Wahl aus bayerischer Sicht:Ein Schach- und viele Mühlespieler

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Nervosität vor der Wahl: Verfehlt die CSU deutlich ihr Ergebnis von 2005, wird dies Horst Seehofers Autorität merklich schmälern.

K. Auer und K. Stroh

Horst Seehofer hat sich verändert. Vor einem Jahr erzählte er, dass er abends, wenn er heimkomme, zu einem Buch greife. Aber nicht zu einem politischen. Sonst könne er nicht abschalten. Heute schaltet der CSU-Chef den Fernseher ein, bevor er schlafen geht, schaut sich politische Talkshows an.

Horst Seehofer ist nervös, es ist ihm anzusehen, auch in den internen Runden, wie berichtet wird. Er, der vor einem Jahr nach dem Verlust der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl so betont gelassen antrat, die CSU aus dem schlimmsten Debakel ihrer Geschichte zu führen, er bangt jetzt.

Mindestens 49,2 Prozent, also das Ergebnis von 2005, hat er als Ziel für die Bundestagswahl ausgegeben. Und eine schwarz-gelbe Regierung in Berlin. Beides ist ungewiss. Und sollte es für Union und FDP in Berlin nicht reichen, wird noch am Wahlabend in CDU und CSU die Diskussion entbrennen, wer schuld daran ist.

Seehofer ist mittendrin

Mittendrin: Seehofer. Hatte der Ministerpräsident doch im Sommer über Wochen in beispielloser Art über die Liberalen, den angeblichen Wunschpartner, hergezogen. Er stellte sie als kühl-marktliberale Partei hin, seine CSU hingegen als Anwältin des kleinen Mannes und Garantin des sozialen Ausgleichs. Gleichzeitig attackierte er seine liberalen Minister mehrfach heftig, warf seinem Stellvertreter Martin Zeil gar Inkompetenz vor. Dieser Kurs kam bei den Wählern schlecht an, das ist die Rückmeldung von der Basis und das Ergebnis von Umfragen.

Hektisch hat Seehofer deshalb vor zwei Wochen die Kehrtwende eingeleitet und die Vorzüge von Schwarz-Gelb zu preisen begonnen. Vielleicht zu spät. Schon in den vergangenen Tagen war in der CSU leises Gemurmel darüber zu vernehmen, dass des Vorsitzenden Strategie kaum jemand nachvollziehen könne.

Wenn der Chef denn überhaupt eine Strategie habe jenseits von Bauchentscheidungen. Dabei sieht sich Seehofer als großen Strategen, als Schachspieler, der alles "vom Ende her" durchdenkt, während seine Kritiker nur im Klein-Klein verharren. "Mühlespieler" nennt er sie.

Dass der Ministerpräsident und CSU-Chef stürzt, ist freilich nicht zu erwarten. Dazu müsste das Wahlergebnis noch schlechter ausfallen als die 43,4 Prozent bei der Landtagswahl. Es fehlen für beide Ämter die überzeugenden Alternativen, es fehlen die Putschisten.

Guttenberg in die Schusslinie

Aber Seehofers Autorität dürfte von einer Pleite merklich geschmälert werden. Und womöglich wird er angesichts der zu erwartenden Stimmenzuwächse der FDP versuchen, auch Karl-Theodor zu Guttenberg in die Schusslinie zu schieben. Der Bundeswirtschaftsminister, dessen Erwähnung inzwischen das Etikett "Shootingstar der CSU" geradezu automatisch nach sich zieht, sollte mit einem klaren wirtschaftspolitischen Kurs den Liberalen das Wasser abgraben.

Seehofer forderte das im Juli von Guttenberg explizit als "Gesellenstück" seiner politischen Laufbahn - dezent hat er so darauf hingewiesen, wo im Falle des Misserfolgs Verantwortlichkeiten zu suchen sind.

Abgesehen von diesen parteipolitischen Auswirkungen - die landespolitischen werden, wie auch immer die Wahl ausgehen wird, eher gering sein. Reicht es für Schwarz-Gelb, wird es die farblich gleichgerichtete Koalition in Bayern wohl stabilisieren. Interessant ist dann vor allem die Frage, wie sich die Liberalen in München verhalten, wenn im Bund Entscheidungen anstehen, die bayerischen Interessen entgegenstehen. Bislang haben sie stets versichert, kein verlängerter Arm der Bundes-FDP, sondern eine eigenständige Kraft zu sein. Beweisen mussten sie es noch nicht.

Kommt es hingegen zur Neuauflage der großen Koalition - den Umfragen nach die wahrscheinlichste Alternative zu Schwarz-Gelb -, träumen die Liberalen in Bayern schon davon, dass ihr Aufschwung noch beflügelt wird. Ihre Erfolge im Freistaat waren und sind nicht zuletzt Ausfluss des Unmuts vieler Wähler über die Berliner Koalition.

Pronold genießt Schonfrist

Die CSU hingegen würde an einer großen Koalition schwer zu leiden haben - wie schon in den vergangenen vier Jahren. Die Bayern hätten als kleinste von drei Parteien wenig Einfluss und müssten weiterhin unliebsame Kompromisse mit den Sozialdemokraten hinnehmen und mittragen.

Beim Personal wird sich weder bei Schwarz-Rot noch bei Schwarz-Gelb viel ändern. Seehofer hat ausgeschlossen, dass für die CSU ein bayerisches Kabinettsmitglied nach Berlin geht, sich selbst eingeschlossen.

Dass alles beim Alten bleiben könnte, damit rechnen auch die Genossen. Ob sie mitregieren werden oder nicht, wird sich auf die Bayern-SPD nicht spürbar auswirken. Rücktrittsforderungen zumindest braucht die Parteispitze diesmal nicht zu fürchten. Der neue Landeschef Florian Pronold ist nicht einmal drei Monate im Amt und hat noch Schonfrist. Die Messlatte für die Bundestagswahl hat er nicht allzu hoch gelegt, auch wenn er in der Schlussphase des Wahlkampfs zu spüren glaubt, dass sich die Stimmung zugunsten der SPD drehe.

Pflicht sei es, das Ergebnis der Landtagswahl von 18,6 Prozent zu toppen, gab er als Ziel aus. Kür allerdings sei es, das Europawahlergebnis von 12,9 Prozent zu verdoppeln, also ein ähnliches Ergebnis wie bei der Wahl 2005 zu erreichen. Nach der Wahl wird er weiter daran arbeiten, die Bayern-SPD zu sanieren. "Der Aufbauprozess bleibt schwierig, egal in welcher Position wir nach der Wahl sind", sagt Pronold. Leichter allerdings werde es, wenn die SPD im Bund an der Regierung beteiligt sei. Dann könne auch die bayerische SPD zeigen, dass sie regieren wolle. "Opposition ist Mist", sagt Pronold.

© SZ vom 26.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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