Vor der Wahl in Bayern:Abschiedsblues im Landtag

Lesezeit: 3 min

Jetzt ist Wahlkampf angesagt: Die letzte Plenarsitzung der Legislaturperiode haben die bayerischen Politiker hinter sich gebracht. (Foto: dpa)

Letzte Plenarsitzung vor der Wahl zum Bayerischen Landtag: Ministerpräsident Horst Seehofer atmet durch, die SPD holt noch einmal tief Luft - und Günther Beckstein macht sich in seiner Funktion als früherer Innenminister Vorwürfe.

Von Frank Müller

Es sind die Tage des Abschieds und des Neubeginns. Eine Woche, in der Bayerns Politiker mit all dem abschließen, was sie umgehend wieder neu beginnen wollen.

Oder auch nicht. "Ja", sagt Georg Schmid gedehnt am Donnerstag, während sich das dreitägige Mammutplenum zum Abschluss der Legislaturperiode langsam dem Ende zuneigt, "ja, das war eine gute Zeit". Der gescheiterte Ex-Chef der CSU-Fraktion steht im so bedeutenden Steinernen Saal des Landtags, in der Lobby, durch die jeder muss, der in den Plenarsaal will.

Schmid wirkt ruhiger, etwas gefasster als direkt nach seinem spektakulären Sturz. Aber in seinem Kopf fährt das Vergangene noch immer Karussell. "23 Jahre", sagt Schmid. "Das war mein Leben." Was jetzt kommt? Jedenfalls kein Wahlkampf. Es ist Schmids letzter Tag als aktiver Politiker, auf die Feuerwehrfeste geht er noch, Wahlveranstaltungen gibt es keine. Für wen auch, für Horst Seehofer vielleicht?

Anderer Tag, anderer Ort: Horst Seehofer steht oben auf den Treppen im Garten von Schloss Schleißheim, Dienstagabend, der große Landtagsempfang. "Das waren fünf harte Jahre", sagt der Ministerpräsident. Es ist ein kleiner Moment der Ruhe, wenn es so etwas im CSU-Chef-Leben gibt. Seehofer blickt über den festlich dekorierten Schlossgarten. "Ich bin froh, dass der erste Teil der Mission vorbei ist." Er sieht den Juli 2013 als Halbzeit.

Sommerempfang des Bayerischen Landtags: Horst Seehofer und seine Frau Karin. (Foto: dpa)

Teil eins des Auftrags: Der wäre erfüllt, wenn die CSU nach dem Absturz bei der Wahl von 2008 wieder stabilisiert und geordnet, vor allem aber erneuert, die Macht verteidigt. Übererfüllt wäre er, wenn es wieder die absolute Mehrheit wird. Aber zu Ende ist das Seehofer-Kommando noch lange nicht. Der CSU-Chef hat in der nächsten Amtsperiode noch viel vor.

Viel zu viel hat ihn genervt an seiner Partei in Phase eins. Die Verwandtenbeschäftiger, die Fehlermacher, diejenigen, die nicht kapiert haben, was auf dem Spiel steht. "In Wahljahren zählt jeder Fehler doppelt", hat er seit Januar gepredigt. Es sind genügend Fehler passiert, von der Behandlung des Falls Mollath bis zu den Familienjobs. Nach jetzigem Stand der Umfragen dürften sie Seehofer nicht die Macht kosten, womöglich aber die Rückkehr zur absoluten Mehrheit. Mit der hätte sich Seehofer unsterblich gemacht.

Anderer Ort, anderer Tag. Am Donnerstagmorgen, bevor im Landtag der dritte Plenumstag beginnt, sitzt SPD-Vizefraktionschef Volkmar Halbleib draußen am Max-Weber-Platz im Straßencafé, der Tagesauftakt eines Unterfranken mit Münchner Zweitwohnsitz. Zeitungslektüre, die Nachrichtenlage ist nicht gut. 18 Prozent sagt eine neue BR-Umfrage der SPD voraus. War es das mit den Träumen vom Wechsel, mit der Vision vom Dreierbündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern, das bislang nur punktuell in die Gänge kam?

Sie verkörperten im Landtag die Zeit vor Seehofer: der ehemalige Ministerpräsident Günther Beckstein (links) und Ex-Parteichef Erwin Huber.  (Foto: Hase/dpa)

Halbleib redet sich das Ergebnis schön, was soll er machen. Im September, wenn die Menschen aus dem Urlaub zurück sind, werde es eine andere Stimmung geben im Land. Und der August? Während der Sommerwochen will SPD-Spitzenkandidat Christian Ude mit noch mehr Einsatz durchs Land touren. Schon an diesem Samstag soll es bei einem kleinen Parteitag zum Wahlkampfauftakt ein Aufbruchsignal geben. Wieder eines. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kommt, aber wer ist da inzwischen für wen Hilfe oder Belastung?

Auch die CSU macht an diesem Freitag einen solchen Auftrieb in München. Seehofers Bayernplan, das Kurz-Wahlprogramm für den September, soll verabschiedet werden.

Ein anderer Tag, fast derselbe Ort. Es ist Mittwochnachmittag, der wahrscheinlich wichtigste Aussteiger geht im Plenarsaal noch einmal ans Pult: Günther Beckstein. Als Ministerpräsident schaffte er es nicht, die CSU an der absoluten Mehrheit zu halten. Nun spricht er noch einmal als Ex-Innenminister. Der Landtag verabschiedet den Schlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses. Beckstein gibt eine persönliche Erklärung ab. Unter seiner Verantwortung hatten die Sicherheitsbehörden es nicht geschafft, das Morden zu stoppen. "Das belastet mich noch immer", sagt Beckstein. Dann macht er wieder das, was er meistens macht in den vergangenen fünf Jahren im Plenum. Auf seinem Platz in Reihe zwei sitzen, nicht weit von seinem Ex-Tandempartner Erwin Huber, und schweigen. Draußen gibt er einige freundliche kurze Abschiedsinterviews, das war's.

Es sind viele, die in den Schlusstagen zusammenpacken, in manchem letzten Redebeitrag mischt sich Wehmut. Ex-Minister wie Eberhard Sinner und Josef Miller (CSU) gehen, frühere SPD-Hoffnungsträger wie Franz Maget und Thomas Beyer, die verdiente Sozialausschusschefin Brigitte Meyer (FDP). Und mit SPD-Mann Ludwig Wörner der letzte Arbeiter im Parlament.

Die Karriere von Horst Seehofer
:Einzelkämpfer mit Machtinstinkt

Horst Seehofer hat sich aus ärmlichen Verhältnissen zum bayerischen Ministerpräsidenten hochgearbeitet. Seine Karriere ist alles andere als geradlinig verlaufen, seine Arbeitswut hätte ihn fast das Leben gekostet. Nun hat er den Höhepunkt seiner Macht erreicht. Ein Werdegang in Bildern.

Selber Ort, selber Donnerstag. Zum Abschlusstag gibt Sozialministerin Christine Haderthauer im Plenum noch einmal die große Kämpferin in eigener Sache. Die Opposition zieht die Geschäfte ihres Mannes und ihre Asylpolitik mit Dringlichkeitsanträgen noch einmal hoch. Der Wahlkampf ist im Plenum längst angekommen. Der SPD-Abgeordnete Hans-Ulrich Pfaffmann wirft Haderthauer eine Asylpolitik vor, die den rechten Rand bediene. "Mit Ihnen ist keine humane Flüchtlingspolitik möglich." Haderthauer keilt zurück. "Jeder, der diese Aktion - sie meint den Hungerstreik der Asylbewerber in München - als Trittbrettfahrer nutzt, der ist inhuman." Erwin Huber regt sich in einer Zwischenbemerkung auf über die Opposition, "weil solch dümmliches Gerede uns schier unerträgliche Schmerzen bereitet". Es gibt keine Rüge, es ist auch kein Abschiedswort. Denn Erwin Huber tritt ja wieder an.

Donnerstag, 16 Uhr, Plenarsaal. Jetzt ist dann langsam wirklich Schluss. Es stehen noch warme Schlussworte auf der Tagesordnung. Dann geht man auseinander. Man sieht sich, im neuen Landtag im Oktober. Oder auch sofort: im Wahlkampf.

© SZ vom 19.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: