieder. Sie ist fahriger geworden, zoomt erst einmal aus Seehofers Gesicht heraus, braucht wieder drei lange Sekunden. Seehofer schiebt das Kinn vor und zitiert entschlossen Franz Josef Strauß: "Wenn eine Generation, die den Krieg erlebt hat - auch die Gräuel des Krieges - eine Generation, die selbst Kriegsteilnehmer war, formuliert: Europa ist unsere Zukunft, Deutschland unser Vaterland und Bayern unsere Heimat, dann, äh, ist dies ein politisches Vermächtnis."

Der Europa-Seehofer geht also ins Grimmige, wo der Landtags-Horst eher leicht und frei extemporierte - ein interessanter Gegensatz zum jeweiligen Hintergrund. Dazu passt: schwerer, tragischer Händel, der als Begleitmusik die lockeren Bläserkaskaden aus Horst I ersetzt hat. Hinter Seehofer sehen wir nun rechts einen Hochstand am Baum, man könnte ihn sich als Arbeitsplatz für den CSU-Eurokritiker Peter Gauweiler vorstellen, erklommen mit Hilfe einer Holzleiter, die in jedem Fall über eine Marke von 50 plus X führen möge. Doch Seehofers Leute bemühen sich, solche Interpretationen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Der Hochsitz sei eben einfach da gewesen. Die Frage ist, ob das auch für die beiden Gießkannen am linken Bildrand gilt. Sehen wir versteckte Anspielungen auf die Gießkannenpolitik der EU? Eine ins Groteske vergrößerte Attacke auf den viel beschworenen Kampf Brüssels gegen Ölkännchen auf Restauranttischen?

Das Brot ist näher an Seehofer herangerückt

Das sind Fragen, die offen bleiben in Horst II, die abgefangen werden durch das Wiedertreffen mit guten Bekannten. Schon bei Horst I sorgte ein Viertel Bauernbrot auf einem Teller am Tischende für Interpretationen. Nun ist das Brot - der Nachfolger, das Original wäre längst ein Fall in Brüssel für eine hochbürokratische Regionalbrotschimmelbeseitigungsverordnung - nun also ist das Brot näher an Seehofer herangerückt. Wieder steht ein Glas Wasser beim Ministerpräsidenten, wieder ein Salz- und ein Pfefferstreuer. Und erneut gibt es einen Apfel. Dieser Nebendarsteller hat die erstaunlichste Verwandlung erlebt: Im Herbst noch sah man ihn säuberlich mit einem Messer aufgeschnitten vor dem CSU-Chef liegen. Nun ist er wieder ganz, dafür ein bisschen aus dem Blickfeld gerückt.

Dann sind die 90 Sekunden vorbei. Die Kamera schwenkt nach unten, auf Seehofers Hände. Es sind zwei Fäuste, die nach unten schlagen, und doch nicht auf den Tisch knallen. Zwei Fäuste für ein Europa.

© SZ vom 30.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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