Vor Betrugsprozess:Abschied ohne Tränen

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Damals strahlten sie noch: Günther Felbinger, Fraktionschef Hubert Aiwanger und Michael Piazolo (v.li.) mit den Unterschriften für ein Volksbegehren. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Günther Felbinger verlässt die Fraktion der Freien Wähler. Endlich, sagen viele. Er selbst fühlt sich offenbar missverstanden

Von Lisa Schnell, München

Wie es den Freien Wählern (FW) geht, demonstriert Thorsten Glauber am besten. Auf dem Weg zur Fraktion wird der Forchheimer Landtagsabgeordnete nach seiner Seelenlage gefragt. Sein Mund sagt: "Wie kann man da zufrieden sein?" Seine Mimik aber verrät eine andere Gemütsregung: Auf Glaubers Gesicht breitet sich ein großes Grinsen aus.

Das Grinsen ist wohl einer Erklärung geschuldet, die kurz danach aus dem Abgeordnetenbüro von Günther Felbinger verschickt wird. Felbinger geht. Er verlässt wenn nicht die Partei, so doch die FW-Fraktion. Nachweinen werden sie ihm dort kaum. Nicht nur bei Glauber sind an diesem Dienstag Anzeichen von leichter Freude und Entspanntheit zu beobachten. Der Felbinger-Spuk soll jetzt vorbei sein.

Fast jeden Tag waren die FW zuletzt wegen ihm in den Schlagzeilen. Weil er trotz Krankschreibung zwar nicht im Landtag war, aber daheim in Unterfranken im Bierzelt auf der Bühne. Weil er angab an dem Tag eine Herzattacke erlitten zu haben, an dem er am Abend beim Maibockanstich saß. Und, weil er insgeheim wohl immer noch die leise Hoffnung hegte, seine Parteikarriere fortsetzten zu können, obwohl er wegen Betrugs angeklagt ist. Felbinger soll den Landtag mit Scheinverträgen um eine hohe Summe betrogen haben. 60 000 Euro hat er freiwillig zurückgezahlt. Jetzt aber soll Schluss sein mit den Negativschlagzeilen. Man wolle nach vorne blicken, nicht zurück, sagt FW-Chef Hubert Aiwanger.

Blickt man aber doch zurück, erklärt sich nicht nur das Grinsen des Thorsten Glauber, sondern auch die Aussage davor: "Wie kann man da zufrieden sein?" Lange schon gibt es die Beschwerden in der Fraktion, dass Felbinger der Partei schadet. Lange schon forderten viele, dass Konsequenzen gezogen werden müssten. Erst jetzt aber, nach Felbingers ungeschicktem Auftritt im Bierzelt, ist es soweit. Die öffentliche Kritik aus der Fraktion wurde lauter, auch der FW-Bezirksvorsitzende von Oberfranken hat laut Hans Jürgen Fahn am Wochenende einen Brief an Felbinger geschrieben. Ja, sogar FW-Chef Aiwanger soll mit ihm telefoniert haben. Ihm wurde aus der Fraktion schon länger vorgeworfen, nicht früher durchgegriffen zu haben.

"Ich bin mit mir im Reinen", sagt Aiwanger. Die Frage nach dem "Was wäre wenn" sei in der Politik doch müßig. Wann der richtige Zeitpunkt sei, wisse man nie. Er habe die Situation immer von allen Seiten beleuchtet und versucht ihr gerecht zu werden. Zu Anfang habe man darauf abgezielt, eine juristische Entscheidung abzuwarten. Da es nach zwei Jahren aber immer noch keinen Gerichtstermin gebe, sei die Hängepartie zu lang geworden. Das sei der entscheidende Grund, warum Felbinger die Fraktion verlassen habe. Die jüngsten Diskussionen um seinen Gesundheitszustand seien nur eine Nuance.

Felbinger dagegen nennt in seiner Erklärung andere Gründe: Nicht nachvollziehbare Anfeindungen gegen seinen Krankenstand und Spekulationen zu seinem Gesundheitszustand seien entscheidend für seinen Schritt gewesen. Eine Gemeinschaft, die seinen Gesundheitszustand in Frage stelle, biete für ihn keine gemeinsame Basis mehr. In der Fraktion wurden in den letzten Tagen immer deutlichere Zweifel laut, ob ein Mann, der einen Hörsturz und eine Herzattacke erlitten haben will, wirklich ins Bierzelt gehöre.

Aiwanger aber will das nicht als Angriff gegen die Fraktion sehen. "Natürlich ist da wohl eine gewisse Bitternis dabei, dass nach so vielen Monaten der juristischen Auseinandersetzung der Schritt nötig war". Er wolle die Aussagen Felbingers aber nicht interpretieren. Wichtig sei jetzt, dass Felbinger nicht mehr als Abgeordneter der Freien Wähler gesehen werde. Genau genommen aber ist Felbinger noch Landtagsabgeordneter und bei den Freien Wählern, nur in der Fraktion ist er nicht mehr. Eine ungewöhnliche Konstellation - im Regelfall verlässt, wer aus der Fraktion austritt, auch die Partei, wie es etwa kürzlich die frühere Grünen-Abgeordnete Claudia Stamm tat. Wie sie wird Felbinger nun als Fraktionsloser im Landtag sitzen und damit wohl auch seinen Anspruch auf die Altersversorgung erlangen. Mancher in der Fraktion ist der Meinung, Felbinger hätte auch einen Parteiaustritt in Betracht ziehen sollen.

"Das ist eine zweite Baustelle, die sich das Schiedsgericht ansehen wird", sagt Aiwanger. Derzeit läuft ein Parteiordnungsverfahren gegen Felbinger. Über einen möglichen Ausschluss soll aber erst nach dem Prozess entschieden werden. Wann der stattfinden soll, ist unklar. Bis jetzt hieß es immer im Herbst. Wenigstens bis dahin hofft man bei den Freien Wählern nun, Ruhe vom Thema Felbinger zu haben.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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